Was darfs denn sein? Bologna la rossa (die Rote), la turrita (die Turmreiche), la dotta (die Gelehrte) oder Bologna la grassa (die Fette)? Am besten alles, je nach Lust und Laune. Es lohnt sich, die vier und noch mehr Seiten dieser schönen, lebendigen italienischen Stadt zu erkunden und zu genießen.
Rot und turmreich fällt sogleich ins Auge. Aus rötlichem Gestein sind die meisten Bauten, und das Rot steht Bologna bestens. Auf die Besucher wirkt es optimistisch und wärmt das Herz. Alles Weitere tut die Sonne. Daher strömen schon früh am Morgen viele zur weitläufigen Piazza Maggiore, und nicht nur die Jugend sitzt bald auf dem Pflaster vor dem Palazzo del Podestà oder am Neptunbrunnen. Vom Palazzo dAccursio, dem früheren Rathaus, schaut ein Papst auf das Treiben. Entgegen der Inschrift ist es Gregor XIII., der 1582 den von ihm verbesserten Kalender einführte.
Alles von hoher Warte zu betrachten, ist mindestens ebenso reizvoll. Für drei Euro ein bescheidener Beitrag zur seitlichen Renovierung der Basilika San Petronio rattert ein Baufahrstuhl empor zur Terrazza. Die Aussicht von dieser Plattform in 54 Meter Höhe ist der neueste Clou. Links schiebt sich die Kirche Santa Maria della Vita mit ihrer Kupferkuppel ins Bild, rechts sind es die Geschlechtertürme Garisenda und Asinelli. Etwa 180 solcher Türme wurden im 12. und 13. Jahrhundert errichtet, als Machtsymbol oder Wohnturm. Bologna la turrita.
189 v. Chr. von den Römern gegründet
Dass der kleinere Garisenda schief steht, ist keine optische Täuschung. Damit er nicht umfällt, hat man ihn von 60 auf 48 Meter gekürzt. Andere Türme wurden wegen Baufälligkeit verkleinert, manche sogar als Strafe für ausbleibende Steuerzahlungen!
Von den noch erhaltenen 20 Türmen ist Asinelli mit jetzt 97 Metern der höchste. Über die engen, recht steilen Treppen hinaufzuschnaufen, ist was für Fitte ohne Platzangst. Der deutlich leichtere Aufstieg auf den 60 Meter hohen Prendiparte bringt ebenfalls interessante Perspektiven. Wie sich hinter dem rotbräunlichen Dächergewirr das moderne, strahlend weiße Messegelände ausbreitet, ist deutlich zu erkennen. Dessen Planung wurde dem japanischen Stararchitekten Kenzo Tange anvertraut und von seinen italienischen Kollegen realisiert. Bologna, die 189 v. Chr. von den Römern gegründete Stadt, weiß, was zu ihr passt.
Der Prendiparte ist allerdings in Privatbesitz, und die Besichtigung erfolgt nur im Rahmen einer Gruppenführung. Lächelnd erzählt Eigner Matteo Giovanardi, dass er den dicken Turm von seinem Vater als Geschenk zum 18. Geburtstag erhielt. Eine großzügige Gabe, die jedoch ins Geld ging.
"Für die Sanierungssumme hätte ich zwei Stadtwohnungen kaufen können", sagt er. Oft hat er abends mit einem Glas Rotwein auf der Turmplattform gesessen und auf Bologna geschaut. Neuerdings können das auch die Gäste tun, hat er doch die unteren Stockwerke in eine romantische Ferienwohnung verwandelt. Bed & Breakfast im Mittelalterambiente.
Wer nach solch einem Turmtreppentraining hungrig und durstig geworden ist, denkt an Bologna la grassa, die Fette, ein Ausdruck dafür, dass hier schon immer gerne und gut gegessen wurde. Die richtige Wahl zur Mittagszeit ist auch für Einheimische der traditionsreiche Mercato di Mezzo, wo vielen sogleich das Wasser im Munde zusammenläuft.
Hier gibt es noch die allerältesten Läden Bolognas, doch statt Fisch wie früher verkaufen sie nun frisches Obst und Gemüse oder Käse und Wurstwaren. Die Mortadella wurde in Bologna erfunden. Teller mit feinem Aufschnitt an Stehtischen, dazu ein Glas Wein und hinterher noch Cappuccino plus Kuchen auf der Piazza Galvani das ist es.
Ein Abstecher zur Schokoladen-Manufaktur Majani, gegründet 1796, sollte auch nicht fehlen. Diesen hoch edlen Kreationen kann kaum jemand widerstehen. Muss auch nicht sein. "Gute Schokolade macht nicht dick, ich esse sie jeden Tag", behauptet die schlanke Verkäuferin.
Pasta in allen Varianten schont hoffentlich auch die Taille, nur Spaghetti Bolognese kennt dort niemand. Stattdessen sind Tortellini in Fleischbrühe ein typisches Gericht. Ein Gastwirt, der einst durchs Schlüsselloch eine junge Frau beobachten wollte, aber nur ihren Bauchnabel sah, soll angeblich nach diesem die Tortellini geformt haben.
Davide Berchiatti, Chef in der renommierten Kochschule "Cultura Italiana Bologna Cucina, setzt auf die etwas größeren Tortelloni. Teig machen und ausdauernd kneten, ist die erste Übung. Diesen ganz dünn ausrollen und Tortelloni drehen, die nächste. Nebenbei werden Salat, Rindersteak und Panna Cotta fertig. Das Rezept fürs Menü, nach getaner Arbeit vergnüglich genossen, wird den Teilnehmern ausgehändigt. Genüsse optisch-musikalischer Art bietet andererseits die Sammlung Tagliavini, für Musikliebhaber ein Muss. Wie aufwendig die historischen Instrumente gestaltet sind und wie fein sie klingen! Unter den Händen von Maestro Liuwe Tamminga erwacht das gut gepflegte Clavicembalo von 1584 zu neuem Leben. Auch Studenten spielen bei Konzerten auf diesem alten, kostbaren Instrument. Bologna mit der 1088 gegründeten, ältesten Universität Europas, zieht nach wie vor Studierende aus aller Welt an. Rund 100.000 auf knapp 400.000 Einwohner machen das heutige Bologna zu einer jungen Stadt.
Die ersten Lernzentren waren wie Stadtführerin Miriam Forni erzählt jedoch die Kirchen, da sie die entsprechenden Bücher besaßen. Auch die Basilika San Domenico gehörte dazu. Sie trägt den Namen des Spaniers, der hier nach 1200 den Dominikanerorden gründete. Seine sterblichen Überreste ruhen in einem aufwendig gestalteten Grabmal.
Im Jahr 1563 zogen die Studierenden ins neu gebaute Archiginnasio. Unzählige Wappen aus ganz Europa lassen erkennen, woher sie kamen. Im Anatomiesaal von 1637 steht noch der Tisch, auf dem die Leichen seziert wurden. An dieser Uni lehrte auch die erste Professorin Europas: Laura Bassi (17111778). Trotz aller Reputation ließ Napoleon 1803 das Archiginnasio schließen. Heutzutage dient der lang gestreckte Bau teils als Stadtbibliothek, teils als Museum.
Für die Unterbringung der vielen Fleißigen fanden die Einwohner Bolognas schon vor Jahrhunderten eine clevere Lösung. Durch den Anbau von Erkern und Arkaden vergrößerten sie ihre Häuser und schufen so oberhalb der engen Gassen neuen Wohnraum, den sie für gutes Geld vermieteten. Diese fast 40 Kilometer langen Bogengänge (italienisch Portici), meist in rot, mitunter auch in gelb oder ocker, manche mit Kapitellen, andere schmucklos, sind Bolognas Markenzeichen. Die der Banca dItalia von 1865 mit ihren fein dekorierten Gewölben wirken besonders attraktiv.
Praktisch sind sie alle. Flanieren und shoppen ohne Schirm, das hat was. Pilgern ohne Nässe ebenfalls. Ein 3,8 Kilometer langer, zweiteiliger Bogengang (Weltrekord!), errichtet ab 1674, führt hinauf zur Wallfahrtskirche San Luca, die eine byzantinische Marien-Ikone aus dem 10./11. Jahrhundert hütet. Wer nicht gut zu Fuß oder eher bequem ist, fährt ab der Piazza Maggiore mit dem Züglein "San Luca Express" hügelan und genießt gleichzeitig Bolognas grüne Umgebung.
Ursula Wiegand
Info:
Unterkunft: Hotel Porta San Mamolo, Vicolo del Falcone, knapp zehn Minuten von der Piazza Maggiore: www.hotel-portasanmamolo.it, Telefon 0039-051583056.
Essen: Trattoria Camminetto Doro, Via die Falegnami 4 oder Restaurant Il Voltone, Piazza Re Enzo 1, (mit Jazz jeden Samstagabend). In den Nebenstraßen ist es günstiger als direkt auf der Piazza Maggiore. Besonders günstig isst man im jetzigen Universitätsviertel am Palazzo Poggi.
Ferienwohnung im Turm: www.prendiparte.it
Kochschule Davide Berchiatti: www.bolognacucina.it
Allgemeine Infos zu Bologna: www.bolognawelcome.com (engl.).
Emilia Romagna: www.emiliaromagnaturismo.it/de