Den Aston Martin Lagonda DB11 gibt es seit vorigem Herbst, aber nur in kleiner Stückzahl. Wer dieses Auto bereits sein Eigen nennt, gehört zu einer erlesenen Klientel. Wir haben den Luxus-Sportwagen getestet aus der Sicht des Beifahrers.
Haut endlich ab, sonst fange ich an zu weinen!", ruft uns der Leiter der Tankstation in Friedrichstadt zu. Er hat sich in unseren Aston Martin Lagonda DB11 verliebt. Eine kurze, aber innige Beziehung. Sie beginnt damit, dass wir den Wagen vor unserem Fotoshooting waschen wollen. Die Tankstation hat eine kleine Selbstwaschanlage. Noch bevor wir beginnen können, erscheint der Stationsleiter und bewundert unser Auto. Als wir anfangen, den Wagen zu waschen, sträuben sich ihm alle Nackenhaare, denn wir stellen uns dabei offenbar nicht besonders geschickt an. Das Auto bekäme so Streifen, schimpft er und übernimmt die Reinigung lieber gleich selbst. Und zwar so gründlich und vorsichtig, als wäre es ein Baby, das er pflegt.
Proaktive Kopfstützen für mehr Sicherheit
Während der Wäsche wird gefachsimpelt und geplaudert. Ein Besucher der Tankstelle vergleicht die Kontur unseres Testwagens gar mit der perfekten Figur einer schönen Frau. "Diese Schwünge an den Kotflügeln und die schlanke Taille! Herrlich!" Stimmt. Als ich das erste Mal die Beifahrertür des DB11 öffne, strömt mir der intensive Duft frischen Leders entgegen. So intensiv wie bei diesem Auto habe ich das tatsächlich selten erlebt. Das Leder der Sitze ist weich und geschmeidig. Die Sitze selbst sind durch Steppnähte, die von den Schultern zum Rücken hin verlaufen, verziert. Auf den Sitzflächen wiederholt sich die Linienführung. Der besondere Clou dieser Steppnähte ist, dass sie kleine Löcher im Leder verbergen, durch die kühle Luft ausströmen kann, um die Passagiere bei zu großer Wärme zu kühlen. Das funktioniert einwandfrei, ähnlich wie die Sitzheizung. Bedient wird das Ganze über ein berührungsempfindliches Display in der Mittelkonsole und ist sogar für mich als besonders kurzsichtigen Menschen ein Kinderspiel.
Die Kopfstützen machen dezent darauf aufmerksam, dass Aston Martin mit dem DB11 auch technologisch einen großen Sprung nach vorne gemacht hat. Sie sind proaktiv, das heißt, dass sie bei einem potenziellen Unfall nach vorne schnellen, um so zu vermeiden, dass die Insassen ein Schleudertrauma erleiden könnten.
Natürlich ist das nicht alles, was die neue Technologie ausmacht. Schlichtweg alles in diesem Auto ist elektronisch geregelt. Die Sitzeinstellung mit Polstern, die die Beine umschmiegen, damit auch schnell gefahrene Kurven nicht zur Rutschpartie auf dem Sitz ausarten, sondern perfekten Seitenhalt geben. Die Abdeckung der Mittelkonsole, die neben zwei Getränkehaltern Stauraum für Dinge wie Portemonnaies und Smartphones bietet. Die Startfunktion arbeitet per Funk. Es reicht somit aus, den Transponder, der auch Zugang zum Auto gewährt, in die Mittelkonsole zu legen, um den Wagen per Knopfdruck zu starten. Bei den anderen Modellen von Aston Martin ist es noch notwendig, den "Schlüssel" in Form eines Glasstücks in den dafür vorgesehenen Schlitz zu stecken. Wir müssen nur noch den Startknopf drücken, um die Turbine zu starten und den Sound der zwölf Zylinder mit 5,2 Litern Hubraum losbrüllen zu lassen. Die 608 PS grollen und donnern los und sind ein Genuss für jeden Autofreak.
Rücksitze nur für Kinder geeignet
Allerdings lässt sich der DB11 auch in einem speziellen Silent Mode starten. Dabei werden die Schallklappen geschlossen, und der potente Motor gibt nicht viel mehr als ein heißeres Flüstern von sich. Das freut vor allem die Nachbarn, falls es abends einmal später wird oder man morgens in aller Herrgottsfrühe los muss. Theoretisch können dieses Vergnügen vier Fahrgäste genießen. Der Zustieg zu den hinteren Sitzen ist bequem, denn nachdem ich per Schlaufe die Rückenlehne des Vordersitzes nach vorne geklappt habe, gleitet der ganze Sitz genau, elektrisch nach vorn. Sobald die Rückenlehne aber zurückgeklappt und der Sitz nach hinten geglitten ist, wird es auf den hinteren Sitzen eng. Zu eng für einen Erwachsenen. Für Kinder reicht der Platz aber aus.
Das macht den DB11 familientauglich, denn der Kofferraum ist groß genug für Gepäck, für eine kurze Reise oder für den Alltagsbedarf mit Einkäufen. Da bleibt lediglich der kleine Haken, dass nicht so viele junge Familien den Kaufpreis von knapp 248.000 Euro für unseren Testwagen aufbringen könnten.
Das Armaturenbrett des DB11 ist wie gewohnt elegant und zurückhaltend gestaltet. Eine Reihe von fünf Knöpfen, die den Startknopf in der Mitte und den Knopf für den Rückwärtsgang beherbergt, dominiert das Bild. Als mein Fahrer das Radio anstellt, schweben rechts und links aus dem Armaturenbrett Lautsprecher und geben einen satten, hochwertigen Klang von sich. Wir genießen die Musik neben der wunderbaren Symphonie des Motors.
Von außen bietet der neue Aston Martin Lagonda ebenfalls ein faszinierendes Bild. Er wirkt flach, breit und lang gestreckt. Von hinten betrachtet, füllt er fast die komplette Fahrbahnbreite aus. Als wir den Wagen einmal auf dafür vorgesehenen Plattenspuren abstellen, ragt das Heck fast einen halben Meter darüber hinaus. Das gerundete Hinterteil mit seiner kleinen Spoilerkante und der extrem flachen Heckscheibe trägt seinen Teil dazu bei, dass der Wagen trotz des breiten Hecks elegant und schnittig wirkt. Zur Mitte hin schwingt die Karosserie in die bereits erwähnte schlanke Taille, die aber immer noch so breit ist, dass selbst zwei breit gebaute Männer wie wir ausgesprochen bequem Platz im Innenraum finden. Die Frontpartie erscheint von oben betrachtet wie ein Teufelsrochen, der abtaucht. Die Kotflügel schwingen seitlich dezent, aber ausgesprochen kraftvoll nach außen, um sich nach vorne wieder zu verjüngen. Die Motorhaube sinkt zum vorderen Ende des Autos hin ab. Der Kühlergrill wirkt eingefasst von schmalen nach oben gezogenen Scheinwerfern wie das Klischee eines netten Zeichentrick-Haifisches. Die Silhouette des DB11 wirkt flacher als er ist, das wiederum ermöglicht einen bequemen Ein- und Ausstieg.
Es ist immer leicht von einem Auto zu schwärmen, wenn man es selbst testen darf. Aber nicht nur uns geht es so, auch andere Verkehrsteilnehmer und Passanten sind vom DB11 begeistert. Ganz besonders fasziniert ist ein Autofahrer, der uns entgegen kommt. Er hält mitten auf der Fahrbahn, obwohl hinter ihm andere Autos fahren, um unser Auto im Vorbeifahren besser betrachten zu können. Und niemand hupt! Als wir ihn passieren, gibt er wieder Gas und scheint völlig fasziniert zu sein. Eine Reaktion, die wir öfter während der zehn Testtage erleben.
Eine Kurvenlage wie auf Schienen
Was ich nicht vergessen darf zu erwähnen, sind die grandiosen Fahreigenschaften des DB11. Kurven nimmt er wie auf Schienen. Auf der Straße liegt er "wie ein Brett", wie mein Fahrer nicht müde wird zu betonen. Ein Eindruck, den auch ich als Beifahrer gewinne. Andere Verkehrsteilnehmer zu überholen, ist ein Leichtes, und es ist auch gefahrlos möglich, weil die Beschleunigung der 608 PS atemberaubend ist. Bevor ich anfing, Autos zu testen, stimmte ich immer wieder in den Chor derjenigen ein, die lamentierten, dass so viele PS und so starke Motoren doch überflüssig seien. Das sehe ich inzwischen ganz anders, denn nur ein ausreichend starker Motor und eine gute Durchzugskraft ermöglichen es, gefahrlos zu überholen.
Niemand fährt diese Autos aus und donnert permanent mit mehr als 300 km/h über die Autobahnen. Es ist einfach angenehm, zu wissen, dass man ausreichende Kraftreserven zur Verfügung hat insbesondere für Extremsituationen. Dass man dabei hohe Geschwindigkeiten im DB11 kaum wahrnimmt, ist angenehm. Aber allein die Konzentration, die diese erfordern, sorgt dafür, dass niemand allzu lange oder weite Strecken mit zu hoher Geschwindigkeit fährt.
Lediglich der Preis und die niedrige Auflage des DB11 sorgen leider dafür, das nur wenige Menschen in den Genuss dieses Traumes von einem Autos kommen werden.
Michael G. Schmidt
INFO:
Aston Martin DB11
Getriebe: 8-Gang-Automatik
Hubraum: 5.204 ccm
Zylinder: 12
Leistung: 447 kw (608 PS)
bei 6.500 U/min
max. Drehmoment 700 nM bei 1.500 bis 5.000 U/min
Beschleunigung 0 - 100 km/h: 3,9 s
Höchstgeschwindigkeit: 322 km/h
Verbrauch: 11,4 l/100 km/h
Preis: ab 204.900 Euro