Rüschen sind seit jeher ein beliebter Sommertrend. Aktuell setzen die Designer vor allem auf Größe und Volumen. Einige überraschen durch die ungewöhnliche Verwendung des romantischen Zierrats bei "Athleisure"-Klamotten.
Alle Jahre wieder sind Rüschen neben den Blumen fester Bestandteil der Damen-Sommermode. Und in nahezu jeder Saison wird behauptet, dass noch niemals zuvor solche Mengen von verspieltem Zierrat auf den Laufstegen gesichtet wurden. Aktuell vor allem zu bestaunen an Blusen, an Ärmeln und noch mehr an Kleidern und Röcken von Labeln wie Alberta Ferretti, Rochas, Jason Wu, Gucci, Chanel, J. Crew, Dries Van Noten oder Isabel Marant. "OMG! Rüschen!", so könnte frau den vielstimmigen Aufschrei der hiesigen Fashion-Crowd auf den Punkt bringen.
Die Übergänge zwischen Rüschen und Volants sind allerdings gemeinhin fließend, sprich kaum jemand macht sich die Mühe, zwischen diesen beiden Methoden der dekorativen, überaus femininen Stoffverschwendung zu unterscheiden. Mal wird das Trendthema, wie im nahenden Sommer, unter der Überschrift "Rüschen", "Rufflemania", "Ruching" oder "Frills" abgehandelt, mal unter dem Oberbegriff "Volants". Abgeleitet vom Lateinischen Wörtchen volare, was fliegen bedeutet. Und damit schon auf das Leichte, Beschwingte, Luftige, Flatterhafte, Wellenförmige dieses sinnlichen Rauschs in Opulenz hinweist. Rüschen wie Volants sind schmückender Besatz an Kleidungsstücken. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass Volants kreisförmig geschnitten sind. Dadurch fällt der Stoff leichter. Zudem werden Volants meist glatt angenäht und nicht gerafft, gekräuselt oder gefaltet wie die Rüschen.
Betonung der Weiblichkeit
In diesem Sommer vermeinen manche Fashion-Experten, beispielsweise das Magazin "InStyle", entdeckt zu haben, dass die Rüschen weniger subtil und sophisticated wie in den Vorjahren ausgefallen sind, weil die Designer vor allem auf Volumen, auf Kaskaden von Rüschen oder gar auf ein regelrechtes Rüschen-Layering setzen. So informierte "InStyle" seine Leserinnen vom Trendalarm der "Riesen-Rüschen" bei ausladenden Röcken von Alberta Ferretti, bei gepimpten Schultern von Gucci, bei wellenförmigen, bodenlangen Kleider von Oscar de la Renta oder bei transparenten Schichten von Rodarte.
Zudem gerieten die "InStyle"-Redakteurinnen schier aus dem Häuschen ob der Kaskaden von Rüschen, die den Girly-Touch der Kleider von Fendi, Jonathan Simkhai, Alexander McQueen oder Altuzarra ins schier Unermessliche erhöht hätten. Als besondere Innovation sollen laut diversen Mode-Insidern zudem noch ungewöhnliche Materialien wie Leder bei Alexander McQueen, Leinen bei Erdem oder punkiger Pailletten-Schmuck wie bei Preen hinzugekommen sein. Dem Webportal fashionisers.com haben es vor allem diagonal verlaufende Rüschen angetan, die den Klamotten einen besonderen Pfiff verleihen können, wie es bei den glänzenden Mini-Röcken von Isabel Marant oder bei den Kleidern und genauer gesagt deren Seitenschlitz von Emanuel Ungaro zu bewundern ist. Fast unisono klingen die Erklärungen für die Rufflemania. Es sei einfach wieder mal Zeit geworden, die maskulinen Einflüsse oder auch die Dominanz der bequem-sportiven Athleisure-Bewegung zurückzudrängen zugunsten einer eleganten, ultra-femininen Mode, die fern jeglicher Oversize-Ausrichtung die weiblichen Formen endlich wieder so richtig zur Geltung bringen könne. Und Rüschen stehen bekanntermaßen geradezu sinnbildlich für Weiblichkeit.
Klingt alles einleuchtend. Hat aber den kleinen Haken, dass dabei eine echte Innovation in Sachen Rüschen übersehen wird, die von der englischen Ausgabe der "Vogue" "Drawstring Ruching" getauft wurde. Dabei werden ausgerechnet so Unterschiedliches wie feminine Rüschen und sportive Athleisure miteinander in Verbindung gebracht. Vorbilder für entsprechende Klamotten von Versace, Marni, Alyx (Kleider), Lemaire (Kleider), Sportmax (Kleider), Jacquemus (weiße Blusen) oder 3.1 Phillip Lim waren Kreationen von Norma Kamali ab Mitte der 70er-Jahre und Junya Watanabe ab den 90er-Jahren. Die 1945 in New York geborene Kamali hatte mit ungewöhnlichen Materialien experimentiert und schließlich Fallschirm-Seide oder auch -Nylon für die Produktion ihrer Kleider und Overalls ausgewählt. 1975 war ihre "Parachute" genannte Kollektion ein großer Erfolg gewesen. Wobei sie ihren Kleidungsstücken durch die Verwendung eines unkonventionellen Hilfsmittels, nämlich "Drawstrings", sprich Schnüren oder Kordeln, eine ebenso verblüffende wie stabile Rüschenpracht verpasste. Ähnliches machte der Japaner Junya Watanabe ab Mitte der 90er-Jahre. In den aktuellen Umsetzungen hat fraglos am meisten Donatella Versace mit umwerfenden Rüschen-Minikleider aus Nylon in den Farben Lila oder Smaragdgrün überrascht, deren Länge dank der Kordeln um eine ganze Handbreit abgeändert werden kann.
Jede Frau kann Rüschen tragen
Grundsätzlich kann jede Frau Klamotten mit Rüschen oder Volants tragen. Auch wenn sportive Ladys den Zierrat häufig als zu zuckersüß ablehnen oder reifere Frauen denken, dass der Trend nur etwas für jüngere Mädels sei. Allerdings sollte jede Frau immer darauf achten, dass der verspielte Dekor nicht an ohnehin schon voluminösen Stellen auftaucht. Damen mit großer Oberweite sollten diese nicht noch zusätzlich mit Rüschen betonen, sondern diese als Ausgleich lieber an Schultern oder Ärmeln einsetzen. Gleiches gilt für breite Schultern oder breite Hüften. Dank Rüschen können schlichte Jeans in auffällige Teile verwandelt werden, kann einem androgynen Outfit ein femininer Drive verliehen werden, kann Bleistiftröcken eine romantische Verspieltheit verpasst werden. Wer es erwachsen und lieber etwas schlicht mag, setzt auf geometrisch anmutende Schnitte. Die Silhouette kann durchaus von Kopf bis Fuß weit und fließend ausfallen. Früher wurde meist nur zu einem Teil in Rüschenoptik geraten, inzwischen ist auch ein Allover-Look erlaubt, am einfachsten zu erzielen mit einem luftigen Chiffonkleid. Zu Röcken mit Rüschen oder Volants lässt sich natürlich auch perfekt eine schlichte Bluse kombinieren. Aber auch Statement-Shirts oder sogar Sneakers als Schuhwerk sehen als ganz bewusster Stilbruch dazu super aus.
Laut dem Fashionportal modepilot.de sollte der Rüschen-Look im Sommer "ein gekonnter Mix aus Urlaubsstimmung (Farbe!), Drama (Volumen!) und alltagstauglicher Souveränität sein." Das Portal rät für dramatische Gesten zu Rüschen-Tops, die am besten zu schlichten, gerade geschnittenen Jeans oder schmalen Röcken getragen werden sollten. Rüschen-Kleider zeichnen sich laut modepilot.de durch Eleganz und Romantik aus, weshalb strenges Schuhwerk stören könnte und daher besser flache Sandalen als Begleiter gewählt werden sollten. Rüschen-Röcke möchte das Portal eher festlichen Anlässen vorbehalten, vor allem wenn es sich um längere Modelle handelt. Zum Volumenausgleich werden schlichte T-Shirts oder Bodys als Compagnons empfohlen. Bei Rüschen-Hosen gefällt modepilot.de der Spaßfaktor am besten.
Vielleicht retro, aber nicht altbacken
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte sich unlängst in ihrer Mode-Kolumne ziemlich satirisch-kritisch zu dem "Burgfräulein-Look" mit Volants und Rüschen geäußert, weil dieser in jüngster Zeit laut dem Journal immer häufiger auf den roten Teppichen der Republik Einzug gehalten hatte: "Im heutigen Minimalismus wirkt so ein wallendes Stück unnötiger Stoff wie ein Relikt aus barocken Zeiten, in denen sich nur Gutbetuchte solch textilen Prunk leisten konnten und neben Kleidern auch Polstermöbel oder Vorhänge damit behängten. Das hat nicht nur etwas Romantisches, sondern auch etwas von Realitätsflucht. Es sind harte Zeiten, in denen wir uns befinden. Viele der innen- und außenpolitischen Ereignisse der letzten Monate lassen in uns den Wunsch reifen, einfach die Augen schließen und in eine andere Welt flüchten zu können. Nicht umsonst hat der verträumte Musical-Film La La Land soeben 14 Oscar-Nominierungen eingestrichen und Karl Lagerfeld bei seiner jüngsten Couture-Show für Chanel vor wenigen Tagen in Gestalt eines zartrosa Rüschenbonbons eines der verspieltesten Brautkleider des Hauses aller Zeiten über den Laufsteg geschickt. Die Leute suchen nach Romantik, anders gesagt: nach einem sicheren, wohligen Versteck. Und verstecken kann man sich hinter schweren Gardinen bekanntermaßen besonders gut."
Peter Lempert