Vize-Pokalsieger dürfen sich die Tischtennisspieler des 1. FC Saarbrücken schon nennen. Ob der Meistertitel oder gar die Titelverteidigung in der Champions League hinzukommen, wird sich noch zeigen.
In der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) steht der 1. FC Saarbrücken-Tischtennis mit vier Punkten Vorsprung auf Verfolger Borussia Düsseldorf an der Spitze und als einziges Team vorzeitig als Playoff-Teilnehmer fest. Da sie rechnerisch nicht mehr von einem der beiden vordersten Plätze zu verdrängen sind, starten die Blau-Schwarzen auf jeden Fall mit einem Heimrecht im ersten Duell in die Endrunde um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft.
„Grundsätzlich läuft die Saison für uns fast perfekt. Das muss man schon so sagen“, findet der Sportliche Leiter Erwin Berg und erklärt: „Wir haben bisher erst zweimal verloren.“ Einmal knapp gegen den 1. FSV Mainz 05, als das Team von Trainer Wang Zhi mit kalkuliertem Risiko ohne Patrick Franziska und Darko Jorgic angetreten war, da beide Topathleten international unterwegs waren. Beim 1:3 in Bremen fiel Franziska krankheitsbedingt kurzfristig aus und musste noch vor dem Spiel abreisen. „Jetzt sind wir total heiß auf die Playoffs“, stellt Berg klar.
Ihnen folgen wird aller Voraussicht nach Dauerrivale Borussia Düsseldorf mit Weltstar Timo Boll. Doch die Tabellenplätze drei und vier sind bis zum Schluss hart umkämpft. Insgesamt streiten sich bis zu sechs Mannschaften um die beiden noch freien Startplätze für die Endrunde. „Wir können uns das entspannt anschauen und uns, sobald wir wissen, gegen wen wir spielen werden, konzentriert auf den Gegner vorbereiten“, sagt Berg und merkt an: „Es macht schon mehr Spaß, wenn man die letzten Spiele entspannt angehen kann und frühzeitig weiß, dass man durch ist.“
Wie schon das eine oder andere Mal in der laufenden Spielzeit dürften von dieser Situation die Spieler aus der zweiten Reihe profitieren. Da es sich um eine Olympia-Saison handelt, in der sich die Topspieler aller Länder bei vielen internationalen Turnieren für die Sommerspiele in Paris empfehlen können, hat der FCS TT seinen TTBL-Kader mit sechs Spielern, also einem mehr als üblich, aufgestellt: Patrick Franziska, Darko Jorgic, Cedric Nuytinck, Yuto Muramatsu, Eduard Ionescu und Cedric Meissner. Der vor der Saison eigentlich für die Zweite Mannschaft verpflichtete junge Rumäne Eduard Ionescu hat die Verantwortlichen durch starke Leistungen derart überzeugt, dass er mit der Zeit zum festen Bestandteil des Erstmannschafts-Kaders aufgestiegen war. Inzwischen hat das 19-jährige Talent seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Auch der als Ergänzungsspieler verpflichtete Cedric Meissner (23 Jahre), der bereits um zwei Jahre verlängert hat, mache seine Sache „bisher sehr, sehr gut“, findet der Sportliche Leiter: „Dass wir mit Patrick und Darko zwei Topspieler in unseren Reihen haben, ist klar. Aber insbesondere die Jungen haben immer stark abgeliefert, wenn sie ihre Chancen bekommen haben. Damit konnte man nicht rechnen, und das ist für uns natürlich sehr erfreulich.“
Die Nationalspieler Franziska (31, Deutschland) und Jorgic (25, Slowenien) sowie der japanische Abwehrspieler Muramatsu (27) sind vertraglich über die laufende Saison hinaus an den FCS TT gebunden. Das Team verlassen wird lediglich der Belgier Cedric Nuytinck (30) in Richtung Borussia Dortmund, die bereits als Aufsteiger aus der 2. Bundesliga feststehen. Da es sich bei der folgenden Saison 2024/2025 nicht wieder um ein Olympia-Jahr handelt, ist eine Nachverpflichtung nicht nötig. Bei Bedarf helfen Spieler aus der Zweiten Mannschaft, die kurz vor dem Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga steht, in der Ersten aus. Beispielsweise die Neuverpflichtungen Andrei Istrate (18) und Wang Lichen (23). Istrate stammt aus Rumänien und ist mehrmaliger Jugend-Europameister. Der chinesische Rechtshänder Lichen kommt vom Zweitligisten 1. FC Köln an die Saar. Beiden werden von ihrem neuen Verein für die TTBL lizenziert.
Starke Leistung in der Gruppenphase
Die Einschränkung Erwin Bergs, dass die Saison bisher nur „fast perfekt“ laufe, bezieht sich übrigens nicht nur auf die beiden halbwegs vorhersehbaren Niederlagen in der Bundesliga. Denn auch im DTTB-Pokal mischte der FCS TT zwar bis zum Ende mit und qualifizierte sich für die Endrunde, unterlag allerdings im Endspiel Düsseldorf glatt mit 0:3. Im Halbfinale hatten die Saarbrücker beim kräfteraubenden, dreistündigen Marathon-Match gegen TTF Ochsenhausen knapp mit 3:2 gewonnen, aber auch Federn gelassen: „Dementsprechend waren wir im Finale etwas leer und mussten Düsseldorf am Ende gratulieren. Sie waren einfach besser“, sagt Erwin Berg und ergänzt: „Vize-Pokalsieger ist ja auch kein ganz schlechtes Ergebnis.“
Wie sich die Verantwortlichen und Spieler nach dem Champions-League-Finale nennen dürfen, ist noch offen. Letztes Jahr endete die Saison mit dem sensationellen Titelgewinn. In der Folge bewarb sich der FCS TT um die Ausrichtung des Final Four, also der Endrunde der diesjährigen ETTU Champions League. Dieses Format gab es bisher noch nicht, es wird 2024 zum ersten Mal überhaupt ausgetragen – und zwar tatsächlich in der Saarbrücker Saarlandhalle. Angetrieben von dieser freudigen Botschaft setzte sich die Mannschaft in der vermeintlich schwersten Champions-League-Gruppe mit den topbesetzten Franzosen der AS Pontoise-Cergy TT und SKST Havířov aus Tschechien sogar als Spitzenreiter durch. Die Leistungsträger der Saarländer lieferten dabei gegen Weltklasse-Kontrahenten ab und auch die jüngeren im Team zeigten bei ihren Einsätzen, dass mit ihnen in Zukunft zu rechnen ist. Alle wussten, was auf dem Spiel steht: ein „Finale dehemm“ sozusagen. Bei Abwehrspieler Yuto Muramatsu, der im Pokalfinale dem Druck nicht standhielt, machte sich auch im entscheidenden letzten Spiel Nervosität breit. Doch nach einem offenbar heilsamen Heimatbesuch in Japan nach dem verlorenen Pokalfinale hatte er sich in der Folge deutlich stabilisiert. Auch im entscheidenden Gruppenspiel der Champions League hielt er das starke Niveau der Vorwochen und machte mit seinem entscheidenden Sieg zum 3:2-Gesamtsieg bei den Franzosen den Finaleinzug klar. „Diese Entwicklung von ihm, aber auch von der gesamten Mannschaft gibt uns Hoffnung für die entscheidenden Spiele, die noch auf uns zukommen“, sagt Erwin Berg. Seine Mannschaft darf sich nun als Gastgeber und teilnehmender Titelverteidiger am ersten Final Four der Geschichte des Europäischen Tischtennisverbandes ETTU beweisen.