Frankreich? Grenzstadt? Oskar Lafontaine? Ja, aber die saarländische Hauptstadt ist viel mehr als das. Nicht nur die barocke Ludwigskirche strahlt Glanz aus. Auch St. Johanner Markt, Bahnhofstraße oder das Nauwieser Viertel haben ihre Reize.
Hier kommen vier Fakten, die jeder Saarbrücker über seine Heimat weiß und die sie vielleicht zu einem echten Geheimtipp unter den besten Städten Deutschlands macht.
Erstens: Der St. Johanner Markt ist nicht allein das Zentrum der Stadt
Wenn man die Tourist-Information im Rathaus St. Johann besucht oder einen Reiseführer über Saarbrücken zu Rate zieht, wird man davon unterrichtet, dass der St. Johanner Markt (oder einfach der Markt) das Herzstück Saarbrückens ist. Und es ist auch wirklich nett hier ein kopfsteingepflasterter öffentlicher Platz mit zahlreichen urigen Cafés und Res-taurants, in und vor denen es sich die "Saarbrigger" vor allem im Sommer gemütlich machen. In seiner Mitte steht ein wunderschöner weißer Brunnen, den es zumindest in abgewandelter Form schon mindestens seit dem 16. Jahrhundert gibt. Er ist der beliebteste Treffpunkt, wenn man sich für einen Stadtbummel verabredet ist.
Eine weitere beliebte Anlaufstelle ist das Kaufhaus Karstadt in der Bahnhofstraße, der Haupteinkaufsstraße und Fußgängerzone Saarbrückens. Von hier aus kann man perfekt über die Einkaufsmeile in der einen Richtung schlendern oder sich in anderer Richtung auf einen Kaffee oder ein Bier am Markt treffen. Die Wege sind hier kurz, aber das ist eher ein Vor- als ein Nachteil. Saarbrücken mag vielleicht nicht die größte Stadt Deutschlands sein, doch dafür kann sie mit gemütlichem Flair punkten.
Vom Karstadt aus geht es an allen möglichen Modeketten und Fast-Food-Restaurants vorbei die Bahnhofstraße hoch, an deren Ende schließlich das größte Einkaufszentrum Saarbrückens liegt. Die ehemalige "Saar-" wurde vor einiger Zeit zur "Europa-Galerie" umgebaut und beherbergt die wichtigsten Geschäfte, die man auch in den meisten anderen Städten findet. Für Shopping-Freunde lohnt sich aber auch ein Abstecher in die Nebenstraßen der Haupteinkaufsmeile, wo zahlreiche unabhängige Kleider-, Schuh- und Geschenkeläden zum Reinschnuppern einladen.
Zweitens: Wir sind immer noch nicht in Frankreich
Wer sich den Saarländer wegen seiner Nähe zu Frankreich als Froschschenkel- und Baguette-Liebhaber vorstellt, sollte dies ganz schnell wieder vergessen. Wenn man sich in die Saarbahn die Straßenbahn der Stadt setzt, ist man zwar innerhalb von Minuten jenseits der Grenze und bekommt auch alle Haltestellen zweisprachig angesagt das war es dann aber auch schon mit dem Französischen im Alltag eines Saarbrückers.
Dass die Saarländer aber ihre Lyoner lieben, ist nicht nur ein Gerücht. Im Stadtteil Saarbrücken-Ost sind sogar drei Straßen in der Form eines Hufeisens angeordnet oder wie der Saarländer es nennt in der Form eines Lyonerrings. Und so heißt die Umgebung dann auch, in der die beiden Hauptfabrikanten der Fleischwurst ihren Hauptsitz haben. Neben der erwähnten Lyoner findet man bei ihnen auch die unterschiedlichsten Ausführungen des Schwenkers (Bratenfleisch), der nur auf dem gleichnamigen Schwenker (Grillrost, der an einem dreibeinigen Ständer aufgehängt ist) geschwenkt werden darf.
Lyonerring statt Froschschenkel
Aber es gibt auch nicht ganz so klischeehaftes Essen à la "Hauptsach gudd gess" im Saarland. Erste Anlaufstelle ist die umgangssprachliche "Fressgasse", die eigentlich Kaltenbachstraße heißt und eine Seitenstraße des St. Johanner Marktes ist. Sie bietet auf gut 50 Metern Länge eine riesige Auswahl an verschiedensten Essensmöglichkeiten. Angefangen bei einem Pasta-Schnellimbiss, in dem die Nudeln in einem Laib Parmesan geschwenkt werden, und dem nahezu rund um die Uhr geöffneten Crêpes-Stand findet man bei der "Kalinski Wurstwirtschaft" nicht nur vegane Wurst in allen möglichen Ausführungen, sondern auch Currywurst, die angeblich um Längen besser ist als das Berliner Original sagen die Saarbrücker jedenfalls.
Die angeschlossene Hipster-Bäckerei namens "Brot und Seele" ist nicht minder beliebt und zählt auch die Saarbrücker Oberbürgermeisterin zu ihren Kundinnen. Die "Fressgasse" ist auch für ihre drei Rigatoni-Stände bekannt. Wer möchte, kann diese je nach Geschmack mit einer ordentlichen Ladung Maggi verfeinert bei "Rigatoni-Toni" oder beim "Parkdeck" genießen, das (der Name lässt es vermuten) seine Rigatoni unterhalb eines Parkhauses in der Kaltenbachstraße verkauft.
Beim "Ditschmann" in der sogenannten Karstadt-Passage unter der Bahnhofstraße bekommt man seine Pizza stets mit einem freundlichen "Guten Appetitti" in die Hand gedrückt, während man im "Café Lolo", einem Saarbrücker Urgestein mit dem Hauptgeschäft in Alt-Saarbrücken und einem Ableger mitten in der City, schon mal früh morgens minutenlang anstehen muss, um noch einen seiner weit über die Stadt hinaus bekannten Butterkuchen zu bekommen.
Wer es etwas uriger saarländisch mag, ist im Restaurant "La Bastille" am St. Johanner Markt richtig. Im Angebot: saarländische und französische Küche. Hier gibt es auch den berühmten "Dibbelabbes" (geschmortes Kartoffelgericht) mit Räucherlachs und Crème fraîche. Empfehlen kann man auch die Schnecken und den Flammkuchen. Um die Ecke, im "Stiefel", stößt man dann auch auf die berühmten "Hoorische" und "Gefillde" (beides Klöße aus rohen Kartoffeln).
Drittens: Saarbrücken ist ja doch ganz schön
Man kennt es ja auch von woanders was man immer um sich herum hat, ist irgendwann nicht mehr aufregend. Deswegen muss sich auch der Saarbrücker ab und zu mal von seinem Nörgeln distanzieren und merkt dann: Meine Stadt ist ja wirklich gar nicht so hässlich. Das Zentrum Saarbrückens hat einige wirklich nette Ecken zu bieten, die die Saarbrücker auch ein wenig mit Stolz erfüllen.
Das Staatstheater liegt direkt an der Saar von hier aus hat man nicht nur einen wunderschönen Blick auf den Landtag, der vom gleichen Architekten wie der Berliner Dom erbaut wurde, sondern auf eine lange am Fluss gelegene Grünanlage, auf der vor allem im Sommer Jung und Alt die entspannte Atmosphäre und Ruhe im Stadtzentrum genießen.
Fast jeder Saarbrücker weiß um die Geschichte des 1938 von Adolf Hitler eröffneten Staatstheaters, das den Saarländern nach der Abstimmung zur Angliederung ans Deutsche Reich geschenkt wurde trotzdem geht man gerne in das wunderschöne Gebäude, in dem jährlich bis zu 700 Veranstaltungen stattfinden, zuletzt großangelegte Produktionen wie "West Side Story" oder Shakespeares "Othello".
Vom Staatstheater aus geht es über die Alte Brücke, die älteste der Stadt, auf die andere Saarseite zum Saarbrücker Schloss. Seit dem Mittelalter stand hier durchgehend ein Herrscherhaus das heutige Schloss stammt aus der Zeit des Barocks, im nebenan gelegenen Historischen Museum und der unterirdischen Burgruine findet man aber auch Ausstellungsstücke, die zeitlich viel weiter zurückreichen und die die lange Geschichte des früheren Saargebiets dokumentieren. Die Umgebung ist geprägt vom Schaffen des barocken Baumeisters Friedrich Joachim Stengel, der im 18. Jahrhundert nicht nur den Neubau des Schlosses, sondern vor allem zahlreiche Kirchen errichtet hatte allen voran die Ludwigskirche, das Wahrzeichen Saarbrückens, das nicht nur auf der Rückseite der saarländischen Zwei-Euro-Münze auftaucht, sondern auch in gefühlt jedem Saar-"Tatort" zumindest eine kleine Statistenrolle einnimmt.
Viertens: Saarbrücken ist besonders für junge Leute Attraktiv
Zum Glück hat Saarbrücken seine Universität. Sie tut der Stadt gut, viele junge Leute zieht es ihretwegen auch von außerhalb ins Saarland. Das verleiht Saarbrücken ein modernes Gewand, das der Stadt richtig gut steht. Wenn sie nicht gerade an der Uni sind, findet man die Saarbrücker Studenten am ehesten im Nauwieser Viertel. Hinter der Johanneskirche und rund um den Landwehrplatz schlägt das kulturelle und kreative Herz der Landeshauptstadt.
Buntes Treiben im Nauwieser Viertel
Tagsüber ist das Nauwieser Viertel beliebter Treffpunkt für späte Frühstücker und Stöberer. Nachts wird es dank seiner zahlreichen Kneipen mit Namen wie "Bleistift" oder "Feinkost Schmitt" oder Clubs wie die "Garage" zur Partymeile. Das Nauwieser Viertel bietet wie jeder etwas alternativere Stadtteil in anderen Städten nostalgische Plattenläden, urige Buchläden, ein alternatives Kino und Antiquitätenhändler hier ist alles nah beieinander und bietet Studenten ein wahres Zuhause.
Saarbrücken hat also seinen eigenen Charme und das ganz fernab von Frankreich oder Oskar Lafontaine. Wenn jetzt noch der Fußball-Viertligist 1. FC Saarbrücken endlich wieder einmal den Weg nach oben finden würde, wäre die Stadt auch ganz offiziell erstklassig.
Jonas Grethel