Im Osten der Grünen Insel reist man weit in die Vergangenheit zu Schlössern, Kirchen, Klöstern und geheimnisvollen Kultstätten.
Wir fahren von Dublin südwärts nach Wicklow. In der Ferne sanfte Hügel, die die Iren stolz Berge nennen. Weniger stolz dürften sie eigentlich auf das Wicklow Gaol von 1702 sein, einst ein berüchtigtes Gefängnis, nun in einem rekonstruierten Bau. Den Altersrekord hielt dort die 90-jährige Ellen Walsh, inhaftiert wegen ein paar Pennys Steuerschulden. Entsprechend saniert, ist es nun Irlands bestes interaktives historisches Gefängnismuseum. Sogar Kindergeburtstage werden hier gefeiert.
Dafür wäre gefühlsmäßig das Wikinger-Städtchen Wexford besser geeignet, zumal dort die Musik hochlebt. "No working during drinking hours" (Kein Arbeiten während der Trinkstunden), fordert ein Schild in einem Pub. Klassikfans reisen seit Jahren zu den Opernfestspielen an, diesmal vom 26. Oktober bis 6. November. Wexford hat sogar ein modernes National Opera House gebaut.
Ein Stück südöstlich auf der Hook-Halbinsel trotzt das 800 Jahre alte Hook Lighthouse, einer der ältesten Leuchttürme weltweit, allen Stürmen. Die 115 Stufen bis zur Plattform werden mit toller Aussicht belohnt. Tief unten klatschen die Wellen gegen die Felsküste.
Mönche haben den Turm errichtet, der den Schiffen den Kurs zum Hafen Waterford weist. Mehr als fünf Jahrhunderte sorgten sie für das Leuchtfeuer, später taten es Leuchtturmwärter. Zwei bis drei Familien wohnten im dicken Turm, bis unten Hütten gebaut wurden. Seit 1996 wird sein Licht ferngesteuert.
Vielleicht kamen die Leuchtturmbauer aus dem nahen Zisterzienserkloster Tintern Abbey, gegründet um 1200 von William Marshal, Earl of Pembroke. Der Walliser geriet vor der Küste in Seenot und gelobte, bei seinem Überleben ein Kloster zu gründen. Das geschah, und bald war es eines der reichsten in Irland. Der massive Turm sowie die Ruinen von Kirche, Kapelle und Kreuzgang künden noch heute von jenen Zeiten.
Genau wie andere Klöster wurde Tintern Abbey unter König Heinrich VIII. um 1541 aufgelöst, dann aber entsprechend umgebaut bis circa 1960 von der Familie Colclough bewohnt. Letztlich hat der Staat die Abteireste gesichert und unter Denkmalschutz gestellt.
Den Garten haben Freiwillige originalgetreu wieder angelegt. Wie vor 200 Jahren grünt und blüht es vor den alten Mauern. Vom Bio-Gemüse im hinteren Teil können sich die Besucher gegen eine Spende einiges mitnehmen. "Manche geben nur einen Cent", lacht Guide Allen.
Mel Gibson kämpfte hier als "Braveheart" im Normannenschloss
Etwas weiter nördlich liegt das von St. Canisius im sechsten Jahrhundert gegründete Kilkenny, das William Marshal ab 1207 in ein Mittelalter-Städtchen verwandelte und eine Trutzburg hoch über dem Fluss Nore errichten ließ. Den besten Blick auf den mächtigen Bau haben die Gäste vom "Rivercourt Hotel" am Ufer gegenüber. Für die Kanuten wirkt er aus der Froschperspektive noch gewaltiger.
Die machtvolle Butler-Familie, die die Burg 1391 erwarb und zum Schloss umgestaltete, wohnte dort fast 600 Jahre, bis es Arthur, der letzte Nachfahre, für 50 Pfund der Stadt übergab. Drinnen erregen eine fein gedeckte Tafel, Gobelins, Gemälde und die reichhaltige Bibliothek allgemeine Bewunderung, draußen ist es der schöne Schlossgarten.
Ebenso lockt die muntere Mittelaltermeile mit den Shops und Pubs wie "Lanigans Bar", wo es abends bei Livemusik hoch hergeht. An der St. Johns Bridge zeigt das große Guinness-Glas auf dem Doppel-Restaurant "Matt the Millers" was in Kilkenny Sache ist. Gleich zwei Kathedralen recken ihre Türme empor. Kilkenny reizt zum Bleiben.
Eigentlich, denn es gibt auch noch Trim Castle nordwestlich von Dublin, Europas größtes Normannenschloss aus dem zwölften Jahrhundert am Fluss Boyne. Der Wind streicht durch den leeren Riesenbau und erzählt vom Film "Braveheart", der hier 1994 gedreht wurde. Etwas "brave" (mutig) müssen auch die sein, die drei Stockwerke zum Balkon emporsteigen, um in die Grafschaft Meath zu blicken. Hier wurde große Geschichte geschrieben: in Kells, auf dem Hügel von Tara und in Newgrange.
In Kells, wo der Missionar Columban der Ältere (auch Columcilles genannt) um 554 ein Kloster gründete, fällt sogleich das keltische Marktkreuz aus dem neunten Jahrhundert auf. Es stammt ähnlich wie das Columba-Gebetshaus hügelan aus der Zeit, als die Mönche die von den Wikingern zerstörte Abtei neu gründeten. Der Stadtname erinnert an das weltberühmte "Book of Kells", ein hochfein illustriertes Manuskript mit den vier Evangelien, geschrieben etwa im Jahr 800.
Nach Ansicht von Forschern wurde es im schottischen Kloster Iona geschrieben. Oder zum Teil auch in Kells? Jedenfalls haben es die Mönche bis 1654 in der Abtei aufbewahrt und beim Herannahen der Truppen von Oliver Cromwell nach Dublin in Sicherheit gebracht. Seit 1661 hütet es dort das Trinity College. In Kells zeigt die St. Columbas Church ein gutes Faksimile.
Die weiteren, noch mythenreicheren Orte liegen am Boyne, Irlands Schicksalsfluss. So der "Hill of Tara", auf den ersten Blick nur ein Grashügel mit einigen Gräben und Wällen. Vermutlich war er schon in der Steinzeit besiedelt. Gräber, mehr als 4.000 Jahre alt, hat man entdeckt, darunter ein Ganggrab mit Überresten von 40 verbrannten Leichen.
Hier residierten lange vor dem Jahr Null die irischen Hochkönige. Legenden schwärmen von einem prächtigen Königspalast mit einer Tafel für 1.000 Gäste. Doch erst Cormac mac Airt im dritten Jahrhundert nach Christus ist historisch belegt. Auf dem höchsten Punkt des Hügels steht der Schicksalsstein Lia Fáil, an dem die Hochkönige gekrönt wurden. Wenn der Richtige gefunden war, soll der Stein einen Laut ausgestoßen haben.
Neben dem Eingang verwundert eine große Statue des Nationalheiligen St. Patrick, der Irland ab 432 das Christentum brachte. Er predigte auf dem Hügel und überzeugte den Hochkönig Laoghaire und andere. Mael Shechlainn, der letzte von ihnen, gab Tara 1022 auf. Der Kult verblasste, doch der Hill of Tara ist für die Iren nach wie vor ein spirituell wichtiger Ort.
Noch rätselhafter ist die nordöstlich liegende Kultstätte Brú na Bóinne, Unesco-Weltkulturerbe, mit den Jungsteinzeitgräbern Newgrange, Knowth und Dowth. Bauern mit simplen Werkzeugen aus Holz und Stein schufen vor rund 5.000 Jahren diese großen Anlagen, dekoriert mit Spiralen, Rauten und Dreiecken. "Über deren Bedeutung gibt es nur Theorien", betont Guide Paul Kelly. Die Spiralen könnten eine noch nicht entzifferte Schrift sein, meinen einige Forscher, andere denken an die Darstellung der wandernden Gestirne. Einige sprechen gar von Halluzinationen nach dem Genuss bestimmter Pilze. Dann würde man Spiralen sehen. "Auch ich wollte das ausprobieren, doch meine Kollegen hatten mir alle Pilze weggegessen", witzelt Kelly.
Kult der Hochkönige auf dem Hill of Tara
Auf dem Weg durch den fast 19 Meter langen Tunnel müssen sich die Besucher bücken. Er führt in eine Kammer mit drei Nischen. In zwei Steinbecken hat man die Knochen von fünf Personen entdeckt. Eine sensationelle, bis heute wasserdichte Konstruktion ist die sechs Meter hohe Decke aus schichtweise übereinander gelagerten Felsen, ganz ohne Bindemittel. Den großen steinernen Hügel über der Kammer schätzen Experten auf 200.000 Tonnen Gewicht. Der Steinkreis rund um Newgrange ist etwas jünger und diente wohl astronomischen Zwecken.
Das Besondere an Newgrange ist die kleine Fensteröffnung über dem Eingang, die erst 1963 entdeckt wurde. Bei Tagesanbruch der Wintersonnenwende am 21. Dezember und schon einige Tage zuvor fällt ein Sonnenstrahl in die Kammer und wandert dann den Gang entlang. Der Lichtstrahl wurde "vielleicht als mächtiges Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod gesehen, das auch den Geistern der Toten ein neues Leben versprach," ist im Besucherführer auf Deutsch zu lesen.
Nach diesen Blicken in längst vergangene Zeiten kann auch die Schlacht am Boyne (Battle of the Boyne) nachdenklich stimmen. Wo heutzutage friedlich geangelt und gepaddelt wird, kämpften am 12. Juli 1690 zwei Ehrgeizige mit zusammen 60.000 Soldaten um die Königswürde: der zuvor zur Abdankung gezwungene katholische König Jakob II., der aus Frankreich anrückte, und der frisch gewählte protestantische König Wilhelm von Oranien. König Ludwig XIV. machte indirekt mit. Nach zwölftägigem Kampf siegte Wilhelm. Irlands größte Schlacht und ihre Bedeutung werden im Oldbridge House bestens vermittelt.
Bleibt noch Schloss Slane von 1785 am Boyne, seit 1981 das "Rock-Castle", wo die Rolling Stones, U2, Robbie Williams, Queen, David Bowie, Neil Young, Bryan Adams, Bob Dylan, Bruce Springsteen, Madonna, Celtic Woman und Oasis rund 10.000 Fans begeisterten. In diesem Sommer setzte man jedoch auf Hochzeiten. Nach dem Feiern und Schmusen ist den Brautleuten, ihren Gästen und allen Urlaubern der Besuch eines Hurling Matches zu empfehlen, Irlands rasanter Nationalsport.
Von Ursula Wiegand
Info:
Allgemeine Infos:
Irland Information in Frankfurt,
Telefon 069-9231850 und unter www.ireland.com
Anreise mit Flugzeug, Auto und Bahn:
Flüge mit Germanwings, Lufthansa und Ryanair. Die meisten Direkt-Verbindungen bietet Aer Lingus, www.aerlingus.com
Mit dem Auto per Nachtfähre von Nordfrankreich direkt nach Irland (Cherbourg/Roscoff-Rosslare) oder per Fähre nach Großbritannien, mit Anschlussfähre weiter nach Irland. Direktfähre: Irish Ferries, Telefon 0421-1760218, www.irlandfaehre.de
Bahnfahrten mit Irish Rail Tours,www.irishrailtours.com
Auch Bahnverbindung von Dublin über Wicklow nach Wexford.
Newgrange:
Zutritt nur mit Führung, Tickets im Visitor Centre Brú na Bóinne. Frühzeitig kommen oder Ticket vorbestellen. Telefon 00353-419880300.
Übernachtung:
Bellinter House:
www.bellinterhouse.com
Rivercourt Hotel:
www.rivercourthotel.com
Interaktives Gefängnis:
www.wicklowshistoricgaol.com
Schloss Slane:
www.slanecastle.ie