Der Chef des Hauptsponsors wird neuer Vorsitzender von Tennis Borussia, um den Oberligisten vor der Insolvenz zu bewahren und bessere Strukturen aufzubauen. An der Basis herrscht noch eine aus der jüngeren Geschichte herrührende Zurückhaltung.
Nur wenige Minuten, nachdem der neue Vorstandsvorsitzende das Wort ergriffen hat, wird es ganz still im Casino von Tennis Borussia Berlin. Dort, wo sonst nach den Spielen des Fußballoberligisten gerne noch zusammengesessen und bei einem Bier das Geschehen lautstark besprochen wird.
Doch es ist kein Spieltag, sondern ein Montag im März. Jens Redlich stellt sich den etwa 40 Fans und Mitgliedern nur kurz vor, dann kommt er zur Sache: Den Verein belastet ein Defizit von etwa 100.000 Euro. Wird dies nicht bis Ende des Monats beglichen, muss man zum 30. April das Insolvenzverfahren anmelden.
Die sprichwörtliche Stecknadel wäre nun im Vereinslokal zu hören gewesen. Insolvenz damit hatten die wenigsten der Anwesenden wohl gerechnet. Und: "Insolvenz", das ist ein besonderes Unwort beim Club vom Funkturm. Schließlich musste man in diesem Jahrtausend bereits zweimal in das Verfahren eintreten, das in Gang gesetzt wird, wenn die Verbindlichkeiten eines Clubs nicht mehr von ihm aufgefangen werden können.
Doch der neue Mann auf dem Chefsessel des Fünftligisten kann die Sprachlosigkeit der Zuhörer erst einmal zerstreuen. Denn Jens Redlich erklärt sich im nächsten Moment dazu bereit, die Lücke im Etat zu stopfen, um der ansonsten unvermeidlichen Eröffnung des Verfahrens aus dem Weg zu gehen. Hierzu will er den Sponsorenbeitrag seiner Firma im entsprechenden Umfang einmalig erhöhen. Eine erste, unmittelbare Erleichterung ist in der Runde spürbar.
Jens Redlich stopfte
die Etat-Lücke
Und man besinnt sich wieder, weswegen man eigentlich hier zusammengetroffen war. Ursprünglich nämlich war die Veranstaltung vom Verein anberaumt worden wegen der Irritationen, die der Wechsel an der Spitze von Tennis Borussia im Umfeld hervorgerufen hat. Denn mitten in der Saison, zwei Tage nach dem 1:0-Sieg über Tabellenführer VSG Altglienicke, erfuhr die Öffentlichkeit und wohl auch die meisten Fans in einer dürren Mitteilung über die Vereinshomepage von den Vorgängen.
Da hieß es zunächst, der Vorstand habe den Aufsichtsrat schon vor dem besagten Spiel von seinem Rücktritt informiert. Und: Der neue Vorsitz bestehend aus zwei Mitgliedern des vorhergehenden Gremiums und eben Jens Redlich sei bereits inthronisiert worden. Eine Tatsache, die für Rumoren im Umfeld sorgte, denn Redlich ist geschäftsführender Gesellschafter des Hauptsponsors von Tennis Borussia. Vor allem in den Sozialen Netzwerken machte schnell die Befürchtung von einem neuerlichen Investorenmodell die Runde. Kein Wunder, sind der Verein und seine Getreuen doch gewissermaßen gebrannte Kinder. So tauchten in den einschlägigen Foren schnell die Namen "Göttinger Gruppe" oder "Treasure AG" auf, der beiden Investorengruppen also, die den "Veilchen" mit ihrem Geld vor gar nicht allzu langer Zeit zu neuem sportlichen Glanz verhelfen wollten um sie am Ende jeweils in die Insolvenz zu manövrieren. Ersterer ein dubioser Finanzkonzern, der 1995 einstieg, mit dessen Prasserei Tennis Borussia bis in die Zweite Liga vorrückte und noch höher hinaus wollte bis im Jahr 2000 der Lizenzentzug durch den DFB erfolgte.
Dem sportlichen Niedergang folgte bald der finanzielle Absturz im April 2003 musste man das erste Insolvenzverfahren eröffnen. Sieben Jahre später erlitten die Charlottenburger den zweiten Gau, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Treasure AG, dem nächsten Versuch mit einem Investor, stand. Der Verein sackte ab bis in die sechstklassige Berlin-Liga, wo man drei Jahre kickte, bis 2015 der Aufstieg in die Oberliga Nordost gelang.
50, 60 Stunden
pro Woche für TeBe
Die erwähnten Investoren hatten zu ihrer Zeit Plätze im Aufsichtsrat beziehungsweise Vorstand des Vereins beansprucht. Daher nun der Aufruhr, als der Chef des Hauptsponsors einer Fitnessstudio-Kette ohne große Umwege Vorsitzender bei Tennis Borussia wurde. Bei der offenen Fragerunde im März verwies Jens Redlich daher zunächst kurz auf seine Verbindung zu "TeBe" in der Jugend spielte er für die Lila-Weißen und unterstrich damit, niemand von außen zu sein.
Im Anschluss an die ernüchternde Botschaft bezüglich des Vereinsdefizits und dem Versprechen, die Etatlücke auszugleichen, betonte Redlich dazu, den Posten nicht angestrebt zu haben. Vor dieser Saison erst war er mit seinem Unternehmen als Hauptsponsor eingestiegen. Als sich ihm im Herbst vergangenen Jahres erste Ungereimtheiten offenbarten, bat er den Vorstand, ihm die bereinigten Zahlen vorzulegen. Anschließend musste Redlich feststellen, dass die Situation sich sogar desolater präsentierte als gedacht. Plötzlich fand sich der Unternehmer vor der Frage: hinschmeißen oder anpacken?
Er wolle den Verein nicht kaputtgehen lassen, sagt Redlich beansprucht dafür andererseits die Handlungshoheit. Von seinen Kontakten in die Wirtschaft verspricht er sich neue Geldgeber für den Verein, die sich zum Teil im Gegensatz zur Praxis zuvor aber auch vertraglich verpflichten müssen. So soll seine Firma nicht der einzige Großsponsor bleiben. Erste, vielversprechende Gespräche habe er bereits geführt. Doch zunächst ging es erst mal darum, in gebotener Schnelligkeit die Weichen auf Umgehung der Insolvenz zu stellen.
Dazu war Redlich laut eigener Aussage "bis zu 50, 60 Stunden" die Woche für Tennis Borussia beschäftigt und unterwegs. Auch wurden erste Verhandlungen mit Spielern beziehungsweise Trainern geführt und offizielle Posten neu vergeben. Seinen Wunschkandidaten als Trainer für die U15, Andreas Beese, konnte er auch schon als Neuzugang für die kommende Saison vorstellen. Der brachte es immerhin mal bis zum Talentscout der TSG Hoffenheim und das hat die Verhandlungen sicher einfacher gemacht ist im Herzen "Borusse".
Auch was die mittelfristigen sportlichen Ziele angeht, spricht der neue Vorsitzende Klartext: Raus aus der Oberliga, die nur Geld kostet spätestens in drei Jahren soll es die Regionalliga sein. Wenn es Redlich also gelingt, den Verein finanziell auf eine solide Basis zu stellen, könnte es durchaus wieder aufwärts gehen mit TeBe und die Fan- und Mitgliederbasis wäre ebenso beruhigt, nicht von einem Geldgeber abhängig zu sein.
Die große Euphorie wollte aber trotzdem noch nicht ausbrechen, schließlich ist in den letzten Jahrzehnten rund ums Mommsenstadion einiges versprochen worden. Doch Jens Redlich scheint nicht auf schnellen Ruhm aus zu sein hat allerdings auch viel abzuarbeiten.
Auf eine Frage weiß der Jungunternehmer an dem besagten Abend dann aber auch keine rechte Antwort als ein in Ehren ergrautes Mitglied das Wort ergreift, ihm seinen Dank ausspricht für die kurzfristige Rettung des Vereins und hörbar bewegt von den desaströsen Zahlen spricht: "Wie kann es eigentlich sein, dass wir immer wieder in so eine Situation geraten?"
Hagen Nickelé