Warum die Demokraten unfreiwillig den US-Präsidenten unterstützen
Die Nachwahlen zum Kongress seit dem Amtsantritt des umstrittenen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump sind für die Demokraten bei Weitem nicht so ausgegangen, wie man sich das gedachte hatte. Eine einzige haben sie gewonnen, und die letzte, in der der demokratische Kandidat mehr im Wahlkampfsäckel hatte als die SPD für den letzten Bundestagswahlkampf ausgab, wurde ebenfalls knapp verloren. Dabei ist die Ausgangslage nicht schlecht. Die Umfragewerte für den neuen Präsidenten fielen früh in den Keller, die Gesundheitsreform der Republikaner ist hochgradig unpopulär, die Unfähigkeit und die dabei zutage tretende Selbstbeweihräucherung der Führungsriege treiben ständig neue Blüten. Im Grunde eine ideale Konstellation, um den Gegenwind zu nutzen und die eigene Stellung zu stärken. Es geht um viel. Die Midterm-Wahlen rücken näher. 2018 werden viele Sitze im Kongress neu vergeben. Sicher, die meisten sind schon von Demokraten besetzt und müssen von ihnen erst einmal verteidigt werden, aber ein paar zusätzliche Erfolge im Senat würden die knappe Mehrheit der Republikaner infrage stellen. Ab dann würde Trump endgültig keine Gesetzesvorlage mehr durchbringen können.
Doch diese gute Ausgangsposition scheint nicht ausreichend zu sein. Das liegt vor allem an der schlichten Tatsache, dass es nicht genügt, einfach nur gegen Trump zu sein. Viele seiner Kritiker sind moderate Republikaner oder einfach Wähler, die Wert auf ein wenig Würde und Anstand im höchsten Staatsamt legen und daher ein Problem mit dem Präsidenten haben. Sie sind nicht notwendigerweise automatisch Wähler der Demokraten. Und diese stehen sich selbst im Wege. Mit der Aussicht auf einen scheinbar "sicheren" Sieg gegen Trump bei der nächsten Wahl scharren viele Kandidaten mit den Hufen, es brechen interne Kämpfe aus und es offenbart sich das grundsätzliche Dilemma der Partei.
Zwei Lager stehen sich manchmal durchaus unversöhnlich gegenüber: die jungen, eher links orientierten und mit einem schon beinahe revolutionären Habitus auftretenden Mitglieder von der Basis, die Senator Bernie Sanders zu einem ernsthaften Kandidaten während der Vorwahlen gemacht hatten, und das parteiinterne "Establishment", das eher an den alten Wegen festhalten möchte und vor Forderungen zurückschreckt, mit denen die Demokraten den Zugriff auf die politische Mitte, vor allem auf wechselwillige Unabhängige, zu verlieren drohen. Eine reale Gefahr und begreifliche Angst, und damit eine Überlegung, die sicher auch manche Politikstrategen der SPD vor der deutschen Bundestagswahl umtreibt.
Diesmal laufen die Vorwahlen der Demokraten nicht auf eine zentrale Kandidatin zu. Bernie Sanders, obgleich fortgeschrittenen Alters, lässt weiterhin offen, ob er ein weiteres Mal antreten möchte. Der ehemalige Vizepräsident Biden, der offen zugibt, zu bedauern, nicht angetreten zu sein, hat eine Kandidatur nicht ausgeschlossen. Die Liste ist noch viel länger, sie zeigt nicht nur die personelle, sondern auch die programmatische Zerrissenheit der Partei. Die nach der verlorenen Präsidentschaftswahl gewählte Parteiführung war bisher nicht in der Lage, ein überzeugendes Konzept dafür vorzulegen, wie eine gewisse programmatische und personelle Geschlossenheit zu erreichen ist.
Auf diese Weise werden die Demokraten die Midterms verlieren, und damit die Republikaner die Mehrheit im Kongress behalten. Auf diese Weise, wenn sich die Streitigkeiten bis kurz vor die nächste Präsidentschaftswahl fortsetzen, wird man das Weiße Haus nicht zurückerobern, vor allem dann nicht, wenn die Republikaner Trump gegen einen weniger polarisierenden Kandidaten austauschen sollten was aber noch gar keine ausgemachte Sache ist.
Trump kann sich über Wahlniederlagen der Demokraten freuen. Sie stärken ihn und geben ihm Bestätigung, auch Munition gegen Kritiker aus dem eigenen Lager. "Seht, es läuft doch gut für uns", kann er behaupten, und damit dafür sorgen, dass sich die Reihen weiter hinter ihm schließen. Es ist exakt dieser Effekt, der den Demokraten mittelfristig politisch das Genick brechen kann.
Von Dirk van den Boom
Dirk van den Boom, geboren 1966 in Fürstenau, studierte Politikwissenschaft in Münster und arbeitet als Consultant in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik und Sozialpolitik. Er ist selbstständig, schreibt Romane und lebt in Saarbrücken
POLITIK
imago / UPI Photo
Trumps Stärke
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