Sie werden oft als Exoten, Spinner und Eintagsfliegen belächelt. Parteien, die aus dem Nichts auftauchen und fast ebenso schnell verschwinden. Dieses Schicksal droht jetzt den Piraten, obwohl sie in den letzten fünf Jahren im saarländischen Landtag durchaus ihre Spuren hinterlassen haben.
Sie sind die Farbtupfer in der politischen Landschaft, gelegentlich milde belächelt, oft aber auch Seismograf für Stimmungen und Themen. Vor allem stiften sie üblicherweise Verwirrung bei "den Etablierten", Unsicherheit, wie mit ihnen umzugehen ist. Den Kleinparteien und Newcomern ist in der Regel gemeinsam, dass sie neue Themen besetzen, oft zunächst als Ein-Themen-Partei auftreten, und Unzufriedenheiten aufsaugen. Parlamentarische Erfolge sind ihnen zumeist nicht beschieden. Es sei denn, dass Wahlen in einem ganz speziellen Umfeld stattfinden, in denen gerade ein Thema besonders augenfällig Aktualität gewinnt, beziehungsweise Umbruchphasen neuen Themen zu einer gewissen Konjunktur verhelfen.
In genau dieser Phase tauchten die Piraten vor fünf Jahren fast aus dem Nichts auf, und schickten sich an, Landesparlamente zu erobern. Im Saarland spielten ihnen gleich eine ganze Reihe Sonderfaktoren in die Hände. Eine nach heftigen internen Querelen aufgelöste Koalition und vorgezogene Neuwahlen mit einer angekündigten Großen Koalition ließen viel Platz für Wähler, die, frustriert vom damaligen Zustand der Landespolitik, eine Alternative und vor allem frischen Wind im Politikgeschäft suchten.
Gegründet als Netz- und Bürgerrechtspartei
Slogans von echter Demokratie in der schönen neuen digitalen Welt trafen durchaus ein Lebensgefühl, wenn nicht das einer Generation, dann doch zumindest das eines gewissen (intellektuellen) Teils dieser Generation, für den die digitale Welt nicht in erster Linie ein Mehr an Spielchen im virtuellen Leben, sondern neue Chance zu Beteiligung und Mitsprache bedeutete. Meinungsfindung per Schwarmintelligenz war eines der Zauberwörter, Liquid Democracy ein anderes. Gemeinsam war ihnen die Idee, dass das Internet mit seinen technischen Möglichkeiten den Weg zu erheblich mehr unmittelbarer Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungsprozessen eröffnen könnte. Das Thema digitale Welt schien damals das zentrale Zukunftsthema schlechthin. Mit allen Chancen, aber auch Gefahren, wie der technischen Möglichkeit zu einer annähernden Komplettüberwachung einer Gesellschaft. Und es schien, als würde sich drei Jahrzehnte nach Gründung der Grünen eine neue Partei eines neuen Themas bemächtigt. Ein Gemisch aus Euphorie und Protest brachte den Saar-Piraten aus dem Stand 7,4 Prozent. Damit zogen vier Abgeordnete in den Landtag, die zuvor vom politischen Geschäft null Ahnung hatten, dafür eine Unmenge an Gestaltungswillen und Ideen in das Hohe Haus tragen wollten.
Die ersten Ernüchterungen steckte insbesondere Fraktionschef Michael Hilberer relativ schnell weg, und überraschte die alteingesessenen Politprofis immer wieder mit ungewöhnlichen Vorschlägen. Sein unermüdlicher Einsatz galt etwa einem fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr, während sich andere noch an Korrekturen des bestehenden und von allen für unbefriedigend empfundenen Systems abarbeiteten. Dass Vorschläge allein deshalb, weil sie von den Piraten kamen, keine Chance hatten, hat die Piratenfraktion keinesfalls in ein lethargisches Jammertal gestürzt.
Dafür sorgte eher die Partei in der analogen Welt. Eitelkeiten, Grabenkämpfe, das Unvermögen, aus einem anfangs beachtlich großen Haufen von Individualisten eine politische Bewegung mit Parteistruktur zu formen, prägten vor allem die Schlagzeilen aus der Bundesspitze der Piraten, und damit letztlich ein Image, gegen das man in den Landesverbänden machtlos war. Dazu kam, dass man sträflich unprofessionell selbst Steilvorlagen wie die Snowden-Veröffentlichungen schlicht nicht nutzen konnte.
Da half es auch wenig, dass sich die Saar-Piraten relativ schnell programmatisch über ihre Kernthemen als Netz- und Bürgerrechtspartei hinaus öffneten. Immerhin gelang es bei den Kommunalwahlen, den ein oder anderen Brückenkopf in Räten zu besetzen und sich dort aktiv einzubringen.
Opposition bis zur letzten Minute
Der Frust in der Partei zeigte dann unübersehbare Folgen, als einer der vier Landtagsabgeordneten zu den Grünen überlief, und Ratsvertreter in der Landeshauptstadt nachzogen. Schon ein Jahr vor der Wahl erklärten die verbliebenen drei Fraktionsmitglieder, nicht wieder anzutreten. Aber auch dieser angekündigte Rückzug führte keineswegs dazu, sich im Parlament ein paar ruhige Stunden zu machen und auf Jobsuche zu gehen. Im Gegenteil. Bis zuletzt sorgte Hilberer mit scharfen Analysen und spitzen Worten für das, was man sich von guter Opposition erwarten darf. Es waren unter anderem diese Einstellung zur Arbeit als gewählter Abgeordneter und sein unablässiger Kampf um Transparenz, was die Parlamentsjournalisten der Landespressekonferenz bewog, ihn mit dem Ehrenpreis "Goldene Ente" auszuzeichnen.
Die Partei selbst, zahlenmäßig geschrumpft, ließ sich unter dem Vorsitzenden Gerd Rainer Weber von der Gesamtwicklung nicht unterkriegen. Scheinbar unbeeindruckt davon, dass die Piraten zuletzt bei Umfragen allenfalls unter "Sonstige" auftauchten, arbeitete der unverwegene Rest an einem Landtagswahlprogramm. Vom Ziel, zukünftig mitregieren zu wollen, sind sie abgerückt, am Ziel Wiedereinzug in den Landtag halten sie trotzig fest. Und wenn es nicht am 26. März gelingt, dann ganz sicher beim nächsten Mal, sagt die wohl jüngste Landtagskandidatin und Piraten-Hoffnung Lea Laux.
Von Oliver Hilt