Sie ist ein Ausnahmetalent in der Parteienlandschaft. Mit gerade mal 18 Jahren ist Lea Laux die jüngste Landtagskandidatin. Dass sie mit den Piraten auf einem ziemlich einsamen Posten kämpft, scheint sie erst recht zu motivieren.
igentlich ist Lea Laux eine ganz normale Abiturientin. Doch ihr politisches Engagement ist für die junge Generation ungewöhnlich. Mit Überzeugungskraft vertritt die Saarländerin aus dem abgelegenen Waldhölzbach im Hochwald die Piraten-Ideen. Seit vier Jahren arbeitet sie in der Partei mit.
Gerade 18 Jahre geworden, will die 1,57 Meter große "Freibeuterin" mit dem orange und blau gefärbten Haaren am 26. März den Landtag in Saarbrücken entern. Sie ist die jüngste Kandidatin zur Landtagswahl in diesem Jahr und wohl auch bei einer deutschen Landtagswahl überhaupt.
"Irgendwie gehöre ich zu der Generation der Digtial Natives", findet die 18-Jährige. Ihre Leidenschaft für die Politik entbrannte schon im zarten Alter von 14 Jahren. Damals lief die Netzgeneration gegen das geplante Anti-Piraterie-Abkommen (ACTA, Anti-Counterfeiting Trade Agreement) Sturm, das dann schließlich zu den Akten gelegt wurde.
"Ich erkannte, dass das meinen Lebensraum Internet als Jugendliche vollkommen zerstören und umwerfen kann", sagt Lea rückblickend. Als sie ein Plakat der Piratenpartei sah, wollte sie auch mitmachen. Und so ließ sich die Jugendliche von ihrer Mutter zu einem Piraten-Stammtisch fahren. "Das hat quasi gleich gepasst". Fortan arbeitete sie mit, und trat mit 16 früher erlaubte es das Parteiengesetz "leider" nicht in die Partei ein.
Lea lebt in der 600-Seelen-Gemeinde Waldhölzbach. In der wärmeren Jahreszeit kommen vor allem Wanderer durch den Ort, durch den der Saar-Hunsrück-Steig verläuft. Ein Restaurant, ein buddhistischer Tempel sonst ist in dem Dorf aber nicht viel los.
Lea ist dort wohlbehütet aufgewachsen. "Jeder kennt hier jeden". Und der Wald mit dem spektakulären Felsenweg und der Kneippanlage liegt nur wenige Schritte von ihrem Elternhaus entfernt. Die Vorteile ihrer Kindheit weiß die 18-Jährige wohl zu schätzen. "Als Kind bemerkt man gar nicht, wie schlecht die Anbindung ist."
Spätestens nach der Grundschule wurden ihr die Probleme der Abgeschiedenheit immer bewusster die weiterführenden Schulen weit weg und ein Bus fährt nur ein paar Mal am Tag Folge: Früher musste sie ihre Mutter oft fahren, etwa wenn sie Freunde treffen wollte, oder in Losheim am See, zu dem Waldhölzbach seit 1974 gehört, oder im 40 Kilometer entfernten Trier etwas unternehmen wollte.
Gerade wenn sie um 15 Uhr Schulschluss habe, würde es mit dem Bus anderthalb Stunden von ihrer Schule im gut zwölf Kilometer entfernten Wadern bis nach Hause dauern, erzählt Lea. Und acht Stunden hat die Gymnasiastin oft, seit die saarländischen Schüler am Gymnasium bereits in acht statt wie früher in neun Jahren ihr Abi machen. Vor zwei Jahren durfte sie endlich ihren ersten Führerschein machen, ihre Eltern kauften ihr ein bis 45 Stundenkilometer zugelassenes "Micro-Car". "25.000 Kilometer in zwei Jahren", berichtet Vater Markus. Seit sie am 15. Januar 18 Jahre ist, hat sie ein richtiges Auto.
"Die kann auf jedes Podium"
Strahlend präsentierte Lea bei der Vorstellung der Wahlkampagne eines "ihrer" Plakate: "Mach dich frei vom Abi-Stress", ist da zu lesen. Bildungspolitik liegt der Abiturientin besonders nahe. Aber sie kennt sich auch in anderen Politik-Bereichen aus von Verkehrs- bis hin zur Drogenpolitik.
"Ich bin froh, dass die Wahlversammlung Lea ganz oben auf die Liste gewählt hat", freut sich der Landeschef der Saar-Piraten Gerd Rainer Weber. Die Nachwuchspolitikerin habe sich in viele Themenfelder eingearbeitet. "Die kann man auf jedes Podium stellen."
Damit zeigen die Piraten Flagge auch gegen den Muff in den Altparteien oder auch der Alternative für Deutschland. Deren Landeschef Josef Dörr ist übrigens mit 78 der älteste Kandidat der Parteien mit Chance auf den Einzug ins Parlament. Damit stehen beide schon symbolhaft für die Auseinandersetzung Vergangenheit gegen Zukunft.
"Wir haben zeit und Idealismus"
Leas Parteien-Engagement "ist leider ein seltenes Ereignis", konstatiert Prof. Klaus Hurrelmann. Der Jugendforscher gibt seit Jahrzehnten die Shell-Jugendstudie mit heraus. Zwar ist nach der jüngsten Erhebung der Wissenschaftler in den vergangenen Jahren das politische Interesse gestiegen. Im Vergleich zu nur 30 Prozent 2002 bezeichneten sich 2015 rund 41 Prozent der Jugendlichen als "politisch interessiert".
Aber das zeigt sich im politischen Geschäft nur "sehr punktuell". Das Engagement beschränke sich allenfalls auf die Teilnahme an einer Demo oder beim Unterschreiben einer Netzpetition, sagt Hurrelmann. Die Mitarbeit in einer Partei blieb dagegen äußerst begrenzt.
Die Altparteien plagen Nachwuchssorgen. Bei CDU und SPD lag Ende 2015 der Altersdurchschnitt der Mitglieder nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes bei 60 Jahren und bei den Grünen bei 50 Jahren. "Die altmodische Parteiarbeit irritiert die jungen Leute", analysiert Hurrelmann.
Attraktiver sind da offenbar die Piraten. Die auf die Netzwelt konzentrierte "Mitmachpartei" wendet sich gezielt an junge Menschen, wie Lea Laux. War ihre Politikaffinität nun ein Produkt ihrer Erziehung im Elternhaus? "Politisch denkend waren wir schon immer und haben öfter über die Nachrichten diskutiert", erzählt Leas Mutter Elisabeth. "In dieser Hinsicht bin ich von meinen Eltern eher nicht so geprägt", findet dagegen Lea.
Eigentlich sei sie es gewesen, die ihren Vater und ihre Mutter dazu gebracht habe, sich politisch zu engagieren. Mutter Elisabeth (52) und Vater Markus (53) sind jetzt auch Piraten-Mitglieder.
EDV-mäßig wurde sie indes von ihrem Vater geprägt. Der Informationselektroniker habe ihr schon im Grundschulalter einen Computer hingestellt und erklärt, wie der funktioniert, berichtet Lea. In den Weiten des Internets kenne sie sich inzwischen in manchen Dingen aber besser aus als er.
Neben der Politik sind Computerspiele ihre Leidenschaft und gemeinsame Aktivitäten mit Freunden sind ihr wichtig. Da spiele sie auch schon mal das "Schminkopfer".
Ihre Schulfreundin Anika hat sie auch zu den "Piraten gebracht". Die 17-Jährige will sich, mehr "privat" politisch, nach dem Abi weiter engagieren, vor allem für den Tierschutz und die Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Ihr Berufsziel ist indes nach einer Frisörlehre Maskenbildnerin zu werden.
Wie Anika steckt Lea derzeit im Abitur, aber das macht sie nicht bange. "Meine guten Leistungen ermöglichen es mir, parallel Wahlkampf zu machen". Denn sie hat schon reichlich Punkte für ein Super-Abi gesammelt.
Auf ihrem jüngsten Halbjahreszeugnis finden sich bis auf Musik (befriedigend) nur sehr gute und gute Noten. 15 Punkte in Politik hat sie bekommen, versteht sich! Aber auch ihre Leistungen in den Naturwissenschaften sind gut bis sehr gut. Sollte es mit dem Einzug in den Landtag nichts werden, ist Leas Plan B ein Chemiestudium. Erklärtes Wahlziel der Piraten ist zwar der Wiedereinzug in den Landtag. Aber in allen Umfragen firmiert die Partei unter "ferner liefen".
So oder so. Lea Laux ist wohl besser auf den Parlamentsalltag vorbereitet, als ihre Parteifreunde vor fünf Jahren, die nicht wieder antreten. Mit der zehnten Klasse des Hochwald-Gymansiums war sie 2013 beim Girlsday im Landtag.
Im gleichen Jahr arbeitete sie eine Woche beim Planspiel "Modell Europa-Parlament" in Berlin mit. Dort saß sie im Ausschuss zum damals geplanten Freihandelsabkommen TTIP und trat anschließend als Ausschusssprecherin im Bundesrat ans Rednerpult. Piraten-Politik will Lea auf jeden Fall weiter machen. Das könne sie auch in Rheinland-Pfalz oder sonst wo in der Republik. Zudem: "Es kann immer noch ein Wunder geschehen. Und wenn wir es diesmal nicht schaffen, dann haben wir beim nächsten Mal eine Chance oder beim übernächsten Mal die übernächste Chance. Wir haben Zeit und Idealismus", sagt Lea im Brustton der Überzeugung.
Von Jörg Fischer