Wilde Dünen, herrliche Mittelalterstädtchen, Haifischzähne im Sand: Die fünf Inseln und Halbinseln der südniederländischen Provinz Zeeland stellen auch im Herbst ein attraktives Urlaubsziel dar. Und eine jahrhundertealte Windmühle ist eine stilechte Unterkunft.
Noch vor einer Stunde zogen Dutzende Ausflügler mit Sonnenschirmen, Kühltaschen und Picknickdecken in unsere Richtung. Doch nach und nach bogen alle zum Strand ab. Wir aber halten auf den rot-weiß geringelten Leuchtturm "Vuurtoren Westerlicht" zu, der in einigen Kilometern Entfernung etwas zurückgesetzt im Landesinneren zu stehen scheint. Mit jedem Schritt wird es einsamer, ruhiger, wilder. Auch das Terrain ändert sich merklich. Statt asphaltierten Wegen, gestutzten Wiesen und lichten Fichten dominiert jetzt haufenweise Sand. Oder besser: dünenweise. Die Augen ergötzen sich an der beeindruckenden Landschaft, suchen stets nach dem nächsten Wegweiser. Dabei wird der lose Pfad immer wieder von hohen Gräsern und harmlosem Gestrüpp flankiert. Nur von den Namensgebern der Meeuwenduinen (Möwendünen) ist heute weder viel zu sehen noch zu hören. "Zwischen März und Juli ist hier aber die Hölle los", erklärt uns später ein Einheimischer, "dann brüten in den Dünen rund 6.000 Paar Heringsmöwen plus 2.000 Paar Silbermöwen!" Dann ist der rund zwölf Kilometer lange Wanderweg durch das Naturschutzgebiet Zeepeduinen bei Burgh-Haamstede allerdings gesperrt. Ein Vorteil also, wer im August oder später kommt.
Ein kaum besuchter, extrabreiter Strand
Als wir nach einer weiteren Stunde Wanderung das Meer erreichen, begegnen wir übrigens doch noch einigen Wasservögeln, am extrabreiten und an dieser Stelle trotz herrlichem Sonnenwetter kaum besuchten Strand, der sich im Westen von Schouwen-Duiveland über 21 Kilometer entlangzieht. Da findet jeder sein Areal: FKKler, Kite- und Windsurfer, Muschelsammler, selbst Seehunde trauen sich hier an Land. Oder beobachten die Szenerie von einer sicheren Sandbank aus.
Badegäste verirren sich dorthin nicht, dazu ist die Nordsee selbst im Sommer einfach zu frisch. Außerdem wirken angespülte Quallen in unterschiedlichen Größen nicht unbedingt einladend. Dann lieber ein Strandspaziergang, der in großem Bogen zum Ausgangspunkt in Burgh zurückführt. Insgesamt wurden in dem 1.100 Hektar großen Wald- und Dünengebiet, dem größten zusammenliegenden der südniederländischen Provinz Zeeland, in den vergangenen 20 Jahren über 50 Kilometer gekennzeichnete Wanderwege angelegt. Diese führen auch an manch kleinem See und verwildertem Bunker vorbei, in dem schon öfter Bartfledermäuse gesichtet wurden. Oder an Vertretern der rund 100 frei lebenden Shetlandponys, die wertvolle Arbeit leisten, in dem sie für den Bestand der Sanddünen die Bäume zurückdrängen. Dünen bedeuten Hochwasserschutz. Der ist in Zeeland, das fast komplett unterhalb des Meeresspiegels liegt und immer wieder von Flutkatastrophen heimgesucht wurde, elementar. So sind auch Deiche omnipräsent. Das hat für die dahinterliegenden Ferienwohnungen den Nachteil, dass Gäste von dort nicht direkt das Wasser sehen können, andererseits den Vorteil, dass man sie als Wander-, Lauf- oder Radstrecken nutzen kann.
Im Übrigen durchziehen die erhabenen begrünten Wälle auch das brettflache Hinterland. Zur Nordsee hin bilden schließlich eine Reihe von Dämmen die Deltawerke. Das 1986 eröffnete Oosterschelde-Sturmflutwehr ist mit seinen 65, bis zu 18.000 Tonnen schweren und 65 Meter hohen Pfeilern so gewaltig, dass es eine Besichtigung wert ist. Auf der ehemaligen Arbeitsinsel Neeltje Jans wurde ein Informationszentrum eingerichtet. Und ein Freizeitpark, in dem Wasser spaßig interpretiert wird in Gestalt von Rutschen, Pritschelbecken und vielem anderen. Auf Druck von Umweltschützern sind die Schleusen des Riesenwehrs übrigens bis auf die Sturmflutzeiten geöffnet, lassen somit Salzwasser in die Osterschelde strömen. So konnte ein einmaliges Brackwasserbiotop bewahrt bleiben. Und ein einmaliges Freizeitbiotop
Ein Biotop wurde erhalten
Taucher schwärmen von riesigen Hummern, Seesternen und Anemonen, Wassersportler von einem tollen Paddel- und Segelrevier, das sich zwischen den fünf Inseln und Halbinseln der Provinz auftut. In Brouwershaven, das auf der Insel Schouwen-Duiveland liegt, befindet sich etwa einer von zahlreichen Jachthäfen. Obwohl im benachbarten Den Osse und Port Greve mehr als 1.400 Ferienwohnungen jeglicher Komfortstufe zur Wahl stehen, ist in der Regel auch die Nachfrage nach Unterkünften hoch. Daher heißt es: früh buchen oder in die Nebensaisonzeiten ausweichen. Wer eine ganz besondere Unterkunft sucht, bezieht die Windmühle "De Haan", die sich leicht über Brouwershaven erhebt. Was hat dieses Gebäude nicht schon alles erlebt!
1724 erbaut, pumpte es lange Zeit Wasser aus dem Hinterland, mahlte fleißig Weizen. Erlebte strenge Winter und heiße Sommer und machte wie heutzutage mit dem gemahlenen Mehl viele Menschen froh etwa in Gestalt der allgegenwärtigen Pannekoeken, die niederländische Variante von Pfannkuchen. Dann kam 1953, das Schicksalsjahr einer ganzen Region. Bei der großen Flutkatastrophe inklusive diverser Dammbrüche starben rund 1.800 Menschen, ganze Dörfer standen unter Wasser. Auch Brouwershaven. Bis auf die Mühle, die ein paar entscheidende Meter höher liegt. 2003 schließlich erfolgte der Ausbau zum hübschen Feriendomizil. Davon gibt es wider Erwarten wenige im Windmühlenland. Von noch rund 1.100 erhaltenen Mühlen im ganzen Land sind gerade einmal ein Dutzend als Ferienwohnung nutz- und mietbar. Und es hat was, unter den mit einer schweren Eisenkette fixierten Flügeln in der Sonne zu sitzen und Siesta zu halten. Im Inneren wurde indessen so viel erhalten wie möglich. Räderwerk, Balken, Zahnräder, der gute Geist der Vergangenheit. Hinzu kamen aber eine schicke Wohnküche samt großem Holztisch und Kamin sowie zwei Schlafzimmer. Ideal für Gäste, denen Treppensteigen und Hellhörigkeit nichts ausmachen und die ein ungewöhnliches Ambiente, das sich nicht zuletzt an den runden Zimmern festmacht, schätzen.
Außerdem ist die Mühle ein toller Ausgangspunkt für Ausflüge in die Region: Zu Fuß geht es in wenigen Minuten in das kleine Örtchen mit seinem blumengeschmückten Platz und der Kirche, mit dem Rad in eineinhalb Stunden zu den Meeuwenduinen, etwas kürzer ist es in das nette mittelalterlich geprägte Zierikzee. Die größere Ausgabe einer Mittelalterstadt stellt Middelburg dar, die Hauptstadt von Zeeland, deren Blütezeit im 17. Jahrhundert war. Damals, im sogenannten Goldenen Zeitalter, war die Stadt einer der Stützpunkte der Niederländischen Ostindien-Kompanie, galt neben Amsterdam als eine der reichsten Städte der Niederlande. Noch heute zeugen die restaurierten prächtigen Häuserzeilen um die im 12. Jahrhundert entstandene Abtei vom Wohlstand vergangener Zeiten. Über allem wacht der "Lange Jan". Der schlanke Turm der Abteikirche ist mit rund 90,5 Metern das höchste Bauwerk in Zeeland. Von oben kann man locker ins nur wenige Kilometer entfernte Vlissingen blicken, mit der Bahn sind es nur 15 Minuten. Neben dem dortigen Bahnhof liegt die Schiffsstation. Autos sind auf der halbstündig verkehrenden Fähre verboten, aber wie überall in den Niederlanden kann man sich Räder leihen, was wir prompt tun. Mit Tandems entern wir das Boot und setzen nach 20 Minuten Überfahrt die Radtour fort. Dabei geht es auf und an neuen Deichen vorbei bis nach Cadzand und Nieuwvliet. Dort erwartet uns ein weiterer Schatz uralte Haifischzähne im Sand. Nirgendwo in Europa findet man so viele Fossilien dieser Art wie hier. Allerdings muss man dafür etwas Geduld und Zeit mitbringen. Umso größer die Freude, als wir schließlich einen schwarz schimmernden kleinen Dreizack in den Händen halten!
Von Christian Haas
Info:
Niederländisches Büro für Tourismus
www.holland.com
VVV Zeeland
www.vvvzeeland.nl
Zeeland Vakantiewoningen
www.zeelandvakantiewoningen.eu
Windmühle De Haan
Ferienwohnung für vier bis sechs Personen zwischen 500 und 1.100 Euro/Woche (günstigster Tarif von Anfang Januar bis Ende März und von Mitte Oktober bis Mitte Dezember), rund ums Jahr buchbar, im benachbarten Ferienhaus kommen weitere vier Personen unter (ab 300 Euro/Woche),
www.zeelandmolen.nl/Tarieven.html