Mata Hari wurde am 15. Oktober 1917 in Paris hingerichtet. Erhobenen Hauptes, aufrecht und in Würde nahm sie die Vollstreckung des Urteils entgegen. Die Nackttänzerin war wegen Spionage und Landesverrat zu Tode verurteilt worden. Eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, denn die Staatsanwaltschaft hatte eigentlich nichts gegen sie in der Hand.
Diese wahre Begebenheit hat Paulo Coelho als Grundlage für seinen neuesten Roman "Die Spionin" gewählt. In einem Brief an ihren Verteidiger lässt Coelho Mata Hari ihre Lebensgeschichte erzählen. Dabei vermischt sich die Fantasie des Autors so überzeugend mit der tatsächlichen Biografie der Tänzerin, dass das stimmige Porträt einer eigensinnigen Frau entsteht.
Mata Hari verlässt Mann und Kinder, um ihrem Traum zu folgen. Nur beim Tanzen erlebt sie sich als unabhängige, innerlich freie Frau. Als Tänzerin macht sie eine Kunst daraus, sich in erotischer Weise zu entkleiden. Mit ihrem "orientalischen Tanz" in einem Pariser Privat-Museum bahnt sich Mata Hari den Weg zur weltbekannten Künstlerin. Die Herren sind fasziniert, und es bleibt nicht aus, dass Mata Hari Beziehungen zu Männern eingeht, deren Ruf um jeden Preis gewahrt werden muss. Letztlich wird ihr das zum Verhängnis. Als mit den Jahren ihre Schönheit verblasst und die Aufträge ausbleiben, bietet sich Mata Hari während des Ersten Weltkrieges für eine doppelte Spionagetätigkeit an. Ob sie in dieser Form jemals als Spionin agiert hat, kann nicht wirklich nachgewiesen werden. Vielmehr entsteht der Verdacht, dass Mata Hari nur deshalb verurteilt wird, um das Ansehen von bedeutenden Männern zu wahren.
Paulo Coelho gelingt es glaubwürdig, Gedanken, Gefühle und Selbstzweifel einer außergewöhnlichen Frau zu entfalten und den Lesern nahezubringen. Typisch für den Autor, wie er dabei hervorhebt, was es heißt, mutig den eigenen Weg zu gehen und unbeirrt seine Träume zu leben. Ein absolut lesenswerter und spannender Roman.
Christine Bartholomae