Es ist ein Landschaftslabor, das geschützt werden muss, steht für Michael Grittmann fest. Der Vize-Vorsitzende des BUND Saarland wehrt sich deshalb vehement dagegen, ein Stück der Neunkircher Betzenhölle für eine neue Globus-Ansiedlung zu opfern.
Die Absicht von Globus ist klar", sagt Michael Grittmann, stellvertretender Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Saar. Es geht um Expansion. Globus will wachsen und das braucht Platz. Den findet die St. Wendeler Warenhauskette mit dem Wohlwollen der Neunkircher Stadtverwaltung auf der Betzenhölle, genauer einem kleinen Zipfel Land, das ausgerechnet als Bergbaufolgelandschaft ausgewiesen ist.
Das Gelände ist fünf Hektar groß und ein naturbelassen wachsender Wald. Es gehört zur "Landschaft der Industriekultur Nord" (LIK Nord) ein "bundesweit einzigartiges Projekt", wie Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) 2014 betonte, insgesamt 8.600 Hektar zwischen Quierschied, Neunkirchen und Illingen; das erste Naturschutzgroßprojekt in einem Gebiet, das zuvor vor allem durch den Bergbau und Besiedlung geprägt worden war, eben eine typische Bergbaufolgelandschaft: kleinteilig, dicht besiedelt und von Verkehrswegen durchschnitten. Dennoch zeichne sich das Gebiet durch ein "Mosaik spezialisierter Lebensräume ab", so das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz in einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2014. Insgesamt kämen hier 100 bedrohte Arten vor. Für sie biete sich hier in der Neuorientierung einer urban-industriellen Landschaft eine große Chance.
Vertraglich wurde zwischen allen Beteiligten der LIK Nord vereinbart, dass dort nicht gebaut werden darf. Die meisten Kommunen, die an diesem Projekt im Umkreis beteiligt sind, haben in ihrer Verbandsversammlung dennoch mit einer Zweidrittelmehrheit zugestimmt, das Waldstück am Rande der Kreisstadt zum Bebauen freizugeben. Auf Antrag der Stadt Neunkirchen, die ebenfalls an der LIK Nord beteiligt ist, soll das Gebiet mit einem anderen getauscht werden.
Nun gibt es Kritik, unter anderem von Seiten der Naturschützer. Michael Grittmann ist davon überzeugt, dass ein Globus-Warenhaus in Neunkirchen kontraproduktiv sei nicht nur für Flora und Fauna in der Bergbaufolgelandschaft, sondern für die Stadt und die Region. Denn auch mit einem Supermarkt mehr werde nicht mehr von den Menschen konsumiert, davon ist der BUND-Chef überzeugt. "Ein neuer Globus-Markt entzieht Neunkirchen und den umliegenden Gemeinden Kaufkraft. Die Leute kaufen ja nicht mehr ein, weil es einen neuen Markt in der Region gibt, sondern die Kaufkraft wird nur anders verteilt."
"Ansiedlungspolitik von gestern"
Kern des Problems ist jedoch etwas anderes. Die LIK Nord als zusammenhängendes Gebiet erhält Fördermittel des Bundes. Diese Gelder, 13 Millionen Euro bis 2024, sind an Bedingungen geknüpft sollten die nun nicht mehr erfüllt sein, befürchtet Grittmann, dass das Geld zurückgezahlt werden muss. Ob der BUND als Mitglied im Beirat des LIK Nord dem Angebot eines Gebietstausches vorbehaltlos zustimmen wird, ist noch offen. Ein Gebietstausch sei grundsätzlich möglich, signalisiert Grittmann, doch werde man einen solchen Präzedenzfall bei einem Naturschutzgroßprojekt wie dem LIK Nord nicht hinnehmen. "Wir prüfen eine Klage." Einerseits fordere die Landesregierung Flächenverbrauchsgrenzen, während mit ein paar Federstrichen 50.000 Quadratmeter Wald für eine Ansiedlung umgewidmet werden. "Dass dies für ein unternehmerisches Interesse in einer Flächenkulisse möglich sein soll, die zum Naturerbe der Bundesrepublik Deutschland gehört, ist bundesweit sicher ein Novum", sagt auch der stellvertretende Landesvorsitzende des Naturschutzbundes, Karl Rudi Reiter.
Auch das Bundesamt für Naturschutz, das die Aufsicht über das Naturschutzprojekt LIK Nord führt, pocht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den beteiligten Kommunen der LIK Nord. Allerdings hat dessen übergeordnete Behörde, das Bundesumweltministerium, bereits durchblicken lassen, dass zumindest der Einzelfall geprüft werde.
Kopfschütteln erntet auch das saarländische Umweltministerium: Staatssekretär Roland Krämer warb bei der Verbandsversammlung der LIK Nord massiv für das Globus-Projekt ein Unding für Michael Grittmann: "Krämer stellt den Naturschutz zugunsten von rein wirtschaftlichen Interessen hintenan." Stattdessen fordert er Vertragstreue von den Beteiligten. "Dieses Projekt auf der grünen Wiese, oder besser im grünen Wald, ist, unabhängig vom Antragssteller, eine Ansiedlungspolitik von gestern."
Von Falk Enderle