Wer behauptet, dass ein Ferrari rot sein muss, sollte seine Meinung überdenken. Wir haben den Ferrari 488 GTS Spider getestet. Ein echter Rennwagen mit 670 PS und einer Spitzengeschwindigkeit von mehr als 315 km/h wie immer aus der Sicht des Beifahrers.
Der Ferrari 488 GTS ist so ein beeindruckendes Auto, dass ich spontan hin und weg bin. Wir gehen über einen großen Platz auf "unseren" Ferrari 488 GTS zu. Er strahlt uns im Sonnenschein entgegen. Nicht etwa im typischen Ferrari-Rot, nein in Gelb die perfekte Farbe für diesen Flitzer. Seine Faszination übt das Auto auch auf andere Menschen aus, denn als wir uns dem 488 GTS nähern, ist er von einer Traube aus Schaulustigen umlagert. Es stehen noch etliche andere Ferraris um "unseren" herum, doch dieser zieht die Aufmerksamkeit auf sich wie ein Magnet Eisen anzieht. Zwischen der Fronthaube und dem vorderen Spoiler sorgen große Lufteinlässe für eine Belüftung des Motors. Die Haube ist flach, sodass ich sie vom Beifahrersitz aus nicht mehr sehen kann. Lediglich die nach oben geschwungenen Kotflügel, die riesige Räder beherbergen, sind von drinnen noch zu sehen. Die Räder ragen sogar ein wenig in den Bereich hinter dem Ansatz der Windschutzscheibe hinein. Auf den Kotflügeln ziehen sich Scheinwerfer bis kurz vor den Ansatz der Frontscheibe, die sich gewölbt nach hinten neigt.
Jedes unnötige Gramm eingespart
Rechts und links finden sich Außenspiegel, die die typische Form wie bei einem Rennwagen haben. Von der Mitte der Tür zieht sich eine Sicke, also eine Vertiefung in der Außenhaut, bis zu den hinteren Kotflügeln, die riesige Lufteinlässe für den Motor haben. Am Heck finden sich Räder der Breite 305 jede Dampfwalze wäre stolz auf diese Dinger. Am Heck des Wagens erstrecken sich zwei Erhebungen, jeweils direkt hinter den Kopfstützen in abfallender Linie nach hinten. Dazwischen finden sich erneut zwei Lufteinlässe, die ein dritter Lufteinlass, der quer vor der Spoilerkante liegt, ergänzt.
Das Heck selbst zieren die für Ferrari typischen, runden Heckleuchten. Außerdem zwei Auspuffrohre und senkrechte Finnen, die den Luftstrom am Unterboden optimieren. Im Vergleich zur Fronthaube steht das Heck in einem Verhältnis von 2:1. Das heißt, dass es etwa doppelt so lang ist wie die Front, was einen besonderen optischen Reiz ausmacht.
Im Inneren empfangen uns Schalensitze aus Carbon, die mit schwarzem, weichem Leder bezogen sind. Die Kopfstützen sind in die Rückenlehne integriert, und ein senkrechter gelber Streifen, der extra abgesteppt ist, ziert die Mitte der Sitze. Ein Merkmal, das ich sonst als störend empfunden hätte, passt hier perfekt hinein. Die Sitze wiegen nur 20 Kilogramm, wie die Pressesprecherin von Ferrari, Tammy Haines, extra betont. Das ist für die Rennversion wichtig, weil dieser Wagen besonders auf Leichtigkeit getrimmt ist. "Alles, was nicht unbedingt notwendig ist, findet sich auch nicht in diesem Auto", betont Haines. So haben wir kein Navi, keinen Touchscreen, und unsere Sitze sind manuell einstellbar.
Wir vermissen nichts. Im Gegenteil, wir genießen den Purismus, der mit feinen Details wie den gelben Steppnähten, die im ganzen Innenraum das Leder zieren, verfeinert ist. Als Beifahrer habe ich ein erstaunlich großes Handschuhfach vor mir und den Schriftzug 488 GTS, der am Armaturenbrett prangt. Die Luftauslässe sind zwischen Carbon und Leder eingefasst. Das Armaturenbrett neigt sich mit seinen Bedienelementen vollständig dem Fahrer zu und erinnert mich an eine Gestalt, die eine tief in die Stirn gezogene Kapuze trägt und Fledermausflügel ausbreitet. Ein Muss, damit der Fahrer auch bei Sonnenschein und geöffnetem Dach seine Instrumente gut ablesen kann.
Die Mittelkonsole ist schmal, und eine wenige Zentimeter breite geschwungene Brücke aus Carbon enthält einige Bedienelemente. Darunter sind auch drei Fensterheber. Ja, Sie haben richtig gelesen, denn das Heckfenster lässt sich auch bei geschlossenem Dach separat öffnen, damit der Frischluftfan auch bei warmem Regen auf seine Kosten kommt.
Überrascht hat mich das Staukonzept von Ferrari. Der Kofferraum ist nicht besonders groß, aber eine Getränkekiste und den persönlichen Einkauf bekommt der Fahrer gut unter. Wollen zwei Personen verreisen, ist das auch kein Problem. Mit passendem Gepäck lässt sich einiges mitnehmen, sogar hinter den Sitzen findet sich noch Platz für Reisetaschen, sodass ein einwöchiger Urlaub zu zweit gut zu bewältigen sein sollte. Die Sitze sind ohnehin so ausgezeichnet geformt, dass wir vollkommen ermüdungsfrei darin Platz finden.
Der Ein- und Ausstieg ist mit der richtigen Technik kein Problem. Den bekomme ich sogar mit meinen "Unterarmgehhilfen", ich nenne sie schlicht Krücken, hin. Denn die brauche ich zurzeit. Sie finden sogar im Innenraum Platz. Um einzusteigen, lehne ich mich einfach an die Rückenlehne des Sitzes, stelle meine Füße davor und lasse mich auf den Sitz gleiten. Dann muss ich nur noch nach meinen Krücken greifen und sie in den Innenraum hieven. Um auszusteigen, stütze ich mich erneut an der Rückenlehne ab und bekomme einen eleganten Ausstieg hin. Somit sind Alter oder Gebrechlichkeit kein Argument, um keinen Ferrari zu fahren.
Beschleunigung
von 0 auf 100 km/h
in drei Sekunden
Seine wahre Faszination entwickelt der Ferrari 488 GTS, wenn er fährt. Mit einer Beschleunigung von drei Sekunden auf Tempo 100 km/h presst er mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft aus den Lungen und den Rücken in den Sitz. Da wirken beeindruckende Kräfte. Die Beschleunigung ist größer als die eines Phantomjets, und der Druck, der auf den Insassen lastet, ist größer als die Anziehungskraft der Erde. Absolut faszinierend.
Ein dumpfes Donnergrollen begleitet diesen Vorgang und ist für Liebhaber eines knackigen Motorensounds die reinste Symphonie. Der 488 GTS kann aber auch samtweich mit 150 km/h über die Autobahn schweben, wenn gerade kein neuer Vortrieb gefragt ist.
Überraschend finde ich, dass man in diesem Ferrari die Geschwindigkeit gar nicht bewusst wahrnimmt, wie etwa in vielen anderen Sportwagen. Bei Tempo 280 km/h halte ich meine Arme aus dem geöffneten Dach und ziehe sie ganz schnell wieder zurück, weil der Wind mit brachialer Gewalt daran reißt. Hätte ich vorher gewusst, wie schnell wir fahren, hätte ich das nicht getan. Der Ferrari 488 GTS liegt wie ein Brett auf der Straße. Auch schnell gefahrene Kurven sind kein Problem für ihn. Die Sitze geben perfekten Seitenhalt, und ich habe dauerhaft ein sicheres Gefühl beim Fahren. In einer Serpentine weht irgendwann einmal der Geruch verbrannten Gummis zu mir nach vorne gemerkt habe ich davon nichts.
Unterhaltungen sind bis zu 250 km/h offen gefahren möglich, aber nicht besonders angenehm. Wenn Seitenwind aufkommt, ist das für unseren Rennwagen auch kein Problem. Nur meine Brille muss ich im Sturm der Geschwindigkeit, der sich mit dem Seitenwind paart, einmal festhalten, damit sie mir nicht von der Nase weht.
Auch geschlossen ist der Ferrari ein absoluter Blickfang, und auch so ist es ein Genuss, diesen Rennwagen zu fahren. Das Dach öffnet sich per Knopfdruck automatisch und faltet sich im Heck zusammen. Woran wir uns erst ein wenig gewöhnen müssen, ist die Tatsache, dass wir uns wie Stars vorkommen, wenn wir in diesem Auto fahren. Überall, wo wir hinkommen, zücken die Leute sofort Handys und Fotoapparate um uns, naja vielleicht eher den Wagen, zu fotografieren. Während ich das amüsant finde, ist mein Fahrer Frank davon schon ein wenig genervt. Wer das nicht mag, der sollte den Ferrari 488 GTS vielleicht doch lieber in Rot kaufen, denn das fällt nicht ganz so sehr auf.
Frank, der ein erfahrener Ferrari-Pilot ist, sagt zu dem Wagen, dass er "ein gut erzogenes wildes Tier" sei. Das spricht auch aus der Sicht des Fahrers für unseren Testwagen.
Einen Ferrari zu fahren, macht uns immer Spaß, weil der italienische Fahrzeugbauer einfach faszinierende Autos fertigt. Der 488 GTS hat aber ohne Frage den nachhaltigsten Eindruck aller bisher getesteten Ferraris hinterlassen. Wer knapp 230.000 Euro entbehren kann, der sollte sich den Ferrari 488 GTS Spider gönnen vor allem in Gelb.
Michael G. Schmidt