Was für ein Jubel! "Voller Erfolg" oder zumindest "ein guter Tag", heißt es in knapp 70 Städten der Republik. Aus dem Mund von Kämmerern klingt es fast so, als hätten sie den Euro-Jackpot geknackt. Das alles, weil der Bundesrat eine Entschließung an die zuständigen Ausschüsse verwiesen hat.
Nun sollte man diesen Städten, die sich zu einem "Aktionsbündnis" zusammengetan haben, die Freude zumindest für ein paar Tage gönnen. Schließlich hätte die Länderkammer den Antrag auch mit Nichtbeachtung quittieren und statt ihn an Ausschüsse weiterzuleiten in einer Ablage versenken können. Kaufen, im wahrsten Wortsinn, können sich die Städte von dem politischen Erfolg erst mal noch nichts.
Wer da jubelt, ist das Aktionsbündnis "Für die Würde der Städte" aus knapp 70 Städten, in denen sich eine gewaltige Schieflage in der Republik besichtigen lässt. Denn die sprudelnden Rekordeinnahmen sind höchst ungleich verteilt. In strukturschwachen Regionen stecken die Kommunen tief in einer Vergeblichkeitsfalle. Auch ohne das Flüchtlingsthema steigen Sozial- und andere Ausgaben, der Zwang zum Sparen verhindert Investitionen, Infrastruktur verkommt. Alles lange bekannt. Das jetzt vom Bund aufgelegte Investitionsprogramm speziell für besonders notleidende Kommunen, für das Saarland über 75 Millionen Euro schwer, hilft ohne Zweifel, ändert aber nichts an den grundlegenden Problemen. So willkommen solche Hilfen sind, wirken sie wie gutwillige Großzügigkeit des obersten Kassenhüters der Republik je nach Kontostand. 3,5 Milliarden umfasst das Gesamtpaket der Investitionshilfen des Bundes. Allein der Sanierungsstau und Modernisierungsbedarf bei kommunalen Schulen wird in einer aktuellen Studie mit 34 Milliarden beziffert. Ich würde gerne mal Mäuschen spielen, wenn jemand ernsthaft versucht, Kindern und Jugendlichen zu erklären, dass der Putz in Klassenräumen und Turnhallen für ihre Zukunft bröckelt. Denn für die wird ja angeblich gespart.
Wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft geht auch bei den Kommunen die Schere zwischen boomenden Zentren und zunehmend abgehängten Regionen weiter auseinander. Das schafft weder Zuversicht noch Vertrauen. Und es ist weniger eine Frage nach der "Würde der Städte", sondern der Menschen, und danach, ob wir das Prinzip der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ernst nehmen oder weiter schleichend aufgeben wollen.
Von Oliver Hilt
Oliver Hilt beobachtet für FORUM die saarländische Politik.
POLITIK
picture alliance / Eibner-Presse
Gespaltenes Land
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