Warum Frauen doch so viel sensibler sind als Männer
manchmal haben wir das Gefühl, dass Frauen besser miteinander umgehen können als Männer. Nehmen wir nur mal einen ganz normalen Männer-Stammtisch. Männer gehen da einfach so hin, als sei das eine Allerwelts-Veranstaltung. Aufwendige Vorausplanungen und spezielle Vorbereitungen: Fehlanzeige! Ein unspezifisches Durstgefühl und eine latente Streitbereitschaft reichen da völlig aus.
Wer zu diesem Treffen sonst noch so kommt das ist uns Männern egal. Wer am Tisch wo und neben wem zu sitzen kommt, ist völlig wurscht. Wenn man laut genug redet und seine Meinung immer dreimal wiederholt, wird man auch auf dem hintersten Platz gehört und mit etwas Wohlwollen auch verstanden. Wenn dann in einer solchen Stammtischrunde immer die gleichen Kerle zusammenhocken, ist die Tagesordnung ein schon lang geübtes Ritual. Die Themenfolge steht unverrückbar fest, falls nicht etwas ganz Außergewöhnliches passiert: Autos, Fußball, Frauen und Politik. Wobei Sachkenntnis für die Diskussionen nicht zwingend erforderlich ist, weil sie die Emotionen nur unnötig bremst.
Spätestens nach fünf Bier und drei Frikadellen gelangen die trinkfreudigen Stammtischler jedesmal zur Einsicht, dass ihre Gegenüber günstigstenfalls "keine Ahnung" haben, eher jedoch "Dummschwätzer", "Rassisten", "grüne Spinner" oder ganz übel "Weicheier" sind. Durch diese gnadenlose Offenheit in Männer-Runden können selbst unter guten Freunden unversöhnliche Feindschaften entstehen, die in besonders schlimmen Fällen sogar bis zum nächsten Stammtisch-Treff andauern, dann aber einträchtig mit gegenseitigem Schulterklopfen unter den Tisch getrunken werden. Allerdings nur, bis das nächste strittige Thema zur Sprache kommt, bei dem jede Freundschaft natürlich aufhören muss.
Bei Frauen ist das dagegen ganz anders. Frauenrunden arbeiten mit erheblichem Aufwand an der Aufrechterhaltung der internen Harmonie. Ist beispielsweise in einem Damenkreis die manchmal zickige Petra vorübergehend in Ungnade gefallen, verliert man darüber am Tisch kein einziges Wort. Zumindest nicht, wenn sie dabei ist. Vielmehr wird schon im Vorfeld des anstehenden Treffens in mindestens 15 Telefonaten unter Aussparung der Betroffenen natürlich ein ausgeklügelter Plan entwickelt, damit Petra später am Tisch zu ihrem eigenen Schutz auf einem etwas abseitigen Platz zu sitzen kommt. So wird niemand dazu verführt, mit ihr auch nur ein einziges böses Wort zu wechseln oder ihren Blick feindselig zu kreuzen.
Beim Tischgespräch ermöglicht man Petra durch eine zuvor diskret abgesprochene Themenwahl, sich weitgehend aufs Zuhören zu beschränken. Sollte sie doch einmal das Wort ergreifen wollen, reden alle anderen so lange und laut dazwischen, bis der Kommunikationswille der Betroffenen erlahmt. Beim Abschiedsküsschen lässt man "die liebe Petra" aber in inniger Umarmung spüren, dass sie nach wie vor "eigentlich" dazugehört. Schließlich könnte man sie ja beim nächsten Treff zu einer strategischen Mehrheitsbildung brauchen.
Kaum ist der Beste-Freundinnen-Kreis wieder zu Hause angekommen, beginnt eine hektische Telefon- oder Whatsapp-Runde aller Mitgliederinnen außer Gerda natürlich, die ja einen stressigen Job hat und ihren Schlaf dringend braucht. Telekommunikativ werden dann Petras Garderobe ("billig und äußerst unvorteilhaft"), ihr Make-up ("wie immer zu dick") und ihre Wortbeträge ("wie immer zu dünn") lebhaft diskutiert. Ein solcher klärender Gedankenaustausch dauert oft länger als das vorherige Treffen, wo man ja doch aus freundschaftlicher Rücksicht nicht so offen reden konnte.
Petra selbst erfährt von solchen Nachbesprechungen aber nichts, weil einige der dort mit Crémant-gelockerter Zunge getätigten Äußerungen sie ja verletzen könnten. Und so etwas geht doch unter echten Freundinnen gar nicht! Auf diese Art gelingt es Frauen über Wochen hinweg selbst dort eine Harmonie aufrechtzuerhalten, wo Männerrunden sich schon drei-, viermal total zerstritten hätten!
Von so viel weiblichem Feingefühl können wir Männer nur lernen!
Peter Schmidt
Peter Schmidt, 66, ist ehemaliger Bundesligaprofi des 1. FC Saarbrücken und war nach der Fußballkarriere als Journalist und Lehrer tätig. Heute betreibt er ein Pressebüro in Riegelsberg und ist als freier Autor tätig.