Wilma Wolf schreibt und illustriert Bücher gegen die Angst. Die Angst vor dem Krankenhaus, vor einem fremden Land das, was für Kinder Furcht einflößend sein kann. So wie der Pinkpunktsöckler.
Pinkpunktsöckler wer denkt sich denn so einen Zungenbrecher aus? Wilma Wolf hat es getan und entstanden ist ein spannender Krankenhauskrimi für Kinder. Nicht nur für große und kleine Kinder, wie sie betont, sondern auch für andere Krankenhausskeptiker. Ja, das stimmt, denn neben der Detektivgeschichte erfahren die Leser auch etwas über die Abläufe in einem Krankenhaus. Nebenbei bemerkt nicht in irgendeinem Krankenhaus, sondern in dem mit Deutschlands größter Rettungsstelle das BG Klinikum Unfallkrankenhaus (UKB) in Marzahn. Dort wird auch der kleine Kalle eingeliefert. Er hat mit zwei Freunden ein Detektivbüro in einem Baumhaus und beim Versuch, es zu streichen, ist er von der Leiter gefallen. Mit dem Rettungswagen geht es in die Klinik. Dort muss er in einer Kabine warten. Unter dem Vorhang lugen haarige Füße hervor. Komisch, wem gehören die bloß? Dann wird er in eine riesige Maschine geschoben, die in ihn reingucken und Fotos machen kann. Sein Bein wird eingegipst und endlich liegt er in seinem Zimmer. Aber da geht der Spuk erst richtig los...
Die liebevoll gezeichneten Bilder im Buch "Der Pinkpunktsöckler im ukb" werden ergänzt durch Fotos aus dem realen Krankenhaus. So können die kleinen Leser sehen, dass sie in dem Raum behandelt wurden wie Kalle und auch ihr Zimmer aussieht wie das im Buch. Das UKB hat keine eigene Kinderstation. Von den rund 61.000 Notfällen im Jahr, die in der Rettungsstelle versorgt werden, sind bis zu 8.000 kleine Patienten.
Vor gut zwei Jahren war auch Wilma Wolf so ein Notfall. "Bei aller Aufregung war es doch auch eine positive Erfahrung, weil ich mich gut aufgehoben gefühlt habe", erinnert sie sich. "Einige Zimmer weiter lag ein kleiner Junge, der wurde nach einem schlimmen Sturz schon das zweite Mal operiert. Die Eltern, die Ärzte und das Pflegepersonal kümmerten sich ganz rührend um den Kleinen, das hat mich sehr beeindruckt." Und so kam ihr die Idee für das Buch. Es sollte einerseits spannend sein und die Kinder etwas ablenken vom Krankenhausalltag, andererseits aber auch die Angst nehmen vor Behandlungen oder Operationen. So wie bei Kalle. Nach anfänglicher Scheu hat er sich mit dem haarigen Kumpel, einem Krankenhauskobold, sogar angefreundet. Der war gar nicht böse, sondern hatte nur Langeweile. Ursprünglich war er dazu da, die Patienten aufzuheitern und zu trösten. Aber da kaum noch jemand an Kobolde glaubte, fühlte er sich überflüssig. Ohne zu viel zu verraten, die Geschichte geht am Ende noch überraschend gut aus.
Mit ihrer Idee stieß Wilma Wolf auf offene Ohren im UKB. Sie bekam eine Führung durch die Klinik, es wurden Fotos gemacht von den Behandlungsräumen, die sie in ihren Collagen verarbeitete. Der Klinikchef und Ärztliche Direktor, Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp, las das Buch schon mal vorab, damit auch die medizinischen Details stimmten. "Wir haben den Pinkpunktsöckler auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt und das Feedback von Kindern, Ärzten und Eltern war wunderbar", erzählt Holm Keller, Chef des Holm Verlags, in dem das Buch erschien. "Die sehr gute Nachfrage hat gezeigt, dass es offensichtlich ein wichtiges Thema ist."
Das Buch wird im UKB und bundesweit in allen neun Akutkrankenhäusern der BG Kliniken Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH an Eltern kostenlos abgegeben. Es gibt auch noch eine allgemeine Fassung mit einem nicht konkret benannten Krankenhaus im Buchhandel und bei Amazon. Die 1992 im brandenburgischen Werder geborene Wilma Wolf produziert im richtigen Leben Dokumentarfilme. Schon als Kind hat sie gerne gemalt, später sich in der Schule auch dazu Geschichten ausgedacht. "Aber als ich 16 oder 17 Jahre war, habe ich es völlig an den Nagel gehängt, ich wollte was Handfestes lernen."
Schwierige Themen leicht und kindgerecht erklären
Doch vor gut einem Jahr begann sie wieder mit dem Zeichnen und Schreiben. Schwanger mit ihrer Tochter war sie neu inspiriert und konnte zu Hause arbeiten. "Ich finde es unheimlich toll, beides zusammen machen zu können, sich Geschichten auszudenken und dazu Bilder zu malen. Ich fange immer so an, dass ich mir Figuren überlege, da steht die Geschichte noch gar nicht richtig. Aber dann entwickle ich sie und bringe parallel dazu die Bilder, die ich im Kopf habe, gleich zu Papier." Zuerst zeichnet sie alles mit Bleistift vor. Das ist eine ziemlich lange Phase, in der sie auch ganz wild hin und her korrigiert und verbessert, weil manchmal eine Idee nicht zu Ende gedacht ist. Es kommt schon mal vor, dass sie für ein Bild den Text noch mal ändert. Dann wird alles mit dem Fineliner nachgezeichnet und eingescannt. Nun beginnt das Experimentieren mit Acrylfarbe. "Ich sehe immer was. Wenn ich ein Buch lese, läuft in meinem Kopf dazu ein Film ab und so geht es mir auch beim Schreiben."
Schwierige Themen leicht verständlich und kindgerecht zu erklären, liegt ihr. Aber für das Buch "Der Drachenprinz" hat sie sich Hilfe gesucht. Es richtet sich an kleine Kinder und ihre Eltern, die nach Deutschland flüchten mussten. In Alltagssituationen wird beschrieben, wie dieses unbekannte Land funktioniert, zum Beispiel, dass man das Wasser aus dem Hahn auch trinken kann. Geflüchtete, die selbst als Kinder hierherkamen, erzählten ihr, was sie beeindruckte oder verwunderte. Das Buch, eine Kooperation des Holm Verlags mit der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Welle, erschien in Deutsch sowie neun weiteren Sprachen wie Farsi und Sorani und wurde bis Ende 2016 an die kleinen Neuankömmlinge verteilt. Die Hörbuchversion nutzten viele sogar zum Deutsch lernen. Da es viele Anfragen aus Kitas gab, wurde eine neue Version aufgelegt, die nun im Buchhandel erscheint.
Ihr neuestes Projekt und derzeitiges Lieblingsbuch heißt "Milenowitsch und der Diamant der Wahrheit" und erklärt Kindern ab acht Jahren die Welt der Neuen Medien. Und wenn die Kleinen zusammen mit Milenowitsch, dem Maulwurf aus dem Handyspiel, erfahren, was man bei "Maulbook" oder "Instagrab" alles machen kann oder wie "Whatsgrabb" funktioniert, dann lernen auch noch die Großen was dazu...
Regina Friedrich
Buch-Tipp:
Der Pinkpunktsöckler im Krankenhaus:
Eine Detektivgeschichte
Von Wilma Wolf
holmVerlag
Gebundene Ausgabe
14,95 Euro