Ob "Obamacare" oder Russland-Politik: Die Republikaner legen sich quer
Donald Trump verbringt den Sommerurlaub auf seinem Landsitz in Bedminster im US-Bundesstaat New Jersey. Wer glaubt, dass der amerikanische Präsident nur ans Golfspielen denkt und ins nachrichtliche Nirwana abtaucht, liegt falsch. Denn seine nun knapp sieben Monate andauernde Amtszeit ist ein Tohuwabohu, in dem ein Knalleffekt auf den nächsten folgt.
Im Grunde hat Trump nur einen einzigen Erfolg vorzuweisen: Es gelang ihm, den konservativen Richter Neil Gorsuch im Supreme Court zu platzieren. Alle zentralen Wahlversprechen sind bis dato eine am Horizont aufscheinende Fata Morgana. Das mit viel Getöse bekämpfte Krankenversicherungssystem seines Vorgängers ("Obamacare"), das rund 25 Millionen Amerikanern Gesundheitsschutz bescherte, ist immer noch in Kraft. Trumps Drohung, die Mexikaner für eine mehr als 3.000 Kilometer lange Grenzmauer viele Milliarden Dollar zahlen zu lassen, verpuffte. Der Einreise-Stopp für die Bürger von sieben muslimischen Ländern wie Syrien oder dem Iran scheiterte vor den Gerichten. Der Kuschelkurs mit Russlands Präsident Wladimir Putin wurde vom US-Kongress torpediert.
Das ist bemerkenswert. Trumps Partei, die Republikaner, verfügt im Repräsentantenhaus über eine satte und im Senat über eine ordentliche Mehrheit. Normalerweise gibt eine derartige Rückendeckung durch die beiden Kammern des Kongresses dem Präsidenten ein Höchstmaß an Gestaltungsspielraum.
Dass dies derzeit nicht so ist, muss den Chef des Weißen Hauses alarmieren. Es sieht so aus, dass die Republikaner nicht mehr blinde Gefolgschaft leisten. Sie sind vielmehr dabei, sich vom großen Zampano freizuschwimmen. Dies lässt sich an drei Punkten festmachen.
Zwar räumen auch die oppositionellen Demokraten ein, dass "Obamacare" nicht der Weisheit letzter Schluss ist. So konnten die Krankenversicherungsanbieter wegen mangelnder Konkurrenz in etlichen Regionen die Beiträge kräftig anheben, was insbesondere Geringverdienern zu schaffen macht. Aber deshalb 25 Millionen US-Bürger ins Nichts fallen zu lassen, ist selbst den auf mehr Eigenverantwortung bedachten Republikanern zu viel. Sie treibt vor allem die Sorge um, bei den Zwischenwahlen des Kongresses im November 2018 abgestraft zu werden. Dann werden ein Drittel der Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus neu bestimmt.
In der Russlandpolitik wird offensichtlich, dass Trump die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat. Der Präsident musste kürzlich widerwillig ein Gesetz mit Sanktionen gegen Moskau unterzeichnen, das ihm mehr als 90 Prozent der Parlamentarier aus beiden Kongresshäusern vor die Nase gesetzt hatten. Demnach verhängt Amerika einseitig Strafmaßnahmen gegen den russischen Energiesektor. Begründung: Russlands Einmischung in der Ukraine und in Syrien sowie die Hackerangriffe während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes. Damit können auch Firmen aus anderen Ländern getroffen werden, die sich an der Instandsetzung, Modernisierung oder am Ausbau russischer Pipelines beteiligen. Kein Wunder, dass der Ärger in der EU und vor allem in Deutschland groß ist. Hätte Trump sein Veto eingelegt, hätte er riskiert, dass dies jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit abgebügelt worden wäre.
Im Kongress setzen sich zunehmend die Realpolitiker durch, die traditionell skeptisch gegenüber Russland und den derzeitigen Kremlchef Putin eingestellt sind. Trumps Annäherungsversuche Richtung Osten, die sich vermutlich aus den Geschäftsinteressen des früheren Immobilien-Magnaten speisen, werden als gefährliche Extravaganz zurückgewiesen.
Aus diesem Misstrauen gegenüber Moskau ergibt sich die dritte potenzielle Reibungsfläche zwischen Kongress und Trump. Sollte der Präsident den Sonderermittler Robert Mueller, der untersuchen soll, ob Trumps Mitarbeiter eine unzulässige Nähe zur russischen Regierung aufwiesen, entlassen, wäre Feuer unterm Dach. "Das wäre der Anfang vom Ende der Präsidentschaft Trumps", warnte der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham.
All dies sind Anzeichen, dass sich eine Anti-Trump-Front bildet. "Sie sehen Schwäche in diesem Präsidenten", sagte der republikanische Senator John McCain, einer der schärfsten Trump-Kritiker. Bis zu den Zwischenwahlen zum Kongress in 15 Monaten dürfte der Widerstand noch größer werden
Von Michael Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
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Foto: stock.adobe.com / fedorovekb
Nahaufnahme: Die Anti-Trump-Front
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