Im Januar geht das Verfahren um die geplante Globus-Ansiedlung in Neunkirchen in die nächste Runde. Der Zweckverband des Naturschutzgroßprojektes muss erneut abstimmen. Zugleich sorgt ein Gutachten über die Auswirkungen auf den Einzelhandel für neuen Diskussionsstoff.
Die geplante Globus-Ansiedlung in Neunkirchen könnte gleich zu einem doppelten Präzedenzfall werden. Sollte die Teilfläche "Betzenhölle" aus dem Naturschutzgroßprojekt Landschaft der Industriekultur Nord (LiK Nord) für die Ansiedlung ausgegliedert werden, dürften sich Interessenten andernorts auf dieses Beispiel berufen. Es wäre aber nicht nur ein Präzedenzfall in Sachen Naturschutz, sondern auch in landesplanerischer Hinsicht.
Das zumindest legt eine ausführliche Analyse von Arno Deubel nahe. Für den Raumplanungs-Ingenieur und ehemaligen Stadtplaner verstoßen die Pläne "gegen alle Prinzipien", die entwickelt worden seien, um Ansiedlungen auf der grünen Wiese zu begrenzen.
Für die Globus-Ansiedlung müsste ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren von der Raumordnung durchlaufen werden, da für Neunkirchen eigentlich eine solche Ansiedlung ursprünglich nicht vorgesehen war. Deubel verweist sogar auf den europäischen Grundsatz einer kompakten Stadt, in deren Kernbereichen ein umfassendes Angebot vorhanden sein müsste. Neunkirchen habe noch 2013 eine Einzelhandelskonzeption entwickelt, die die Ansiedlung großflächiger Märkte "in nicht integrierten Lagen", also außerhalb, ausgeschlossen habe. Ende vergangenen Jahres seien "zahlreiche Passagen" nun "im Sinne der Projektbefürworter umgeschrieben" worden. Dabei würde es sich um eine Ausnahmeregelung für Globus handeln, unter "Begrenzung sonstiger neuer großflächiger Einzelhandelsansiedlungen außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche".
Beeinträchtigungen für örtlichen Handel
Das Argument, dass Neunkirchen bei der Verkaufsflächendichte Schlusslicht im Saarland sei, lässt die Expertise so nicht gelten, denn: "Nicht die Kreisstadt weist ein Verkaufsflächendefizit auf, sondern ihre Umlandgemeinden." Bereits jetzt gibt es, bezogen auf die Stadt, eine Überversorgung von 37 Prozentpunkten. Mit Globus würde die auf 72 Punkte steigen. Die Folge der Ansiedlung wäre ein Abzug von Kaufkraftvolumen in einer Größenordnung von 83,8 Millionen Euro, was den Umlandgemeinden nicht mehr zum Erhalt oder Ausbau des örtlichen Einzelhandels zur Verfügung stünde.
Und es würde gleichzeitig Kaufkraft aus dem Innenstadtbereich abziehen. Globus würde im sogenannten periodischen Bereich vermutlich einen Jahresumsatz von knapp 41 Millionen Euro erzielen. Dem stünde in Neunkirchen eine sortimentsspezifische Kaufkraft von knapp etwas über 54 Millionen Euro gegenüber. Rechnerisch bedeutet das eine Kaufkraftbindungsquote von 75 Prozent. Eine Beeinträchtigung wird in einigen Bundesländern bereits bei einer Quote von 25 Prozent angenommen. Nach dem Landesentwicklungsplan dürfen Neuansiedlungen "die Funktionsfähigkeit des jeweiligen zentralen innerörtlichen Versorgungsbereichs... nicht beeinträchtigen".
Kritiker sprechen von einem "Staubsaugereffekt". Die Expertise sieht einen Verstoß gegen das Integrationsgebot, dessen Ziel es sei, große Einzelhandelsansiedlungen an verkehrsgünstigen Randlagen abzuwehren, um auch vor dem Hintergrund einer älteren und weniger mobilen Bevölkerung Innenstadtbereiche attraktiv zu halten. Neunkirchens Oberbürgermeister Jürgen Fried hatte dem entgegengehalten, es sei durchaus denkbar, Auflagen zu Sortimentsgrößen zu machen. Für den Raumplaner geht es indes nicht vorrangig darum, irgendwen vor Konkurrenz zu schützen, sondern um eine Grundsatzfrage. Deshalb ist für ihn kaum nachvollziehbar, dass das Vorhaben bislang vor allem unter Naturschutzaspekten diskutiert wurde, die Auswirkungen auf die Entwicklung des Einzelhandels in den Gemeinden, vor allem aber für die Stadt Neunkirchen selbst, nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten.
Wenn die Verbandsversammlung bei der erneuten Abstimmung dem Gebietstausch zustimmt, was allgemein erwartet wird, ist zunächst das Bundesamt für Naturschutz gefragt, bevor das Verfahren weitergehen kann oder auch nicht.
Oliver Hilt