Mit Verbissenheit stemmt sich der WWF gegen die Wilderei in Afrika. Neben Einzeltätern stecken hinter dem massenhaften Abschlachten von Elefanten und Nashörnern mittlerweile mafiaähnliche Organisationen, die selbst vor dem Mord an Rangern nicht zurückschrecken.
Alle 18 Minuten wird in Afrika ein Elefant getötet, pro Jahr also etwa 30.000. Bei den Nashörnern entwickelt die Wilderei ebenfalls neue Dimensionen: Alleine in Südafrika ist die Zahl getöteter Nashörner innerhalb von acht Jahren bis zum Jahr 2015 um über 9.000 Prozent gestiegen. Bis 2007 waren es durchschnittlich 14 getötete Nashörner jährlich zuletzt lag die Zahl bei etwa 1.200 Tieren pro Jahr.
Trotz des jahrelangen Kampfs des WWF gegen die weltweite Wilderei stiegen die Zahlen abgeschlachteter Tiere Jahr um Jahr an. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: Erstmals blieben die Zahlen nach dem Jahr 2011 bei den getöteten Elefanten konstant. Allerdings liegen die Zahlen nur bis zum Jahr 2014 komplett vor, die für 2015 sind noch nicht vollständig. "Wir sehen in der Summe eher eine Art Stagnation der Elfenbeinmasse, die aufgegriffen wird", sagt Dr. Arnulf Köhncke, Elefanten-Experte von WWF Deutschland. "Es wird nicht weniger, aber auch nicht mehr."
Die Arbeit bringe dennoch etwas, schließlich sei es schon ein Erfolg, wenn die Zahl nicht weiter steige: "Es ist schon ein gutes Zeichen, dass es sein könnte, dass es zumindest mal nicht mehr geworden ist." Dennoch, findet Köhncke, sei die Anzahl der getöteten Tiere immer noch viel zu hoch. "Es werden nach wie vor mehr Elefanten getötet, als geboren werden", erklärt er und spricht von einem Level, das Sorgen bereite.
Elfenbein: vor allem in Asien heiß begehrt
Für die Nashörner in Afrika sieht es ähnlich aus. Hier gibt es bereits greifbare Zahlen der westafrikanischen Regierung für das erste Quartal 2016. So wurden von Januar bis April dieses Jahres 363 Tiere getötet, im Jahr davor waren es im gleichen Zeitraum 404. "Das lässt vermuten, dass es dieses Jahr so ähnlich ist wie letztes Jahr. Und wie letztes Jahr heißt auch, dass es auf Dauer nicht nachhaltig ist", weiß Köhncke aus Erfahrung. Hinter den Morden an den Elefanten und Nashörnern in Afrika stecken ganze Organisationen mafiaähnliche Systeme, welche die Tiere illegal abschlachten, verschiffen oder ausfliegen, um Unsummen an Geld zu kassieren. Im Visier der Wilderer: das Elfenbein, das besonders auf Asiens Schwarzmarkt sehr beliebt ist und für viel Geld gehandelt wird. In Asien gelten die Stoßzähne der Dickhäuter als Statussymbol und Zeichen des Wohlstandes und werden insbesondere zu Schnitzereien und Schmuck verarbeitet.
Das hat dramatische Folgen, denn nach Schätzungen des WWF hat sich der Bestand des Afrikanischen Elefanten in Zentralafrika alleine im Zeitraum von 1995 bis 2007 mehr als halbiert. Bis heute hat die Wilderei nicht abgenommen und bedroht die Artenvielfalt stark.
Die Nashörner sind bei den Wilderern insbesondere wegen ihres Horns in der Schusslinie. In Vietnam etwa sind die Nashornprodukte als Wundermittel begehrt oder dienen als Statussymbol und stehen für Macht, Wohlstand und Erfolg. Obwohl das Horn des Nashorns aus dem gleichen Material wie Finger- oder Fußnägel besteht, glauben viele in Vietnam daran, dass es beispielsweise gegen Krankheiten hilft. Medizinische Beweise dafür liegen nicht vor.
Eine Studie im Auftrag des WWF und des Artenschutzprogramms Traffic fand sogar heraus, dass das Nashorn überwiegend einfach nur aus gesellschaftlichen Gründen konsumiert wird. Das geriebene Horn wird demnach wie eine Droge gehandelt. "Mit circa 19 Milliarden US-Dollar pro Jahr stellt die Wilderei den viertgrößten illegalen Handel weltweit dar nach Drogenhandel, Menschenhandel und Produktpiraterie", sagt Köhncke.
Dabei gibt es Regionen, in denen die Wilderei mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Deren Lage ändert sich allerdings stetig. Woran das liegt, hat der WWF noch nicht herausfinden können. Klar ist nur: Derzeit sind Zentral- und Westafrika schlimmer betroffen als der Süden oder Osten des Kontinents.
Und auch das ist wieder nur eine Verallgemeinerung: Das zeigt beispielsweise die Entwicklung im Hwange-Nationalpark, der sich im südlichen Afrika befindet und sogar Teil des grenzüberschreitenden Schutzgebietes Kaza ist. Dort wurden im vergangenen Oktober und November alleine mehr als 100 Elefanten an einem Wasserloch getötet, das mit Zyanid vergiftet war. Im Juni dann eine neue Schreckensmeldung vom WWF, der bekannt gab, dass die Elefantenpopulation des Selous Weltkulturerbes bis 2022 aus dem Wildschutzgebiet zu verschwinden droht, sollte die Wilderei nicht gestoppt werden. In Selous ist im Zeitraum von weniger als 40 Jahren die Elefantenpopulation um 90 Prozent gesunken. "Auf dem kürzlich überwundenen Höhepunkt der Wildereikrise wurden jeden Tag sechs Elefanten niedergeschossen", erklärt der WWF. Das hat nicht nur drastische Auswirkungen auf den Artenerhalt, sondern auch auf die wirtschaftliche Lage in Tansania, lebt das Land doch vom Tourismus.
Den Kampf gegen die Wilderei verfolgt der WWF nach wie vor. So werden beispielsweise die Wildhüter vor Ort durch den Einsatz von Hightech-Geräten unterstützt. Auch Aufklärungsarbeit, Plakataktionen, die Gewinnung prominenter Vorbilder für Kampagnen und auch die Schulung der Menschen vor Ort gehören zu der Arbeit, die der WWF leistet. Wichtig ist auch, Arbeits- und Bildungsperspektiven aufzuzeigen, denn es hat sich gezeigt, dass die Regionen Afrikas, in denen Armut und Perspektivlosigkeit herrscht, die Wilderei oftmals als einzige Hoffnung wahrnehmen. Außerdem setzt sich die Organisation gemeinsam mit Traffic dafür ein, dass die Wilderei angemessen geahndet und härtere Strafen verhängt werden.
Ranger ohne Funkgerät gegen Wilderer mit Hightech
Aber auch die Arbeit der Ranger wird vom WWF und Traffic mit Ausrüstung und Ausbildung unterstützt. Denn gerade die sehen sich täglich mit dem Wandel der Wilderei konfrontiert. Waren es vor Jahren noch Männer aus lokalen Dörfern, die als Zwischenmänner mordeten, werden die Tiere heute oftmals aus dem Hubschrauber mit einem Schuss aus einer großkalibrigen Waffe getötet, wie eine Traffic-Studie herausfand. Die Ranger stehen der Wilderei dann machtlos gegenüber und lassen unter Umständen sogar ihr eigenes Leben. Ende Juli veröffentlichte der WWF einen Bericht zum World Ranger Day, der bekanntgab, dass mindestens 107 Ranger im vergangenen Jahr weltweit getötet wurden. Damit erhöhte sich die Zahl getöteter Wildhüter auf über 1.000 in den vergangenen zehn Jahren. Über 90 Prozent der 107 Todesfälle ereigneten sich in Afrika und Asien. Die größte Gefahr gehe für Ranger von bestens ausgerüsteten Wilderern aus. Im Feld stehen die Wildhüter international organisierten kriminellen Organisationen gegenüber, die besonders in den letzten zwei Jahren eine weltweite Wildereikrise ausgelöst haben. Den Rangern hingegen fehlt es am Nötigsten zum Beispiel der Funkausrüstung.
Mittlerweile ist es immerhin gelungen, eine Nashorn-Datenbank aufzubauen: Mit ihr lässt sich beschlagnahmtes Horn einem Wilderei-Fall zuordnen, um höhere Strafen durchsetzen zu können. Schon mehr als 15.000 Proben konnten analysiert und gespeichert werden.
Ein weiteres Problem liegt jedoch in der Strafverfolgung: Denn obwohl die Wilderei gegen das Washingtoner Artenschutzabkommen verstößt, werden die Delikte in den verschiedenen Nationen sehr unterschiedlich geahndet. "In Zentralafrika sind es vor allem Kamerun, die Demokratische Republik Kongo und die Zentralafrikanische Republik, die bei der Bekämpfung der Elfenbein-Wilderei versagen", heißt es beim WWF.
Ein wenig erinnert der Kampf gegen die Wilderei an den ebenso berühmten wie aussichtslosen gegen Windmühlenflügel. Und doch lohnt es sich, dranzubleiben: Im vergangenen Oktober gelang Tansania ein großer Schlag gegen die Elfenbein-Mafia. Dort wurde die 66-Jährige Yang Feng Glan, eine Frau, die für die Tötung von mindestens 350 Elefanten in 14 Jahren verantwortlich sein soll, festgenommen. Das bringe zwar keine radikale Wendung, helfe aber wenigstens dabei, die Organisation durcheinanderzubringen und das Geschäft zu erschweren. Und es zeigt, dass Wilderer nicht unantastbar sind. "Wir sehen seit 2012 eine gestiegene Aufmerksamkeit gegen die Wilderei", sagt Köhncke und hat auch gleich einen Wunsch: "Nun ist es wichtig, dass alle, die sich verpflichtet haben dagegen vorzugehen, ihr Versprechen auch halten."
Von Nadine Bröcker