"Krisenpuffer der Kanzlerin", "gemütlich dynamisch", "Strippenzieher", "enger Vertrauter": An Schlagzeilen über Peter Altmaier gibt es keinen Mangel. Erstaunlich ist, dass er das ganz ohne inszenierte Gesten hinbekommt. Er ist ein sehr guter Netzwerker ganz im Stillen.
Als Phänomen bezeichnet man eine Ausnahmeerscheinung. So gesehen ist er in seiner Art phänomenal. Gemeinhin werden Peter Altmaier und seine imposante Figur als Synonym verwendet. Was ihn eigentlich nicht unbedingt zum Lieblingsobjekt bunter Blätter prädestiniert. Altmaier hat den Spieß umgedreht und in seiner selbstironischen Art einen Kult daraus gemacht. Vermutlich würde es ihm eine diebische Freude machen, könnte er Visitenkarten mit der selbstgewählten Amtsbezeichnung verteilen: "Schwergewichtigstes Kabinettsmitglied".
Erstaunlich ist nicht nur die Karriere des Bergmannssohns aus dem saarländischen Ensdorf, dem Ort, wo vor wenigen Jahren die letzte Kohle aus einer Saar-Grube zutage gefördert wurde. Erstaunlich ist auch, dass der Strippenzieher im Machtzentrum und enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel immer dann, wenn es um Merkel-Nachfolge-Spekulationen ging, nie auf öffentlich gehandelten Listen auftauchte. Das spricht für seine Loyalität, sein Politikverständnis und seine Art, beharrlich Ziele zu verfolgen, aber auf die Brechstange zu verzichten. Kaum vorstellbar, dass er wie Gerhard Schröder hitzköpfig am Tor zum Kanzleramt gerüttelt hätte. Symbolisches Poltern und inszenierte Gesten wird man kaum in seinem Handwerkskasten finden.
Symbolisches Poltern: Fehlanzeige
Altmaier ist ein Netzwerker mit eigener Methode. Was anderen die heimlichen Verabredungen im Hinterzimmer sind, ist ihm die persönliche Bewirtung zu Hause. Dass diese Art der Politikgestaltung ebenfalls Kultstatus erlangen konnte, liegt nicht an geschicktem Marketing in Politstrategen-Manier, sondern an Altmaiers saarländischer Art nach dem Motto "Erschd mol gudd gess, geschaffd hann mir schnell". Und "gut essen" ist dabei wörtlich zu nehmen. Wenn Saarländer, die ja in der größten Dichte an Sterne-Gastronomie zu Hause sind, Altmaiers Kochkünste preisen, ist das nicht nur landsmannschaftlicher Verbundenheit geschuldet, sondern aufrichtiger Anerkennung. Ein solcher Kult lässt sich nicht verbissen planen. Es ist ein Teil von Altmaiers Art, das mit dem berühmten "Bohren dicker Bretter" in der Politik zu bewerkstelligen.
Offenheit und Aufrichtigkeit bescheinigen ihm die Menschen, die schon früh seinen politischen Weg verfolgt und begleitet haben. Offen für Menschen und ihre Anliegen und neugierig. Sollte es nach der Bundestagswahl diesmal zur schwarz-grünen Liaison kommen, wird man Altmaier als einen maßgeblichen frühen Wegbereiter ansehen. Damals, als das Parlament noch im behaglichen Bonn zu Hause war, sorgte statt hoher Kochkunst die Pizza-Connection für Aufmerksamkeit. Die Jungen Wilden in der CDU hielten die Grünen schon seinerzeit für zumindest so sympathisch, dass Gespräche lohnend erschienen. Schon damals hat Altmaier ein offensichtlich ausgeprägtes Gespür für eine Balance von öffentlicher Transparenz entwickelt, die Vertrauliches nicht verletzt. Eine Fähigkeit, die er als Bundesminister für besondere Angelegenheiten perfektioniert hat. Dass das zu Lasten von Transparenz geht, die dem ehemals jungen Wilden ein bedeutsames Anliegen war, ist der Preis dafür, dass nun jedes Wort unmittelbare und weitreichende Folgen haben kann.
Altmaiers Karriere verlief bislang ohne Blessuren in einer immer auf skandalträchtige Schlagzeilen erpichten Mediengesellschaft eine bemerkenswerte Sache. Dafür hat sein bekennendes Single-Dasein vor geraumer Zeit für einen interessanten Disput gesorgt, der auch medienintern geführt wurde. Altmaier hatte noch zu Zeiten als Umweltminister (2012) in einem Interview vermerkt: "Der liebe Gott hat es so gefügt, dass ich alleine und unverheiratet durchs Leben gehe." Der Satz löste zunächst die erwartbaren Spekulationen aus, und die wiederum eine Debatte über Sinn- und Statthaftigkeit solcher Spekulationen. Schließlich sah sich, nach der Schlagzeile: "Allein und trotzdem glücklich" eine große Partner-Vermittlungsagentur gar veranlasst, in einer Umfrage herausfinden zu wollen, ob man denn wirklich "für immer glücklich ohne Partner" sein könne. Das wars denn auch.
Ungebrochen selbstironisch
Altmaiers Arbeitseifer und seine Sachkenntnis sind auch über Parteigrenzen hinweg anerkannt und geschätzt. Ebenso seine ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten. Die sind zwar derzeit vorrangig hinter den Kulissen gefragt. Seiner legendären Twitter-Leidenschaft hat das keinen Abbruch getan. Im Gegensatz zu gesetzten Antworten in Fernsehinterviews lässt sich dort schon mal seine ungebrochene Selbstironie und Schlagfertigkeit verfolgen.
In seiner Heimat ist er trotz der Karriere im Berliner Polit-Olymp nach wie vor tief verwurzelt. Dort knapst er immer noch gerne ein Stück aus seinem dichtgedrängten Terminkalender ab, um bei Veranstaltungen zu erfahren, was die Menschen bewegt. Und dort war ihm auch vor Kurzem anzumerken, wie sehr ihn als überzeugten Europäer der derzeitige Zustand der Gemeinschaft quält.
Sein Saarlouiser Wahlkreis, den er zuletzt souverän gewonnen hatte, könnte bei der kommenden Bundestagswahl für besondere Aufmerksamkeit sorgen. Dort kommt es 2017 zum Showdown: Peter Altmaier gegen Heiko Maas. Der Justizminister hat bislang kein Bundestagsmandat, will das aber ändern und Peter Altmaier seinen Heimatwahlkreis abjagen.
Von Oliver Hilt
Zur Person:
Der Jurist Peter Altmaier, geboren 1958 in Ensdorf (Saarland), arbeitete Anfang der 90er-Jahre bei der Europäischen Kommission in Brüssel.
Seit 1994 sitzt er für die Saar-CDU im Bundestag. 2009 stieg er zum Parlamentarischen Geschäftsführer seiner Partei auf, 2012 wurde er Bundesumweltminister. Seit Dezember 2013 ist er Chef des Bundeskanzleramtes, zusätzlich seit vergangenem Jahr Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung.