Jerome Müller ist ein guter Schütze. Vor allem mit dem Handball trifft der 20-Jährige von Zweitligist HG Saarlouis fast alles, was er will. So war es jedenfalls in den letzten beiden Spielzeiten. In der laufenden Saison läuft es nicht so rund beim Rückraumspieler, der mit der HG am Samstag um 19.30 Uhr die HSG Konstanz empfängt. Ein Grund dafür ist der Trainingsrückstand.
Die Fördermaßnahmen des Deutschen Handball Bunds (DHB), Lehrgänge und internationale Turniere mit der Junioren-Nationalmannschaft oder wie Anfang des Jahres die Grundausbildung bei der Bundeswehr hindern den Linkshänder an einer hundertprozentigen Form.
Vom 2. Januar bis 10. Februar absolvierte Müller die Grundausbildung, um Mitglied der Bundeswehr-Sportfördergruppe werden zu können. In diesen sechs Wochen konnte der 20-Jährige nur an den Wochenenden mit der Mannschaft trainieren. In Hannover, wo Müller stationiert war, hielt er sich mit Kraft- und Laufeinheiten fit, "aber handballerisch war nicht viel möglich. Es war schwer, ein Training zu organisieren. Ich hatte bis 17 Uhr Dienst und anschließend mit Bus und Bahn durch halb Hannover zu fahren, um abends noch eine Einheit mitmachen zu können, wäre zu umständlich gewesen", erklärt er.
Grundausbildung beim bund
Anstrengend war es beim Bund auch ohne Handballtraining: In den ersten zwei Wochen wurden die Sporttalente um fünf Uhr geweckt. Nach einer halben Stunde, in der die Stube gerichtet wurde, hieß es um 5.30 Uhr ganz klassisch: "Antreten!" und zwar auf dem Flur, um die Anwesenheitsliste durchzugehen. Um sechs Uhr gab es Frühstück bis 6.45 Uhr, dann gings zurück auf die Stuben und um sieben Uhr war offizieller Dienstbeginn. "Da ging es hauptsächlich um theoretische Dinge wie die Rechte eines Soldaten oder den grundsätzlichen Aufbau der Bundeswehr", erzählt Müller, "Natürlich waren wir ja auch noch ein paar Tage draußen, zum Beispiel an den Gelände- oder Schießübungstagen, an denen wir von morgens bis abends unterwegs waren." Drei Ausbildungsziele galt es zu bestehen: die Sanitäter-Ausbildung, die Schießausbildung und die Wachausbildung, in deren Rahmen die Soldaten das richtige Kontrollieren von Fahrzeugen lernten.
Mit der Ausbildung an der Waffe hatte Jerome Müller kein Problem. "Bei den ersten scharfen Schüssen hatte ich schon ein flaues Gefühl im Magen", gibt er allerdings zu, "Doch das hat sich schnell gelegt, weil die Sicherheitsregeln ganz klar waren und wir eine disziplinierte Truppe waren, bei der man sich keine Sorgen machen musste." Ohnehin steht für die Bundeswehr die Repräsentation mit sportlichen Topleistungen im Vordergrund. Vor allem als Rückraum-Schütze der HG Saarlouis und der Junioren-Nationalmannschaft soll Müller künftig scharf und erfolgreich schießen.
Kumpel Björn Zintel aus Niederwürzbach, der bei HG-Ligakonkurrent ASV Hamm-Westfalen spielt, hatte Müller vorab von seinen Erfahrungen berichtet und unter anderem klargestellt, dass die Zugehörigkeit zur Sportfördergruppe nach dem Abschluss der Grundausbildung nicht mehr viel mit einer klassischen Bundeswehr-Karriere zu tun hat. Dennoch: "Wir wurden auch auf die Wichtigkeit der Bundeswehr hingewiesen und haben auch etwas über die Auslandseinsätze erfahren. Aber für uns Sportler in der Grundausbildung war das Thema schon relativ weit weg, weil nicht vorgesehen ist, dass wir Auslandseinsätze machen", erklärt Müller. Auch deshalb fällt sein Fazit positiv aus: "Ich hatte viel Spaß, nette Leute kennengelernt und habe viel Neues und Interessantes dazugelernt", berichtet Müller.
Zusammen mit anderen Sportlerinnen und Sportlern lernte er dabei das Schießen mit einer Waffe oder das Marschieren. Zu seinen Kameraden gehörten beispielsweise ein professioneller Wakeboarder und ein Bowling-Spieler, der sich sogar mit Müller die Stube teilte. Allein die Bindung zu den Saarlouiser Mannschaftskameraden blieb dabei auf der Strecke. "Es ist natürlich besser, wenn man die Vorbereitungen mitmachen kann. Wenn man zurückkommt, wie eben nach den sechs Wochen beim Bund, gibt es schon einige Dinge, die man sich schnell draufschaffen muss", sagt Müller, der diese Situation allerdings von zahlreichen Lehrgängen und internationalen Turnieren mit der Jugend- oder jetzt Junioren-Nationalmannschaft kennt: "Ich habe mich schon daran gewöhnt. Ich will jetzt einfach schnell reinfinden und auch wieder meine Form finden." In den letzten beiden Jahren war der Linkshänder noch der Überflieger und traf aus dem rechten Rückraum phasenweise nach Belieben. Seit einer Hüftverletzung in der Anfangsphase der laufenden Saison stockt der Motor beim Toptalent. "Eine richtige Erklärung dafür habe ich nicht", sagt er. Eine Rolle könnte die neue Wohnsituation spielen. Seit September wohnt Müller in einer eigenen Wohnung in Saarlouis. "Das ist schon eine gewisse Umstellung, mit der man sich anfangs etwas schwertut", gibt er zu, "Das war auch bei Björn in Hamm so. Man muss die Tage anders planen, selbst kochen und sich um die Wäsche kümmern... Das ist schon was Neues, aber so langsam darf das keine Entschuldigung mehr sein." Wie die Leistungen auf der "Platte", wie Handballer ihr Spielfeld nennen, sind auch die an der Herdplatte ausbaufähig. Für einen Michelin-Stern reicht es nicht, aber mehr als Nudeln mit Ketchup ist schon drin: "Ich habe schon ein paar Varianten drauf. Aber die große delikate Küche habe ich noch nicht auf dem Speiseplan", verrät er mit einem Lächeln und fügt an: "Auch die Wäsche ist kein Problem. Ich hatte noch kein weißes Shirt, das rosa aus der Maschine kam."
Wichtiger bleibt ohnehin, dass er sich in seinem neuen Heim wohlfühlt. Dass das die HG auch in der heimischen Stadtgartenhalle tut, war zuletzt schwer erkennbar. Erst mit dem 31:29-Überraschungserfolg gegen die SG Bietigheim hat sie den Heimfluch der laufenden Saison besiegt. Oder? "Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Teams sind so eng zusammen, dass es schon verrückt ist", findet er und fordert: "Gegen Konstanz müssen wir wieder gewinnen."
Sebastian Zenner