Ende Juli, Anfang August feiert Berlin gleich zwei Pferdesport-Highlights: die Rückkehr eines Springreitturniers und die Traber-Derbywoche.
Es war ein beeindruckendes Bild: Als Werbemaßnahme für die WM im Springreiten posierte die deutsche Equipe im Jahr 2006 vor dem Brandenburger Tor. Austragungsort des Turniers war allerdings Aachen das Wahrzeichen der Hauptstadt diente lediglich als sehenswerte Kulisse der Veranstaltung in Deutschland. Berlin und das Springreiten das war zuletzt keine spektakuläre Geschichte mehr.
Dabei gastierte bis 2003 alljährlich das CHI an der Spree. Ein Reitturnier mit langer Tradition im Jahr 1923 fand es erstmals statt. Jahrzehntelang wurde später die Deutschlandhalle zum Standort der Veranstaltung.
Nach der Austragung im Jahr 2003 in den Messehallen am Funkturm zwang unter anderem der Verlust von Sponsoren die Veranstalter zu einer Pause sie sollte bis heute andauern. Damit hatte sich die Perspektive für ein Reitturnier in Berlin geschweige denn ein wichtiges mit Weltcupstatus im Grunde erledigt. Doch in diesem Jahr wird die Hauptstadt vom 28. bis 30. Juli erstmals Station der Global Champions Tour (CHT) und damit von jetzt auf gleich Schauplatz eines Fünf-Sterne-Turniers. Geritten wird dabei um ein stattliches Preisgeld im Gesamtwert von mehr als einer Million Euro.
Die seit 2006 existierende Serie tourt über die ganze Welt diesmal von Mexiko City bis Shanghai. Berlin ist ab diesem Jahr auch Tournee-Station, der Vertrag mit dem Organisator läuft zunächst über zwei Jahre. Jan Tops zeigte sich schon mal begeistert: "Als eine der wichtigsten Hauptstädte der Welt glauben wir, dass Berlin ein fantastischer neuer Austragungsort für unsere internationalen Serien sein wird", verkündete der Niederländer, der gleichzeitig Gründer und Präsident der GCT ist.
Die Veranstaltungsserie läuft erfolgreich vor Beginn der aktuellen Tour wurden die Prämien laut "Badischer Zeitung" um fast 20 Prozent auf 23 Millionen Euro erhöht. Das liegt auch daran, dass der Wettbewerb um die Global Champions League (GCL) erweitert wurde. Neben den Einzelwettbewerben fungiert diese quasi als Teamwettbewerb, die Mannschaften sind wie etwa in der Formel 1 (nur mit mehr Mitgliedern) international zusammengesetzt.
Bis zum Start der Global Champions League im vergangenen Jahr hatte sich der Internationale Reiter-Dachverband (FEI) gegen deren Einführung gewehrt. Mittlerweile aber ist der Streit beigelegt worden, und auch die GCL genießt jetzt offiziellen Status, Weltcuppunkte inklusive.
Angesichts des dadurch immer dichteren Terminkalenders muss Berlin allerdings damit leben, dass die Veranstaltung unmittelbar auf das weltbekannte CHIO in Aachen (14. bis 23. Juli) folgt. Einige Reitsportstars könnten sich daher eine Pause nehmen deutsche allerdings wohl nicht. Marcus Ehning, der noch für das letzte CHI 2003 in der Hauptstadt gemeldet war, und seine Mitstreiter sind schließlich heiß auf den neuen Anlauf in Berlin.
Zwar wird es nicht vor der malerischen Silhouette des Brandenburger Tors zur Sache gehen der denkmalgeschützte Veranstaltungsort im Sommergarten unter dem Funkturm bürgt aber ebenfalls für ein attraktives Ambiente. Und nicht nur das: Zwischen Messegelände und AVUS gelegen, atmet der Austragungsort in unmittelbarer Nähe der inzwischen abgerissenen Deutschlandhalle schon mal ganz viel Berliner Springreit-Tradition.
Einen gravierenden Unterschied zu früher wird es natürlich geben: Mit der Austragung "open air" findet das neue Berliner Springreitturnier nicht mehr unterm Hallendach statt. Eine Tatsache, die auf der Trabrennbahn in Mariendorf gewissermaßen in der Natur der Sache liegt. Hier wird üblicherweise das ganze Jahr durchgefahren während der "Hochsaison" wird in Mariendorf fast jede Woche ein Renntag abgehalten.
Alles steuert auf den Höhepunkt des Rennjahres zu: das Deutsche Traber-Derby der Dreijährigen am ersten Sonnabend (Stuten) beziehungsweise Sonntag (Hengste und Wallache) im August. Dann wird es auch auf den sonst eher überschaubar gefüllten Tribünen voll.
Bereits vom 28. Juli an werden unter anderem in den Qualifikationen die Teilnehmer für die Endläufe ermittelt es ist das wichtigste Ereignis im deutschen Trabrennsport überhaupt und wird seit über 100 Jahren in Mariendorf ausgetragen. Von einer Finanzierung wie beim GCT-Springreitturnier ist man dabei weit entfernt zwar gibt es Sponsoren, die Umsätze aus dem Wettgeschäft sind aber nach wie vor von großer Bedeutung für die Veranstalter. Spekulationen und Prognosen gehören somit unabdingbar zur "Faszination Trabrennsport" dazu.
Letzter Traber-Erfolg
liegt 29 Jahre zurück
So taten sich in dieser Saison besonders die Pferde des Gestüts Lasbek, das in der Nähe von Hamburg liegt, hervor. Bei den Stuten brillierten dabei auf dem Mariendorfer Kurs vor allem Motion Pure und Miss Godiva, bei den Hengsten Mac Smily und Maxi Cup.
Gelenkt wurden sie dabei vom dänischen Trainer Christian Lindhardt höchstselbst oder vom deutschen Altmeister Heinz Wewering. Bei den letzten wichtigen Läufen sollte es dann aber anders kommen. Am Buddenbrook-Renntag, in der Szene traditionell als Generalprobe zum Derby bezeichnet, gingen die Lasbeker Anfang Juli leer aus.
In den wegen der großen Konkurrenz gleich zwei anberaumten Stuten-Läufen setzten sich ausgerechnet die einheimischen Besitzerfarben der Familie des Bahnbesitzers Ulrich Mommert durch. Sowohl die bei 26:10 taxierte Tijuana Diamant wie auch Charlotte Newport (60:10), Schwester der letztjährigen Triumphatorin Gilda Newport, sind somit in den Kreis der Favoritinnen gerückt. Beide Male im Sulky: der amtierende Deutsche Meister Michael Nimczyk. Berliner Siege sind in der Traberhochburg dabei natürlich von besonderer Bedeutung.
Bei den Hengsten und Wallachen liegt der letzte Erfolg eines hiesigen Trabers allerdings schon 29 Jahre zurück. Die Namen des Trabers und seines Fahrers Tornado Hanover und der mittlerweile verstorbene Gottlieb Jauß genießen vor allem in Berlin bis heute Legendenstatus. Aufgedrängt hat sich in diesem Jahr allerdings noch kein Hengst aus der Hauptstadt.
Beim "Derby-Wahrsager" im Juli überraschte Tsunami Diamant (Fahrer: Dion Tesselaar/NL) vom Gestüt im bayerischen Pfaffenhofen mit seinem Sieg. Er ließ dabei nicht nur die beiden Lasbeker Favoriten, sondern auch den gehandelten Portland der Berliner Besitzerin Marion Jauß hinter sich und das bei einer Quote von 215:10.
Unberechenbarkeit bleibt also bei aller Wahrsagerei ein zentrales Charakteristikum des Trabrennsports und sorgt so für Spannung und Gesprächsstoff. Dasselbe dürfte allerdings auch für das Wetter gelten: Der bisher eher verregnete Hauptstadtsommer könnte Publikum kosten und ob bei Springreiten oder Trabrennen auch unangenehme sportliche Bedingungen verursachen.
Hagen Nickelé