Wolfgang Kubicki und der Hoffnungsträger Christian Lindner wollen die Weichen für das große Projekt stellen: die Rückkehr der FDP in den Bundestag. Die Chancen für die liberalen Vormänner stehen sowohl im Norden als auch im Westen nicht schlecht.
Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verbindet nicht viel. Hier das Land von Kohle und Stahl, industriell geprägt, mit rund 18 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Bundesland. Dort das Land im Norden mit knapp drei Millionen Einwohnern, etwas im Windschatten Hamburgs. Immerhin sind Nord- und Ostsee sehr beliebte Reiseziele der Rheinländer.
Eine politische Gemeinsamkeit in diesen Wochen ist der Überlebenskampf der Liberalen. Denn in NRW und Schleswig-Holstein treten die beiden letzten echten Stars der FDP an.
Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen ist der Parteichef Christian Lindner (38). Der Mann mit Dreitagebart gilt als Hoffnungsträger, der die FDP nach dem Rauswurf durch die Wähler vor vier Jahren wieder in den Bundestag zurückführen soll. Dazu will er bei der "Testwahl" im bevölkerungsreichsten Land die Grundlage schaffen.
Wolfgang Kubicki, 65 Jahre alt, Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, gehört zum Urgestein der FDP. Er hat nie einen Ministerposten bekleidet. Als 2009 CDU und FDP die Regierung in Kiel übernahmen, entschied er sich für den Fraktionsvorsitz. Als Minister hätte er seine profitable Kieler Rechtsanwaltskanzlei aufgeben müssen. Kubicki liebt den Golf- und Segelsport sowie große Autos und gilt als letzter Macho in der Politik.
Frank Behrens
"Unser Ziel ist der Politikwechsel"
Drei Fragen an Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der Liberalen in NRW.
Herr Lindner, was ist Ihr Ziel für die Landtagswahl?
Eine konkrete Zahl existiert nicht. Unser großes Ziel ist der Politikwechsel für Nordrhein-Westfalen. Deswegen haben wir eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen ausgeschlossen. Wir steigen in kein Regierungsboot, das schon seit sieben Jahren auf See ist. Da wäre keine neue Politik zu erreichen. Wenn die Karten neu gemischt wurden, sind wir ansonsten gesprächsbereit. Aber wenn wir in einer Regierungskoalition unsere Handschrift nicht zeigen können, gehen wir in die Opposition.
Warum sollen die Bürger FDP wählen?
NRW ist ein starkes Land, aber wird seit Jahren schwach regiert. Aktuell liegen wir überall hinten: Bildungsqualität, Wirtschaft, Innere Sicherheit, digitale sowie Verkehrsinfrastruktur. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das jeden Tag weniger Chancen und gestohlene Lebenszeit. Beispiel: Letztes Jahr verbrachten die Menschen hierzulande 124.000 Stunden im Stau. Das sind 124.000 Stunden, die sie nicht bei ihren Familien sein oder für ihren beruflichen Erfolg einsetzen konnten. Rot-Grün hat aber weder Plan noch Ehrgeiz, das zu ändern. Wir glauben: Jeder Einzelne hat das Recht darauf, seinen Traum zu verwirklichen. Und das Recht auf eine Landesregierung, die dabei unterstützt, statt Steine in den Weg zu legen. Uns geht es darum, Mut zu machen und einen Rahmen zu schaffen, in dem Mut sich auszahlt. So könnte Nordrhein-Westfalen wieder in Bewegung kommen.
Was wollen Sie im Land ändern?
Wir wollen mit weltbester Bildung den Einzelnen stark machen, damit er sein Leben selbst in die Hand nehmen kann. Deswegen fordern wir zum Beispiel ein Schulfreiheitsgesetz, weil die Schulen selbst am besten wissen, was für die Kinder vor Ort richtig ist. Außerdem braucht unser Land dringend einen Politikwechsel für Wachstum. Alle bürokratischen Hürden und Standards, die über das Maß von Bund und EU hinausgehen, müssen weg. Start-ups, Handwerk, Mittelstand und Industrie sollen so entfesselt durchstarten können. Des Weiteren dürfen wir die Digitalisierung nicht verschlafen. Dazu müssen wir den Breitbandausbau vorantreiben und überall auch in ländlichen Regionen für schnelles Internet sorgen. Neben den Daten muss auch der Verkehr in NRW fließen. Das gelingt einerseits durch den Abbau von Sanierungsstau bei Straßen und Brücken. Aber als Transitland mitten in Europa endet unser Anspruch hier nicht. Wir wollen im Austausch mit Wissenschaft und Unternehmen NRW zum führenden Standort der Mobilität 4.0 machen. Wegen der Kölner Silvesternacht und wegen des Terroristen Amri ist unsere desolate Sicherheitslage leider bundesweit bekannt. Hier ist es klares Ziel der Freien Demokraten, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger in NRW wieder jederzeit und überall auf den Rechtsstaat verlassen können indem wir die Polizei personell und materiell besser ausstatten.
Interview: Frank Behrens
"Dem Sanierungsstau begegnen"
Drei Fragen an Wolfgang Kubicki, Spitzenkandidat der FDP in Schleswig-Holstein.
Herr Kubicki, welches Ergebnis streben Sie bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein an?
Die FDP Schleswig-Holstein will zweistellig werden und als drittstärkste Kraft in den Landtag einziehen. Seit gut einem Jahr liegt die FDP in Schleswig-Holstein stabil bei Umfragen zwischen neun und zwölf Prozent. Wir arbeiten daran, dass wir mit einem guten Ergebnis am 7. Mai den Freundinnen und Freunden in Nordrhein-Westfalen Rückenwind für ihre Landtagswahl in der darauffolgenden Woche geben können.
Warum sollen die Bürger FDP wählen?
Die FDP ist die einzige Partei, die die Menschen nicht bevormunden will. Sie will die Menschen befähigen, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Wir erleben nicht nur im Landtagswahlkampf dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, ihre Entscheidungsfreiheiten würden durch politische Maßnahmen mehr und mehr eingeschränkt. Dies betrifft nicht nur solche Maßnahmen wie den "Veggie-Day", sondern auch Bestrebungen wie etwa die Abschaffung des Bargelds oder die Einführung eines flächendeckenden Tempolimits auf Autobahnen oder die Vorratsdatenspeicherung. Viele Menschen sind es leid, dass der Staat in immer mehr Bereiche der privaten Lebensführung eingreift.
Was wollen Sie im Land ändern?
Wir wollen beste Bildung in Schleswig-Holstein. Wir wollen den Schulen und Hochschulen wieder mehr Autonomie geben. Die Gymnasien zum Beispiel sollen wieder die Möglichkeit bekommen, zwischen G8, G9 und einer Kombination aus beidem (G-Y) wählen zu können. Den Hochschulen werden wir mehr Entscheidungsfreiheiten mit einem neuen Hochschulfreiheitsgesetz geben. Wir streben die beitragsfreie Kita an. In einem ersten Schritt wollen wir die Elternbeiträge bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren (U3) auf 200 und bei der Betreuung älterer Kinder (Ü3) auf 150 Euro deckeln. Wir müssen dem Sanierungsstau im Land endlich wirksam begegnen.
Es zeigt sich, dass mangelnde Investitionen in unsere Straßen, Brücken, Schulen und Krankenhäuser am Ende deutlich mehr finanziellen Schaden anrichten als regelmäßige Investitionen. Deshalb setzen wir uns für ein verfassungsrechtlich verankertes Investitionsgebot als Ergänzung zur Schuldenbremse ein mindestens zehn Prozent ab 2020, mindestens 12,5 Prozent ab 2025. Wir brauchen dringend mehr Polizisten in Schleswig-Holstein. Bei Aufklärungsquoten bei Wohnungseinbrüchen von regional unter fünf Prozent drohen die Geschädigten, das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates zu verlieren. Zugleich schieben die Beamtinnen und Beamten einen Berg an Überstunden vor sich her, der wegen steigender Anforderungen (G8-Gipfel, Begleitung von Bundesligaspielen) realistisch nicht mehr abgebaut werden kann. Zudem wollen wir den Erwerb von Wohneigentum gerade für junge Familien fördern. Wir wollen die Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb bei einer selbst genutzten Wohnimmobilie bis 500.000 Euro erlassen. Zudem werden wir die Straßenausbaubeiträge abschaffen und damit erhebliche finanzielle Belastungen von Anwohnern verhindern.
Interview: Frank Behrens
POLITIK
Jennifer Weyland
Zwischenspurt für die Liberalen
MEHR AUS DIESEM RESSORT
Barockjuwel am Bodensee
Wer am Bodensee Urlaub macht, sollte unbedingt auch einen Besuch der B ...
16.02.2024
Nach gedacht: Gefährlicher Irrwitz
Die närrischen Tage sind vorbei. Ein langes Wochenende ohne Demos gege ...
16.02.2024
Nachrichten aus Wirtschaft und Politik (16.2.2024)
Drei Fragen ...
16.02.2024
„Wo ist der Silberstreif?“
Deutsche Rüstungskonzerne fahren ihre Produktion hoch, die Eur ...
16.02.2024
Dauerbaustelle Bildungssystem
Seit Jahrzehnten wird über das dürftige Lern-Niveau an den deu ...
16.02.2024
Milliarden für Bildung
Für die einen ist es ein „Durchbruch“, für die anderen ein „Tr ...
16.02.2024
Nahaufnahme: Die zweite Zeitenwende
Europa sollte sich auf eine mögliche Trump-Präsidentschaft vor ...
16.02.2024
Nachrichten aus Wirtschaft und Politik (9.2.2024)
Drei Fragen ...
09.02.2024