150 Seiten Koalitionsvertrag wollen abgearbeitet werden. Worauf sich CDU und SPD verständigt haben, ist ein vergleichsweise nüchternes Arbeitsprogramm. Realismus ohne große visionäre Träumereien. Das ist zunächst okay. Dass in der Bildungspolitik die Bruchstellen erst einmal auf eine "Expertenkommission" ausgelagert wurden, schafft im günstigsten Fall die Chance, mehr pragmatische als ideologische Lösungen für die bekannten Knackpunkte zu finden, statt politischer Kompromissformeln praktikable Wege zu beschreiten. Wenn beide Koalitionspartner dafür ihren bildungspolitischen Furor zähmen, würde das Eltern, Lehrern, vor allem aber den Kindern nützen. Andernfalls lassen sich die Folgen eindrucksvoll in Nordrhein-Westfalen besichtigen, wo die Unzufriedenheit über die Bildungspolitik womöglich sogar den Ärger über den Dauerstau überstiegen hat.
Für die andere Großbaustelle Kommunalreformen brauchte es keine eigene Kommission. Was den einen viel zu halbherzig erscheint und den anderen schon zu viel Drohkulisse enthält, kann im Kern als Hilfe zur Selbsthilfe wirken. Sollte irgendein Gemeinderat den Ernst immer noch unterschätzen, möge er seinen Nachbarn aus dem Pfarrgemeinderat konsultieren im Blick auf die tief greifenden Reformen, an denen das Bistum Trier derzeit arbeitet.
Beide Großbaustellen sind der Binnenblick. Zunehmend wichtiger wird die Frage, was in Sachen Zusammenarbeit mit den Nachbarn gelingt. Zukunftsfähige Strukturen, gleich in welchem Bereich, lassen sich nicht mehr kleinräumig in Landesgrenzen denken und planen. Ähnlich wie auf kommunaler Ebene ist auch das keine bahnbrechend neue Erkenntnis, allein, es braucht auch bahnbrechende Vorzeigeprojekte. Die Zeiten dafür sind günstig wie lange nicht. Mit dem Wahlsieg von Macron scheinen derzeit sogar Themen zwischen Paris und Berlin verhandelbar, die zuvor mit striktem Tabu belegt waren. Es gilt, aus der Frankreichstrategie als Nukleus kraftvoll die Zusammenarbeit einer neu verstandenen Großregion voranzutreiben, mit der neuen französischen "Grand Est" und einem deutschen Pendant gemeinsam mit Teilen der Bindestrich-Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, dazu das im Wandel begriffene Luxemburg.
An Herausforderungen mangelt es nicht. Wie im Sport gilt für die Neuauflage der GroKo: Die zweite Saison wird deutlich schwerer.
Von Oliver Hilt
Oliver Hilt beobachtet für FORUM die saarländische Politik.
POLITIK
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