Im "SticksnSushi" vereinen sich nordeuropäische und ostasiatische Einflüsse zu einer besonderen Gourmetfreude. In London und Kopenhagen schon lange etabliert, hat Ende Januar nun das erste Lokal in Berlin eröffnet.
"I talk Fish" spricht der T-Shirt-Aufdruck der Bedienung. Wahrscheinlich spricht sie sogar Dänisch und womöglich ein bisschen Japanisch. Im "SticksnSushi" an der Potsdamer Straße treten Nordeuropa und Ostasien im Laufe eines Essens auf und das sehr gesittet nacheinander: erst Sushi und Yakitori-Spießchen, dann vielleicht ein mit Lakritz akzentuiertes Dessert? Der ungewohnte Ländermix im kulinarischen Konzept ergibt sich aus der Herkunft der Gründer Kim Rahbek und Thor Andersen. Sie brachten in ihrem 1994 gegründeten ersten "SticksnSushi"-Restaurant in Kopenhagen die Einflüsse der Küchen ihrer beider Herkunftsländer zusammen. 23 Jahre und 16 Restaurants in Kopenhagen und London später, eröffnete Ende Januar das erste Lokal in Berlin. Herr der Sushi-Messer und Grillspießchen ist dort Song Lee. Er hatte als Küchenchef das "Dae Mon" mit zeitgenössischer koreanischer Küche geprägt, nun dirigiert er sein 30-köpfiges Team in der offenen Küche im ehemaligen "Tagesspiegel"-Haus.
Die Begleitung und ich nehmen die warmen Handtücher zum Abwischen des Straßenstaubs, die uns der Service reicht, an der zackig in den Raum gebauten Bar gern entgegen. Umschalten vom Tagesgetöse dabei hilft dieses Ritual der Gastlichkeit. Beim Warten auf den Fotografen erfreuen wir uns an einer hausgemachten Ingwer-Minze-Limonade und an einem "Karai"-Cocktail mit japanischem Whiskey, Sake und Brombeeren. Der alkoholfreie Vertreter ist durch den frischen Ingwersaft die kühl-angeschärfte Version eines Ingwertees. Der Cocktail im Whiskey-Stumbler bleibt bodenständig und vollmundig-beerig zugleich, ohne ins Marmeladige zu driften. Darauf noch ein Schluck gefiltertes, frisches Berliner Leitungswasser, das angenehmerweise für zwei Euro pro Nase mit oder ohne Kohlensäure unbegrenzt ausgeschenkt wird.
"Fifty shades of grey", wortspielt die Begleiterin, als wir uns weiter hinten am Tisch niederlassen. Die wellenartigen, grauen Vorhänge oberhalb der hellgelben Längswand tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geräuschkulisse in dem 160-Plätze-Restaurant auf zwei Etagen nie übergriffig wird. An diesem Dienstagabend füllt sich das Restaurant ab 20 Uhr zusehends. Wir verstehen einander bei voller Besetzung dennoch bestens. Auf einer schwarz-weiß gemusterten Keramikplatte schwimmt der erste Fisch heran. "Kobu Kataifi" sei eine Neu-Kreation für Berlin, verrät "Floor Manager" Robert Skala vom "SticksnSushi". Wolfsbarsch-Scheiben schlingen sich um "Kataifi", fritierte Glasnudeln, die wie ungekämmtes Engelshaar herausstehen. Ein Klacks Gemüse-Apfel-Dip und ein paar Frühlingszwiebel-Ringe liegen obenauf die Röllchen mit der filigranen Füllung sind beispielhaft für vieles, was folgt.
Die vielnähende Begleiterin sagt: "Seigeiha, ein traditionelles japanisches Stoffmuster" über die Keramikplatte mit den sich blütenartig verjüngenden Halbkreisen, die an Wellen erinnern sollen. In der Speisekarte ist das Gericht auf einer schwarzen Platte abgelichtet. Das quadratische Büchlein macht es allen leicht, sich in der Vielfalt von Sushi, Sashimi, Nigiri und Yakitori zurechtzufinden. Es gleicht einem kleinen, sehr ästhetischen Ausstellungskatalog. "In Kopenhagen heißen die Karten Fotoalbum", sagt Robert Skala. Die stringente Design-Handschrift entstammt dem Berliner Architekturbüro "Diener & Diener", die sämtliche "SticksnSushi"-Restaurants mit örtlich individuellem Touch gestalteten. Konzept oder Zufall? Der exakt gegenüber der Fensterfront sichtbare, leuchtende "Wintergarten"-Schriftzug wirkt wie ein Teil des Gestaltungskonzepts. Durchdacht sind auch andere Kleinigkeiten wie eine gut gegliederte Übersicht über Allergene, die im Netz zu finden ist.
Gut gefällt uns dreien spontan das "Beef Tataki", ein flambiertes, dünn geschnittenes, von außen angebräuntes, von innen angewärmtes Rind. Die Scheibchen werden getoppt von geräuchertem Frischkäse und Sojamandeln, Schnittlauch und einer Vinaigrette mit Yuzu, einer asiatischen Zitrusfrucht. Wir dippen sie in eine "Goma"-Sauce aus püriertem Sesam mit einem Tick Zitrone und das sogar kleckerfrei. Die Gerichte sind in sehr mundgerechte Happen portioniert und weitestgehend ohne Gebröckel und Getropfe essbar. Die Kleidung und die gute Laune danken es. "Das Beef Tataki und die Ebi Bites sind Klassiker", sagt Robert Skala. Wir beträufeln die in Tempura-Blubberbläschen gehüllten, gebackenen Garnelen mit Miso-Aioli, Chili und Korianderkresse mit Limette, knuspern sie in einem fort und wissen weshalb.
Wir vertreiben uns die Wartezeit auf die nächste Platte mit einem genaueren Blick aufs Wein-Etikett und mit dem Verzehr von gegrillten Edamame-Bohnen mit Meersalz, die wir aus ihren Hülsen drücken. Robert Skala empfahl den 2015er "Rheinschiefer" von Peter Jakob Kühn. Der trockene Riesling vom Hallgartener Hendelberg aus dem Rheingau hält mit klarerem Steinobst und einem Hauch von Salbei und Lorbeer dem Fisch und Meeresgetier stand. In unserer Flasche, die für 46 Euro zu haben ist, wirkt der verwitterte Devonschiefer des Hangs nach.
In der Tradition
der japanischen Straßenküche
Die nächste große Seigeiha-Platte bietet erneut vielerlei kleine, kalte Happen: "Wagyu Gunkan", in Algen gerollten Wagyu-Rind-Tatar mit Kisami-Wasabi. Sashimi-Scheiben von Lachs, Thunfisch und Makrele. Dazu Lachs-Nigiri-Bänkchen und mehrerlei unterschiedlich konstruierte Sushi-Röllchen: In einer "Salmon Ceviche" igeln sich Rote Zwiebel, Avocado und Gurke in Reis und Lachshülle ein und lassen sich von Kaviar und Koriander bedecken. Die grünen Avocado-Wickel geben sich von außen sanft. Innen jedoch machen die hineingerollten, ordentlich angeschärften Tempura-Garnelen der "Hells Kitchen" ihrem Namen alle Ehre. "Ich könnte töten für den Schweinebauch", entfleucht es dem Fotografen, nachdem er ihn aus dem Blatt enthüllt hat, in dem er gegart und serviert wurde. Das ist glücklicherweise nicht nötig. Die "Hoba Yaki"-Würfelchen vom Freilandschwein in Yuzu-Miso-Sauce mit Sancho-Pfeffer und Frühlingszwiebeln haben genau die fleischige, schmelzig-fettige Konsistenz, die zusammen mit der Sauce volles Umami-Glücksgefühl verbreitet und mörderische Absichten hemmt. Als Yakitori-Spießchen in der Tradition der japanischen Straßenküche landen Spargel-Röllchen und Jacobsmuscheln auf unseren Tellern. Ein Speckstreifen umhüllt das zart-aromatische Grillgut und bewahrt dessen Eigengeschmack. Wir probieren viele, viele kleine Speisen, die einzeln oder in diversen Kombinationen für mehrere Personen bestellbar sind. Je nach Zutaten, Rarität und "Luxusgrad" können rasch 50 Euro pro Person auf der Rechnung stehen. Aber es geht auch preiswerter, beispielsweise mit einer Salatschale, etwa für die Mittagspause, für 15,50 bis 19,80 Euro. Sie kann mit Lachs-, "Black Cod", Schwarzen Kabeljau- oder Hähnchen-Spießchen, für drei bis zehn Euro angereichert werden.
Kurz vorm gefühlten Platzen murmele ich erleichtert: "Dessert gibts dieses Mal nicht, das ist kein Bestanteil der asiatischen Küche." Aber weit gefehlt. Jetzt kommt Dänemark so richtig in Fahrt. Zwölf kleine Schälchen, wie auf einem Spielbrett von oben fotografiert, verführen uns neugierige Süßschnäbel in der Karte natürlich doch. Wir stellen uns je drei Schälchen für 10 Euro zusammen, bescheidenere Naturen könnten sie für 3,50 Euro einzeln ordern. Die Begleiterin hat dänische Lakritze nicht ganz so gerne und bleibt bei Crème Brûlée, dunklem Schokoladencaramel mit Pfefferminz-Kern und weißen Puffreis-Schokobällchen pur. Der Fotograf und ich finden unsere Lakritz-Eskapaden in Crème Brûlée oder als White Mousse ganz bezaubernd. Die mit pinkfarbenem Beerenschaum getoppte Mousse ist zu meinen gleichfarbig lackierten Fingernägeln geradezu Pflicht. Der mit Yuzu-Frische akzentuierte Cheese Cake und Yuzu-Sorbet täuschen auf meinem Dessertbord Leichtigkeit vor. Der Fotograf ist mit Matcha Cake auf der japanischen und mit einem knusprigen Schokoperlen-Küchlein auf der dänischen Seite glücklich unterwegs.
"It took us 20 years to come to Berlin" ist auf das Shirt einer anderen Bedienung gedruckt. Schön, dass Dänemark und Japan nun da sind und auch hoffentlich lange bleiben. Wir werden gern nachsehen, was diese spezielle kulinarische Fusion in Berlin noch so alles hervorbringen mag.
Ute Schirmack ist Journalistin, Autorin und Erforscherin großstädtischer Lebensräume. Diese Lebensräume sind unter anderem die Restaurants, Cafés und Bars in Berlin, die sie nun auch mit Stift und Papier genüsslich erkundet.
INFO:
SticksnSushi
Potsdamer Straße 85
10785 Berlin-Tiergarten
Telefon 030-26103656
www.sticksnsushi.berlin
Öffnungszeiten:
Do. bis Sa. 12 bis 23 Uhr
So. bis Mi. 12 bis 22 Uhr