Tumorerkrankungen sind hierzulande die zweithäufigste Todesursache. Doch bei den Behandlungsmethoden gibt es große Fortschritte.
Sie haben Krebs" ist in Deutschland keine seltene Diagnose. Männer erkranken am häufigsten an Prostatakrebs. Darauf folgen Darmkrebs und Lungenkrebs. Frauen betrifft in erster Linie Brustkrebs. Doch auch hier steht Darmkrebs an Stelle zwei, gefolgt vom Lungenkrebs. Generell gilt: Die Neuerkrankungen nehmen zu. Gleichzeitig kann man Erfolge bei der Krebsbekämpfung verzeichnen, etwa die angestiegene Lebenserwartung. Prognosen und Behandlungsmöglichkeiten unterscheiden sich bei den unterschiedlichen Arten jedoch erheblich: während beispielsweise die Prognose bei Bauchspeicheldrüsenkrebs schlecht ist, sind einige Erkrankungen, wie etwa Hodenkrebs, sehr gut behandelbar. In der Regel sind sie für Betroffene nicht mit einer eingeschränkten Lebenserwartung verbunden. Was nach der Diagnose Krebs passiert, unterscheidet sich also deutlich. Bei allen Arten findet zunächst eine genaue Klassifikation des Tumors statt. Dazu zählt beispielweise, zu welchem Zelltyp der Krebs gehört, welchen Aggressivitätsgrad die Tumorzellen haben, wie groß der Tumor ist und ob er sich schon im Körper ausgebreitet hat.
Beim häufigsten "Männer-Krebs", dem Prostatakrebs, wird außerdem der sogenannte PSA-Wert, der die Konzentration des prostataspezifischen Antigens abbildet, bestimmt. Gehören Betroffene zur Niedrigrisikogruppe, werden sie erst mal engmaschig überwacht. Behandlungsmöglichkeiten sind klassische Verfahren wie die Strahlentherapie, die Chemotherapie oder die Entfernung der Prostata. Hat das Prostatakarzinom zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Lymphknoten- oder Knochenmetastasen gesetzt, dann ist eine örtliche Behandlung zumeist unzureichend, da sich Metastasen meist gleichzeitig an mehreren Stellen im Körper entwickeln.
Hormontherapie bei Prostatakrebs
Daher kommt eine Behandlung zum Tragen, die auf den ganzen Körper wirkt: die Hormontherapie. Aktuell experimentelle Verfahren sind die Kältetherapie, bei der die Prostata durch eingebrachte Sonden schockgefroren und wieder aufgetaut wird. Auf diese Weise sollen die Zellen kranke wie gesunde abgetötet werden. Im Gegensatz dazu funktioniert die sogenannte HIFU-Therapie (High Intensity Focused Ultrasound) über Hitze. Bei dem Eingriff führt der Arzt eine Ultraschallsonde in den Enddarm des Patienten ein. Die Hitze der gebündelten Schallwellen soll das Tumorgewebe zerstören und umliegende Strukturen schonen, damit es seltener zu Inkontinenz und Erektionsstörungen kommt. Dafür verschmilzt das Ultraschallbild mit einer zuvor durchgeführten speziellen Magnetresonanz-Tomografie, die den Krebs in der Prostata detailliert sichtbar macht.
Beim "Frauenkrebs" Nummer eins, dem Brustkrebs, ist meist ein chirurgischer Eingriff notwendig. Daneben stehen ebenfalls die klassischen Behandlungsmethoden wie Strahlentherapie und Chemotherapie zur Verfügung. Wenn im Körper noch Tumorzellen verblieben sind, können sie auch durch Medikamente bekämpft werden, die sich im gesamten Körper verteilen die sogenannte Systemische Therapie. Da Wissenschaftler nachgewiesen haben, dass die meisten Tumore der weiblichen Brust hormonabhängig sind, kann auch die Antihormontherapie zum Einsatz kommen. Die Idee dahinter ist, dass bei diesen Tumoren die Regulation des Wachstums durch Hormone und Antihormone beeinflusst werden kann. Bei gut einem Viertel aller Brustkrebserkrankungen kann auf den Tumorzellen ein Oberflächenmarker, der HER2-neu Rezeptor, nachgewiesen werden. Bildet der Tumor diesen Marker besonders stark, kann zusätzlich zur Chemotherapie eine gezielte Immuntherapie begonnen werden. Die Immuntherapie zählt nicht nur beim Brustkrebs zu den neueren Einsatzmethoden der Onkologie, die Forschung auf dem Feld boomt. Dabei nutzen Krebsimmuntherapien eine besondere Eigenschaft des Immunsystems: Das körpereigene Netzwerk aus Organen, Zellen und Botenstoffen schützt nicht nur vor von außen kommenden Krankheitserregern, sondern kann sich auch gegen krankhaft veränderte Körperzellen im Innern richten. Im Idealfall ist es also in der Lage, Krebszellen anzugreifen und zu vernichten. Die Immuntherapie wirkt unterstützend, indem sie dem Immunsystem hilft, Krebszellen zu erkennen.
Beim Brustkrebs, aber auch bei anderen Krebsarten, kommen zudem immer wieder komplementäre Behandlungsmethoden zum Einsatz. Das heißt, nicht der Schulmedizin entsprechende (unkonventionelle), nicht wissenschaftlich begründete (paramedizinische), ganzheitliche oder biologische Methoden. Die Deutsche Krebshilfe stellt eine Reihe an Fragen bereit, die Patienten selbst beantworten oder ihren Ärzten und Heilpraktikern stellen können. Auf diese Weise sollen unseriöse, dubiose Verfahren enttarnt werden.
Der zweithäufigste Krebs bei Männern und Frauen ist der Darmkrebs. Auch hier stehen eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten wie Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie zur Verfügung. Bei einigen Krebsarten ist heute schon eine gezielte Therapie möglich. Beim Dickdarmkrebs gibt es erste Ansätze in klinischen Studien, diesen vielversprechenden Behandlungsweg auch zu etablieren. Ist die Erkrankung so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr heilbar ist, kann die lindernde (palliative) Behandlung zum Tragen kommen.
Zugeschnittene Krebstherapie
Bei der dritthäufigsten Krebserkrankung, dem Lungenkrebs, unterscheidet man zwischen den kleinzelligen und den nicht-kleinzelligen Lungentumoren. Beim kleinzelligen Lungenkarzinom ist die Chemotherapie das wichtigste Verfahren. Zudem können die Strahlentherapie und eine Operation zum Einsatz kommen. Allerdings erfüllen weniger als zehn Prozent aller Betroffenen mit diesem Tumor die Voraussetzungen für die Operation. Das kleinzellige Lungenkarzinom wird nur in den sehr seltenen frühen Stadien I und II operiert. Beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom bietet die möglichst vollständige, operative Entfernung der Geschwulst die größte Heilungschance. Beim operablen nicht-kleinzelligen Lungenkrebs ist sie daher die erste Wahl. Ist eine Operation aufgrund der Tumorgröße oder Tumorlage nicht möglich oder hat der Patient von der Operation keinen Vorteil zu erwarten, kommt die Bestrahlung zum Einsatz. Das gilt auch, wenn nach der Operation eventuell verbliebene Tumorzellen zerstört werden sollen oder wenn in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung einzelne Metastasen behandelt werden müssen. Nicht zuletzt kann auch die Chemotherapie bei der Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms zum Einsatz kommen.
Daten des Robert-Koch-Instituts zufolge, sind neun von zehn Lungenkrebsfälle auf das Rauchen zurückzuführen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mindestens 30 Prozent aller Krebserkrankungen weltweit vermeidbar. Eine Herausforderung der Zukunft besteht nach dem Bericht zum Krebsgeschehen 2016 darin, die unterschiedlichen Aktivitäten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene so zu koordinieren, dass sie langfristig zum Tragen kommen und viele Bevölkerungsgruppen erreichen insbesondere die sozial Schwächeren. Die Entwicklung in Krebstherapie und -forschung geht, so heißt es im Bericht, in Richtung einer individualisierten, eine spezifisch auf Erkrankung und Situation des Betroffenen zugeschnittene Behandlung.
Laura Kutsch