Pickelhauben, Verbrecheralben, Safeknacker die Berliner polizeihistorische Sammlung gestattet einen tiefen Einblick in die Geschichte der Sicherheitshüter seit 200 Jahren. Vom Hauptmann von Köpenick bis hin zu "Dagobert", dem legendären Kaufhaus-Erpresser, ist alles vertreten.
Videoüberwachung, immer strengere Kontrollen, aufgemöbelter Grenzschutz, größere Anstrengungen gegen Cyber-Verbrechen: Wie soll man die Sicherheit gewährleisten? Und: Wo liegen denn überhaupt die Gefahren? Im internationalen Terrorismus? Bei den steigenden Wohnungseinbrüchen? Im Ausspionieren der Zugriffsdaten fürs persönliche Konto oder eher in weltweiten Hackerattacken?
Die Einschätzungen variieren von Mensch zu Mensch. Ändern sich natürlich, je nachdem, welche Bedrohungen auftauchen. Klar ist, auch die Ordnungskräfte ändern sich mit, müssen sich anpassen. Auch wenn das oftmals ein zähes Geschäft ist, gerade in der Genre- oder grenzübergreifenden Zusammenarbeit.
Wer mal in die andere Richtung gräbt, sich zurückhangelt in die Geschichte der Polizeiarbeit, ist in Berlin nicht auf staubige Bücher angewiesen: Enthusiasten haben am historischen Ort einige Kostbarkeiten der Berliner Verbrechens-Historie zusammengetragen. Diese polizeihistorische Sammlung mag heutzutage angesichts aktueller Bedrohungen fast ein wenig kuschelig anmuten. Doch zugleich erinnert sie daran, dass sich zu jeder Zeit Verbrechen und Aufklärung parallel entwickelt haben.
Wenn man das Museum im Keller des Polizeipräsidiums am Platz der Luftbrücke betritt, fallen einem als Erstes auf der linken Seite die Schaukästen mit den vielen lebensgroßen Schaufensterpuppen in Uniform auf. Sie bilden eine Reihe vom ersten Gendarm aus dem Jahre 1809, damals mit Dreispitz nach napoleonischer Art, quer durch alle preußischen Uniformen bis zu den smarten, vom Designer Heinz Oestergaard entworfenen Anzügen in den 1990er-Jahren: grüne Jacke, braune Bügelfaltenhose und Krawatte damals der letzte Schrei.
"An der Uniform ist der Grad von Demokratie in einem Staat ablesbar", erläutert Dr. Jens Dobler, Historiker und der Leiter der Sammlung. Und in der Tat: martialisch, unnahbar, zugeknöpft bis zum Hals so trat die preußische Polizei auf. Nach der 1848er Revolution gab es kurzzeitig Polizisten im schwarzen Zivilanzug mit Zylinder. Doch der preußische Geist kehrte alsbald zurück und mit ihm der Schnauzbart mit Pickelhaube, Säbel und Waffenrock. In den 20er- und 30er-Jahren wurden die Polizisten in ihren hellgrünen Uniformen mit Kragenspiegel und Schulterklappen den Soldaten immer ähnlicher. Unter dem Nationalsozialismus konnte man sie von den Militärs kaum noch unterscheiden das war durchaus Absicht. Die Uniform der Volkspolizei der DDR erinnerte stark an die Uniform der 1930er-Jahre. Auch sie war grün, zugeknöpft bis zum Kragen und mit Kragenspiegel und Schulterstücken ähnlich der Uniform der Volksarmee.
Fächerpinsel und Kohlenstaub
Heute ist die grüne Uniform, die sich in West und Ost lange gehalten hat, weitgehend abgelöst durch das in Europa international übliche Blau. Die Polizei gibt sich schick, die Dienstkleidung ähnelt eher der eines amerikanischen Cops, jeder Anklang an Uniformen wie sie beim Militär üblich waren, ist verschwunden.
Aber nicht nur Uniformen gibt es hier zu bestaunen. Auf einem Drehstuhl kann man nachvollziehen, wie festgenommene Täter fotografiert wurden. Die dazugehörigen Verbrecheralben zeigen die Fotografierten in der typischen steifen Haltung des überführten Delinquenten. In mehreren Vitrinen geht es um Spurensicherung mit Kohlenstaub und Fächerpinsel sowie um die Daktyloskopie, die Fingerabdruckkunde, die in Deutschland 1903 in die Arbeit der Kriminalpolizei eingeführt wurde. Dobler weist darauf hin, dass heute die DNA-Analyse diese Methode allmählich verdrängt. "Doch oft genug gibt es am Tatort eben nur die Fingerabdrücke."
Eine große Tafel zeigt das mächtige Polizeipräsidium der 1920er und 1930erJahre am Alex, genannt "die Burg". Legendär war der damalige Polizeipräsident Ernst Gennat. Er stellte das erste "Mordauto" in Dienst, ein Polizeiauto, das alles mit sich führte, was die Polizei am Tatort zur Spurensicherung brauchte. "Gennat war dafür bekannt, dass er mit den Verdächtigen erst mal bei Kaffee und Kuchen saß", erzählt Dobler. "Das war seine Methode, die harten Burschen weichzukochen."
Gennat wurde von den Nazis entmachtet, er starb 1936 an Krebs. Der Nazizeit ist ein eigener Raum gewidmet. Die Ausstellung zeigt, in welchem Ausmaß sich die Polizei in diesen Jahren mitschuldig gemacht hat. "Bevor die Massenvernichtung durch Vergasen in den KZs einsetzte", erklärt Dobler, "haben Polizeibataillone nach Ausbruch des Krieges in Polen auf russischem und jugoslawischem Gebiet Hundertausende Menschen durch Erschießen umgebracht. Historiker gehen von 1,3 Millionen aus."
Polizei gegen Hausbesetzer im Modell
Mitten im nächsten Raum knien zwei Mann vor einem Safe, neben sich eine Gasflasche, in der Hand ein Schneidbrenner. "Das sollen die Brüder Sass sein", sagt Dobler, "die bekanntesten Safeknacker der 1920er-Jahre. Erich und Franz Sass arbeiteten als Erste mit einem mobilen Schneidbrenner." Gefasst wurden sie nie. 1932 setzten sie sich nach Dänemark ab, wurden dort bei einem Bankraub erwischt, verurteilt und nach Ablauf der Haftstrafe an die Nazi-diktatur ausgeliefert. Sie kamen ins KZ Sachsenhausen. 1940 erschoss die beiden ein SS-Kommando im "Auftrag des Führers".
Eine Vitrine weiter kann man das professionelle Werkzeug eines Einbrechers bestaunen Dutzende Schlüssel und Häkchen. Der Schaukasten daneben mit den beschädigten Totenschädeln zieht natürlich die Neugier auf sich was Jens Dobler nicht so ganz recht ist. "Das ist ein Relikt aus dem Kriminalkeller, dem Vorläufer dieser Sammlung. Das war eher ein Gruselkabinett. Die würde ich heute so nicht mehr ausstellen." Zu den Schädeln passen natürlich die Hieb-, Stich- und Schlagwerkzeuge, die ebenfalls einen Platz in der Sammlung haben. Sogar eine 60 Zentimeter hohe bronzene Statue ist dabei, mit der jemand einen Mord begangen hat. "Wir haben mittlerweile so viele von diesen Tatwerkzeugen, dass wir die meisten vernichten müssen", sagt Dobler. Auch die gängigen Schusswaffen der Polizei sind zu besichtigen, von der berühmten Walther PPK (James Bonds Waffe) über die Makarov bis zur Kalaschnikow der Volkspolizei.
Mit einer Walther PPK muss wohl auch Karl Heinz Kurras 1967 auf Benno Ohnesorg geschossen haben auch dessen Geschichte ist dokumentiert, bis zu seiner Entlarvung als Mitarbeiter der Stasi. Den Studentenunruhen und der Polizei ist in der Sammlung ein eigenes Kapitel gewidmet. In einem Raum steht eine "Wanne", ein Mannschaftsbus der Polizei, demotauglich mit bruchsicheren und vergitterten Scheiben. Hier gibt es einen kurzen Film zu sehen, der aus der Perspektive der im Bus sitzenden Polizisten gedreht wurde. "Das ist beängstigend", sagt Jens Dobler. In dem Raum gewinnt man den Eindruck, dass es damals fast wie im Krieg zuging: da wurden nicht nur Steine und ganze Steinplatten von den Dächern geworfen, die Hausbesetzer gossen flüssiges Blei auf die Beamten herunter, bauten riesige Schleudern, mit denen kiloschwere Steine verschossen werden konnten. Nachgebaut im Modellformat ist eine Schlacht der Polizei gegen Hausbesetzter am Tegeler Weg. Es sieht ein bisschen aus wie ein Märklin-Eisenbahn-Modell. "Da haben sich Kollegen viel Mühe gegeben," sagt Jens Dobler, "um alles halbwegs authentisch nachzubauen." Ein wenig begreift der Besucher in dem Moment, dass die Zeiten der großen Auseinandersetzungen mit den Alternativen, den Studenten, den Hausbesetzern heute für die beteiligten Polizisten so etwas sind wie Kriegserinnerungen, wie sie früher manchmal der Großvater zum Besten gab. Jeder braucht seine (Helden-)Legenden.
Viele Verbrecher hat die Sammlung verewigt: den Frauenmörder vom Ostbahnhof, den Rennrad-Mörder, die Tunnelbauer, die in Zehlendorf eine Commerzbank leer räumten und zunächst spurlos verschwanden die Faszination am Verbrechen ist nicht zuletzt jeden Sonntagabend beim "Tatort" zu studieren. Hier sind die Spuren der wahren Verbrechen aufgehoben.
"Die ganze Sammlung ist mehr oder weniger handgemacht", sagt ihr Chef Jens Dobler. "Wir haben keinen eigenen Etat. Ein ehramtlicher Verein kümmert sich um den Bestand, hilft, wenn etwas erneuert werden muss oder unterstützt einen Ankauf."
In Zukunft werden es wohl keine Bankräuber und Safeknacker mehr sein, an deren Dingfestmachung hier in der polizeihistorischen Sammlung erinnert wird. "Die Internetkriminalität nimmt zu", sagt Jens Dobler. "Was ist ein geknackter Geldautomat gegen eine Schadsoftware, die ungeschützte Konten leer räumen kann?"
Wie man Computerkriminalität im Museum ausstellt, ist eine Frage, über die er noch nicht nachgedacht hat.
Von Volker Thomas