Manche Eltern wissen gar nicht, was sie ihren Kindern mit dem Vornamen antun
Neulich im Supermarkt. "Herbert-Fürchtegott, lass mal bitte die Joghurts stehen, Mama hat davon noch welche im Kühlfach!" Dabei sieht der kleine Blondschopf mit den strahlend blauen Augen, der da neugierig zwischen Vanille-Quark und Nussjoghurt herumfischt, gar nicht zum Fürchten aus. Vor meinem inneren Auge sehe ich schon die Szene im Kindergarten. Da steht ein kleiner, etwa vierjähriger Junge an der Rutsche und darf einfach nicht hinauf. Stattdessen umringen ihn seine Kindergartenkollegen, zeigen mit dem Finger auf ihn und lachen ihn aus.
Was sich seine Eltern wohl bei der Wahl des Namens gedacht haben? Vielleicht ja so was wie: "Och Luise, es soll schon außergewöhnlich sein, schließlich gibt es schon genügend Mäxchen im engeren Bekanntenkreis." Dabei ist der Name gar nicht so außergewöhnlich. Neben selbstkreierten Konstellationen wie Pepsi-Carola und Siegbert-Kalipso lassen sich viele Eltern nämlich auch gerne vom aktuellen Fernsehprogramm inspirieren. Nachdem Frodo und Aragorn aus "Herr der Ringe" im vergangenen Jahr die Renner waren, haben es vielen nun Tyrion, Daenerys oder Sansa aus der Hitserie "Game of Thrones" angetan.
Dabei sind Otto-Normalbürger längst nicht die einzigen, die auf Individualität setzen. Die Stars und Sternchen sind ebenfalls bemüht, möglichst außergewöhnliche Namen für ihren Nachwuchs auszuwählen. So hat Fernsehkoch Jamie Oliver seine Kinder namentlich in die Botanik versetzt und sie unter anderem Petal Blossom (Blütenblatt) und Honey Rosie (Honigröschen) genannt.
Schauspielerin Gwyneth Paltrow tat es ihm gleich und entschied sich kurzerhand für Apple (Apfel). Vielleicht kam ihr als bekennende Gesundheitsfanatikerin und Vegetarierin bei der Schwangerschaft mit ihrer ersten Tochter ihre Vorliebe für Obst zu Hilfe? Notfalls kann die kleine Apple ja später eine Umbenennung beantragen, sollte es sich mit solch einem Namen nicht ganz so leicht durchs Leben stolzieren lassen. Ihr Vorteil ist, sie ist berühmt, da drückt sie die Schulbank im eleganten Beverly Hills sicherlich mit kleinen Rainbows (Regenbögen), Justices (Gerechtigkeit) oder Summers (Sommer). Also alles "Easy Going" bei den Stars.
In Deutschland haben Eltern aber neuerdings so ihre Ansprüche an die Namen für das Kind. Einfach so den Erstbesten auszuwählen, das geht natürlich nicht. Da müssen es schon spezielle Ideen sein. Doppelnamen bieten sich an, am besten ohne Bindestrich. Im Zweifelsfall kann das Kind dann später noch die beste Idee als Rufname auswählen. Wenn aber auch Opa und Oma nicht mehr weiterwissen, Doppelnamen schlichtweg schwierig finden und ein wahrer Namenskrieg in der Familie ausbricht, dann gilt es, professionell zu schlichten.
In den USA erledigen das neuerdings Agenturen wie "My Name for Life". Die untersuchen, wie viel Erfolg und Ansehen so ein Name mit sich bringen kann und empfehlen Eltern dann den perfekten Namen für das Ungeborene. Die Nachfrage ist groß, und so gibt es längst auch in Deutschland erste Start-ups, die sich mit dem Thema Namensfindung auseinandersetzen. Das Vorgehen ist dabei ebenso strukturiert wie bei der Bezeichnung für neue Produkte und Werbeslogans. Ist das Branding abgeschlossen, darf das Kind auf die Welt.
Wir waren da eher untypisch und haben uns höchstselbst auf die Suche nach einem passenden Namen für unseren Sohn gemacht. Selten sollte er sein, kurz, einfach auszusprechen und zu schreiben. Fündig wurden wir in einer der zahlreichen Namenslisten im Internet. Und kaum war der Nachwuchs geboren und wir als Eltern bemüht, seine Ankunft auch namentlich zu verbreiten, kam stets dieselbe Reaktion von Verwandten, Behörden und Kinderärzten: "Oh, das klingt aber schön, habe ich noch nie gehört." Innerlich atmen wir dabei noch immer tief durch und sind froh, dass der besondere Name so viel Anklang findet.
Welcher es ist, wollen Sie jetzt wissen? Das verrate ich Ihnen nicht, denn der kleine Mann soll so lange wie möglich seinen ganz besonderen Namen mit wenigen anderen Menschen teilen müssen.
Von Rina Keest
Rina Keest ist studierte Diplom-Pädagogin und Journalistin. Sie schreibt seit 2010 für unterschiedliche Print- und Onlinemedien und ist stolze Mama eines kleinen Sohnes.
LEBEN
picture alliance / dpa-tmn
Von Aragorn bis Tyrion
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