Die Zahl der Beschwerden gegen Autovermieter nimmt seit Jahren zu. Seit Anfang dieses Jahres gilt EU-weit eine Selbstverpflichtung, der sich die Branchenführer unterziehen. Wird das Geschäft nun fairer?
Wer häufig einen Mietwagen bucht, kennt das Problem: Was zu Hause noch wie ein Schnäppchen klang, entpuppt sich vor Ort als Mogelpackung. Zusätzliche Versicherungen, happige Benzin-Aufschläge, unverständliche Verträge wer am Schalter allzu sorglos unterschreibt, erlebt später eine böse Überraschung.
Dass solche Erlebnisse keine Einzelfälle sind, zeigt die Zahl der Reklamationen, die jedes Jahr bei den Europäischen Verbraucherzentren eingehen. Dort können sich EU-Bürger kostenlos beschweren, wenn es zu Problemen bei grenzüberschreitenden Geschäften gekommen ist. Besonders betroffen ist die Branche der Autovermieter. Dort haben sich die Beschwerden zwischen den Jahren 2010 und 2016 verdoppelt. Zuletzt beschwerten sich mehr als 2.000 Kunden über Mietwagenfirmen, von denen sie sich ungerecht behandelt fühlten.
Nun zeigen die Proteste erste Wirkung. Anfang des Jahres verurteilte die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM den Anbieter "Goldcar" zu einer Strafe von zwei Millionen Euro wegen unlauterer Geschäftspraktiken. Seit längerer Zeit arbeitet die EU-Kommission an einer Selbstverpflichtung, die Fairness und Transparenz garantieren soll. Die fünf Branchenführer (Avis, Europcar, Enterprise, Hertz und Sixt) setzen die Regeln seit Anfang 2017 um. Konkret verpflichten sich die Autovermieter darin zu folgenden Punkten:
Klarer Gesamtpreis: Wenn etwa Winterreifen gesetzlich vorgeschrieben sind, müssen diese im angekündigten Gesamtpreis enthalten sein.
Verständliche Sprache: Die Verbraucher erhalten klare Informationen über die wesentlichen Mietkonditionen, etwa über die im Preis enthaltene Kilometerzahl, Betankungsregeln, Stornierungsmodalitäten, Höhe der Kaution.
Zusatz-Versicherungen: Es muss klar angegeben werden, welche Leistungen die im Grundpreis enthaltene Versicherung beinhaltet und welche gegen Aufpreis hinzugebucht werden können und das vor Abschluss der Buchung.
Tank-Regeln: Verbraucher erhalten stets die Möglichkeit, das Fahrzeug mit vollem Tank in Empfang zu nehmen und es vollgetankt auch wieder zurückzubringen.
Schadensfälle: Es gibt ein eindeutiges Verfahren für die Kontrolle des Fahrzeugs. Den Verbrauchern werden Gründe und Nachweise für Schäden vorgelegt. Der Mieter hat die Möglichkeit, diese anzufechten, bevor die Zahlung fällig wird.
Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands begrüßt in einer Stellungnahme diese neuen Regeln. Sie führten zu einer "Weiterentwicklung der Standards". Zugleich weist der Verband darauf hin, dass 2.000 Streitfälle nur etwa 0,2 Prozent aller Vermietungen ausmachten. "Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den festgestellten Problemfällen vor allem um Anmietungen im Zusammenhang mit Urlaubsreisen handelt", so der Verband. Im Inland seien solche Regelungen "eher der Normalfall".
Sind die neuen Mietwagen-Regeln also nur ein Papiertiger? Oder hat sich seit ihrem Inkrafttreten tatsächlich etwas verbessert? Deutschlands größter Autovermieter Sixt lässt durchblicken, dass er eine solche Regelung eigentlich nicht nötig habe. Aus der Pressestelle heißt es, man habe "schon immer im Großen und Ganzen den Vorschriften entsprochen". Auch der Vermieter Enterprise betont, die meisten Richtlinien in den vergangenen beiden Jahren bereits umgesetzt zu haben. "Wir haben zum Beispiel einige Änderungen auf unseren Webseiten hinsichtlich der Informationsanzeige während des Buchungsprozesses vorgenommen", erklärt das Unternehmen.
Das für deutsche Bürger zuständige Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) in Kehl sieht die Richtlinien als Schritt in die richtige Richtung. "Grundsätzlich begrüßen wir es, dass sich große Firmen dazu bereit erklären", sagt EVZ-Jurist Patrick Oppelt. "Das Problem sind aber diejenigen, die eine solche Selbstverpflichtung nicht unterschreiben." Von 58 Beschwerden, die das EVZ im Jahr 2016 bearbeitet hat, seien lediglich 19 auf die fünf Branchenführer entfallen. "Ärger gibt es eher bei kleinen, national tätigen Unternehmen", betont Oppelt. Beim Online-Portal "billiger-mietwagen.de" wirken sich die neuen Vorschriften nur indirekt auf das Geschäft aus. "Rein juristisch sind wir nicht zuständig, weil wir nur als Vermittler auftreten", sagt Firmensprecher Frieder Bechtel. Den eigentlichen Vertrag schließe der Kunde mit dem Verleiher. "Trotzdem beschäftigen wir in der Hochsaison bis zu sechs Mitarbeiter, die sich um Reklamationen kümmern." 2016 hätten sich Kunden in einem Prozent aller Fälle beschwert vor allem wegen unnötigen Zusatzversicherungen oder langen Wartezeiten.
Nicht nur auf
den Preis schauen
Auch Bechtel sagt, mit den Branchenriesen gebe es tendenziell weniger Probleme. Er räumt aber ein, dass auch bei "billiger-mietwagen.de" Angebote von Drittanbietern auftauchen, die womöglich nicht seriös sind. "Wir haben keinen Filter, um Bösewichte auszusortieren. Das wäre vertraglich nicht möglich." Insgesamt arbeite das Portal mit 500 Mietwagen-Verleihern zusammen, die weltweit zwischen 50.000 und 60.000 Stationen vorhielten. Bechtels Tipp: "Nicht nur auf den Preis schauen, sondern immer auch auf die Bewertungen".
Den Verbraucherschützern beim EVZ reicht das nicht. Sie wünschen sich, dass die Mietwagen-Regeln auf die gesamte Branche ausgedehnt werden. Ob das tatsächlich passiert, ist derzeit aber unklar. Die EU-Kommission hält sich offiziell alle Möglichkeiten offen. Sie werde sich "insbesondere auf die Gepflogenheiten anderer Wirtschaftsakteure wie Vermittler und sonstiger Autovermietungsfirmen konzentrieren", heißt es in einer Pressemitteilung.
Bis dahin sollten sich Kunden so banal es klingt auf ihren gesunden Menschenverstand verlassen: Wenn ein Anbieter mit Tiefstpreisen wirbt, auf Bewertungsportalen aber verrissen wird, ist das "Schnäppchen" vielleicht doch nicht die beste Wahl. Es sei denn, man steht auf böse Überraschungen. Zum Beispiel beim Blick auf die Kreditkarten-Abrechnung.
Steve Przybilla
INFO: Beispiel: So helfen die neuen Regeln
Ein Kunde war während seines Urlaubs in Südfrankreich mit einem Mietwagen unterwegs. Während der Reise fuhr er über einen kleinen Stein und teilte dies der Autovermietung bei seiner Rückkehr mit. Das Auto wies keine erkennbaren Schäden auf. Der Kunde dachte, die Angelegenheit wäre erledigt, musste jedoch bald feststellen, dass seine Kreditkarte mit 600 Euro belastet worden war. Er legte Widerspruch ein. Der Autovermieter bestand jedoch auf die Bezahlung, da die "Basis-Versicherung" keine Unterbodenschäden abdecke. Diese Information war jedoch nur im Kleingedruckten angegeben.
Dank der neuen Selbstverpflichtung läuft die Prozedur jetzt anders ab. Die fünf größten Autoverleiher müssen ihren Kunden eindeutig mitteilen, welche Leistungen im Preis inbegriffen und welche Schäden nicht abgedeckt sind. Zudem müsste der Autovermieter dem Kunden die tatsächliche Reparatur-Rechnung oder eine angemessene Schätzung der Schäden schicken. Bevor sein Konto belastet wird, hätte er nun die Möglichkeit, Widerspruch einzureichen.