Lange Zeit eher belächelt, hat sich Pink zur Trendfarbe Nummer eins aufgeschwungen. Übrigens nicht nur in der Damenmode Rosa-Töne mischen 2017 auch die Menswear gehörig auf.
Think pink, but dont wear it" lautete eines von Karl Lagerfelds Zitaten vor einigen Jahren. Und auch wenn Pantone ein Apfelgrün zur Farbe des Jahres gekürt hatte, wurde auf den Laufstegen für diesen Sommer von den Designern eine gänzlich andere Farbe in den Mittelpunkt gerückt. Denn feminines Pink gibt heute den Ton an. Lange wurde Rosa in all seinen Schattierungen belächelt, mit kleinen Mädchen, Plüsch-Kitsch oder Barbie-Puppen assoziiert. Nun ist die knallige Farbe rehabilitiert, überraschenderweise nicht nur in der Damenmode.
Wer sich vorschnell darüber mokieren möchte, dass Männer ja wohl kaum pinkfarbene Kleidung tragen können, dem sei gesagt, dass dies vor rund 100 Jahren noch gang und gäbe, gewissermaßen der Normalfall war. Zumindest was Jungen betraf. Denn diese wurden noch bis in die 20er-Jahre hinein in Rosa gehüllt, weil dieses als das "kleine Rot" angesehen wurde, das wiederum für männliche Tugenden wie Kampfbereitschaft und Leidenschaft stand.
Geschlechtsspezifische Farben hatte es für Jungen und Mädchen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eigentlich gar nicht gegeben. Denn alle kleineren Kinder trugen vor allem Weiß, weil man weiße Stoffe am besten kochen und bleichen konnte. Dass sich die stereotype Farbzuweisung spätestens in den 40er-Jahren umgekehrt hatte, dass Jungs auf Blau und Mädchen auf Rosa festgelegt wurden, hing damit zusammen, dass in der Marine zunehmend blaue Uniformen und in der (männlichen) Arbeitswelt die "Blaumänner" als Berufskleidung schnell gebräuchlich wurden. Rosa wurde daraufhin zum farblichen Kontrastprogramm für die Mädchen und gleichzeitig in Richtung Niedlichkeit, Lieblichkeit und Romantik umgedeutet. "Pink ist die Zuckerwatte unter den Farben", so der Zürcher "Tages-Anzeiger", "ein wenig klebrig, süß und quietschig und damit eben auch: wahnsinnig weiblich."
Und ausgerechnet diese dermaßen geschlechtermäßig besetzte Farbe wollen die Designer im Sommer also als Nummer eins durchsetzen. Leicht dürfte das nicht werden. Allerdings kann Pink als Starthilfe auf die beste nur denkbare Unterstützerin im gesamten aktuellen Fashion-Zirkus bauen: Phoebe Philo. Und da die Céline-Kreativchefin in den vergangenen Jahren eigentlich immer den richtigen Riecher für neue, erfolgreiche Trends bewiesen hatte, spricht wenig dafür, dass sie ausgerechnet beim Thema Pink daneben liegen soll. Obwohl ein wilder Farbenrausch eigentlich gar nicht die Sache von Madame Philo ist. Aber sie hat wahrscheinlich rechtzeitig erkannt, dass sich die Ära des modischen Minimalismus dem Ende zuneigt und dass daher auch die Farbgebung wieder verspielter werden darf.
Und wer immer noch nicht an Pink als Trendfarbe der Sommersaison schlechthin glauben mag, dem sei gesagt, dass selbst König Karl Lagerfeld im vergangenen Winter von seiner früheren Stigmatisierung Abstand genommen und in der Chanel-Kollektion Rosa-Töne in allen Schattierungen gezeigt hatte. Nachdem viele Fashionistas daraufhin bereits in rosafarbenen Pullovern überwintert hatten, können sie nun ab Frühjahr so gut wie alle Klamotten in dieser Farbe erwerben. Wobei das Spektrum von soften Rosa-Nuancen bis hin zu kräftigem Fuchsia oder einem ganz grellen Rosa, das Elsa Schiaparelli einst unter dem Namen "Shocking Pink" bekannt gemacht hatte, reicht.
Kein Angst vorm "Barbie-Alarm"
Wer dennoch etwas Angst vor einem möglichen "Barbie-Alarm" hat, sollte einfach einige Styling-Regeln beachten. Maskuline Formen wie gerade geschnittene Blazer oder schmale Hosen sind perfekt dazu geeignet, dem Farbton jegliches Tussige auszutreiben. Statt eng und kurz kommt Pink am besten bei etwas weiterem, bodenlangem Volumen zur Geltung. Statt femininer Accessoires wie Heels oder Pumps, die die Weiblichkeit noch zusätzlich betonen, sollte frau besser derbere Kombi-Partner wie Sneakers wählen. Auch als Partner zu Denim macht ein Pink-Teil garantiert eine gute Figur. Und statt gleich mit knalligen Rosa-Tönen einzusteigen, sollte frau vielleicht erst einmal mit sanfteren Nuancen beginnen.
Dass Pink diesen Sommer auch in der Herrenmode auftaucht, könnte fast schon als Rückkehr zu den Wurzeln bezeichnet werden. Wers nicht glauben mag: Die ersten Trikots des 1897 gegründeten, inzwischen längst legendären italienischen Fußballvereins Juventus Turin waren rosafarben. Der Hamburger SV sollte viel später an diese vergessene Tradition anknüpfen, seine Spieler sollten in rosa Trikots 1976 den deutschen Pokal und ein Jahr später den Europokal der Pokalsieger gewinnen. Womöglich zur Erinnerung an bessere Zeiten treten die Hanseaten bei Auswärtsspielen in der Saison 2016/2017 wieder in "Shocking Pink" an. Dennoch dürfte es angesichts der vor einem Jahrhundert eingeleiteten Gender-Umpolung der Farbe nicht gerade einfach werden, die Männer von der Notwendigkeit rosafarbener Klamotten zu überzeugen.
"Der letzte Typ, dem Pink fraglos stand, war Paulchen Panther", so Tillmann Prüfer im "Zeit"-Magazin zu diesem Trend, "Schon bei John Travolta in dem Film Grease war das pinkfarbene Hemd zum schwarzen Anzug schwer zu ertragen was vielleicht auch daran lag, dass seine Socken dieselbe Farbe hatten. In den 90er-Jahren wurden blassrosa Hemden dann erstaunlicherweise noch Mode unter Londoner Bankern, was als Vorbote der internationalen Bankenkrise gesehen werden kann. Wenn Männer von ihrem eigenen Ego überwältigt werden, glauben sie zuweilen bis heute, Pink sei mit männlichem Aussehen vereinbar, und sie verkennen damit in den allermeisten Fällen die Realität. Denn Pink ist nur bei Männern angebracht, die auch Kanariengelb oder große Blumenmuster tragen können, ohne lächerlich zu wirken. Männer also, bei denen es eigentlich auf gar nichts mehr ankommt, weil sich der meist weibliche Betrachter ohnehin die Kleider wegdenkt. P. Diddy und Kanye West beispielsweise."
Peter Lempert