Die Raketen-Tests setzen US-Präsident Trump unter Handlungsdruck
Die Zuspitzung der Lage in Nordkorea ist alarmierend. Der Test der zweiten Interkontinentalrakete durch das kommunistische Regime verleiht dem internationalen Konflikt mit dem atombombenversessenen Machthaber Kim Jong-un eine neue Qualität. Das Geschoss vom Typ Hwasong-14 habe eine Reichweite von rund 10.000 Kilometern und könnte bei einer flacheren Flugkurve das US-Festland erreichen, warnen Experten. Amerikanische Regierungskreise rechnen damit, dass Nordkorea bereits zu Beginn des kommenden Jahres über eine nuklear bestückbare Langstreckenrakete verfügt.
Der Krieg der Worte, der sich zwischen Washington und Pjöngjang hochschaukelt, ist keines der üblichen Machtrituale. Es geht jetzt nicht mehr nur um Gesichtswahrung, Drohung oder Einschüchterung der Gegenseite. Die Uhr tickt es entsteht Handlungsdruck, vor allem für die USA. Das Nordkorea-Problem lässt sich nicht mehr auf irgendeinen Tag X verschieben. Die Vorgänger des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, von Barack Obama über George W. Bush bis hin zu Bill Clinton, konnten noch auf Zeit spekulieren. Doch nun wird der Spielraum für mögliche diplomatische Optionen immer enger.
Nordkorea denkt zwar nicht ernsthaft daran, eine Nuklear-Attacke gegen die USA zu starten. Für die Führung des Landes ist die Atombombe Mittel zum Zweck. Kim sieht darin Erpressungs-Potenzial, um die strikten internationalen Sanktionen aufzuheben. Zum anderen erhofft sich der Diktator dadurch eine Überlebensgarantie für sein steinzeitsozialistisches System. Sein Kalkül: Hätten der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi oder der irakische Herrscher Saddam Hussein ein Nuklear-Arsenal besessen, wären sie noch immer an der Macht.
Diese Logik ist für die amerikanische Regierung nicht hinnehmbar. General Terrence OShaughnessy, Kommandeur der US-Luftwaffe im Pazifik, sagt klipp und klar: "Wenn nötig, sind wir bereit, schnell, tödlich und mit überwältigender Schlagkraft zu reagieren, zu einer Zeit und an einem Ort unserer Wahl." Oder, in den Worten von Außenminister Rex Tillerson: "Die USA würden niemals ein mit Atomwaffen ausgerüstetes Nordkorea akzeptieren."
Damit wächst die Gefahr einer Militär-Aktion der Amerikaner. Eine Option, die mit hohen Risiken verbunden ist. Nordkorea hat die Fähigkeit, die südkoreanische Zwölf-Millionen-Metropole Seoul in Schutt und Asche zu legen und auch Japan mit Raketen zu treffen.
Viele Alternativen bleiben Trump nicht mehr. Dass Washington direkte Verhandlungen mit Pjöngjang aufnimmt vielleicht die letzte theoretische diplomatische Trumpfkarte kann als nahezu ausgeschlossen gelten. Trumps Hoffnung, dass China seinen widerborstigen Verbündeten an die Kandare nimmt, hat sich als Illusion entpuppt. Es gab viele Lippenbekenntnisse, aber kaum Taten. Peking hat zwar die Kohle-Importe aus Nordkorea zurückgefahren. Aber der Handel zwischen beiden Ländern ist nach chinesischen Angaben im ersten Halbjahr 2017 um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. China spielt sein eigenes strategisches Spiel. Für das Riesenreich im Osten ist Nordkorea der Stachel im Fleisch der USA. Es lässt den Atom-Streit hochkochen, um sein langfristiges Ziel zu erreichen: Amerika soll sich aus dem Südchinesischen Meer zurückziehen, das Peking als sein Hoheitsgebiet betrachtet.
Auch die innenpolitische Großwetterlage in den USA lässt nichts Gutes ahnen. Trump konnte bislang keines seiner zentralen Wahlversprechen von der Abschaffung des Krankenversicherungssystems "Obamacare" bis hin zu Steuersenkungen umsetzen. Stattdessen drischt er verbal auf Freund und Feind ein. Mit dem erzwungenen Rücktritt des republikanischen Parteisoldaten Reince Priebus als Stabschef des Weißen Hauses hat Trump wichtige Drähte zum Kongress gekappt. Er denkt wohl, er könne als Zirkusdirektor in der Manege nach Gusto herumdirigieren. Das ist ein schwerer Fehler. Auf lange Sicht kann kein Präsident erfolgreich regieren, ohne die eigene Partei und die Opposition einzubinden.
Es steht zu befürchten, dass sich Trumps innenpolitisches Chaos auch in der US-Außenpolitik niederschlägt. Der Commander-in-Chief liebt es, neue Feuer anzuzünden, um von alten Bränden abzulenken. Die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Alleingangs in Nordkorea hat sich erhöht.
Von Michael Backfisch
Michael Backfisch war Vize-Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, arbeitete als Washingtoner Bürochef des Handelsblatts, später als Nahost-Korrespondent für die Financial Times Deutschland in Dubai. Heute ist er Leitender Redakteur Politik in der Berliner Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe.
POLITIK
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Nahaufnahme: Die nordkoreanische Gefahr
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