Schon immer stand Jaguar für schicke englische Autos der Luxusklasse. Ein moderner Jaguar ist elegant, flach und gestreckt. Wir haben den Jaguar XJ R aus der Sicht des Beifahrers getestet.
Der Jaguar XJ R geizt nicht mit Reizen jeglicher Art. Er sieht elegant aus. Seine Karosserie ist lang gestreckt und mutet flach an. Obwohl er auf Understatement setzt, ist nicht zu übersehen, dass hier ein kraftvolles Auto kommt. Die Front wirkt mit dem rechteckigen Kühlergrill wuchtig, imposant. Die Ecken sind gerundet, und seitlich fassen flache, lang nach hinten gezogene Scheinwerfer ihn ein. Unterhalb des Stoßfängers sorgen drei weitere Öffnungen für die Belüftung des Motors. Damit nicht genug, hat die Motorhaube des R-Modells auch noch vier Lufteinlässe, um die unbändige Kraft der 550 PS, die aus fünf Litern Hubraum erwachsen, zu beatmen. Seitlich sorgen in den Kotflügeln zwei waagerechte Schlitze für Luftzufuhr. Alle Öffnungen dort sind an den Rändern dezent verchromt. Die beiden Türen konturiert eine kaum wahrnehmbare Falte im unteren Teil, die zum hinteren Kotflügel hin ausläuft. Den Abschluss bildet nach unten ein leicht angedeuteter Seitenspoiler, der für eine bessere Straßenlage sorgt.
Stärkste Motorisierung
Die Windschutzscheibe ist riesig und neigt sich dem Dach zu, das bereits hinter den Vordersitzen zum Heck abfällt. Am Heck begrenzt ein angedeuteter Spoiler die Karosserie. In den breit ausgestellten Kotflügeln der Hinterachse finden sich schwarze 20-Zoll-Räder. Die Rückansicht des XJ R ist beeindruckend. Durch seine große, senkrechte Fläche vermittelt sie den Eindruck, als wolle sie nachfolgenden Autos ein Stopp-Signal setzen. Der riesige im Sprung gestreckte Jaguar macht zusätzlich deutlich, dass hier eine englische Sportlimousine unterwegs ist. Die vier Auspuffrohre zeigen auch Unkundigen, dass dieses Auto stärker motorisiert ist als der Durchschnitt auf den Straßen. Für Kenner, die genau hinsehen, weist das kleine "R" am Heck und im Kühlergrill noch darauf hin, dass es sich um die stärkste Motorisierung dieses Typs handelt.
Obwohl der Jaguar XJ R lang und beeindruckend in seinem Auftritt ist, wirkt er aus jeder Perspektive elegant und leichtfüßig. Von hinten betrachtet unterstützen die sich zur Mitte verjüngenden Linien diesen Eindruck. Das Kofferraum-Volumen leidet nicht darunter. Zwei Schalen-Reisekoffer und eine kleine Reisetasche finden hier Platz.
Eine Überraschung erlebe ich, als ich mich in den Jaguar XJ R hineinsetze, denn ich lande viel früher auf dem Sitz als erwartet. "Naja", denke ich, "da hat wohl ein kleiner Mensch vor mir gesessen." Doch dem ist nicht so. Der Sitz ist schon fast ganz nach unten gefahren, und ich kann mit meinen 183 Zentimetern Körpergröße mit guter Kopffreiheit auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Besonders angenehm ist dieser Umstand beim Aussteigen, denn trotz der geduckt erscheinenden Karosserie des Autos, sitze ich relativ hoch. Der Ausstieg ist auch nach langen Strecken elegant und komfortabel zu bewältigen.
Im Innenraum fühlen wir uns gleich wohl wie im eigenen Wohnzimmer. Die Sitze sind einfach perfekt. Wir können sie in allen erdenklichen Bereichen an unsere Körper anpassen, und die Sitzheizung heizt ohne Zeitautomatik, bis zum Ausschalten. Herrlich! Gerade in der kalten Jahreszeit. Der Innenraum ist mit beigem und schwarzem Leder ausgestattet. Dabei findet sich das Beige auf den Sitzflächen wieder. Die Ränder der Sitze sind in schwarzem Leder gehalten, genauso wie das Armaturenbrett. Die Decke kleidet schwarzer Velours. Das Handschuhfach fasziniert mich auf Anhieb, denn es lässt sich per Sensorknopf öffnen. Das habe ich noch nie gesehen, und es macht die Bedienung ausgesprochen komfortabel. Eine weitere Besonderheit bietet der Jaguar oder eben nicht, denn er hat keine Haltegriffe an der Decke. Eine optisch wohltuende Unterlassung, die auf Grund des exzellenten Seitenhalts der Sitze aber auch sein darf.
Intuitives Bedienkonzept
In der breiten Mittelarmlehne finden wir im hinteren Teil ein großes Staufach mit zwei USB-Anschlüssen und einem Zwölf-Volt-Stecker. Es freut mich, dass hier jemand an den Beifahrer gedacht hat, der sein Smartphone laden kann, obwohl der Fahrer seins schon angeschlossen hat. Vor dem Ablagefach befinden sich auf der Seite des Beifahrers zwei Getränkehalter, die unter einer lamellenartigen Abdeckung verschwinden. Der Fahrer findet daneben eine elektronische Handbremse und ein Bedienrad, mit dem er etliche Funktionen zur Verfügung hat. Die Mittelkonsole des Armaturenbretts hält für uns ein großes berührungsempfindliches Display bereit, das für Radio, Navigation, Sitzheizung und etliche andere Dinge gut ist. Was in der Mittelkonsole nicht aus schwarzem Klavierlack gestaltet ist, ist aus Chrom. Echter Chrom, kein Kunststoff.
Die hintere Bank bietet allen Komfort, den wir auf den vorderen Sitzen auch haben. Hier kann ich auch von der Sitzheizung bis zur Klimatisierung alles individuell regeln. Die Rückbank ist für drei Personen ausgelegt. Allerdings sollten die Passagiere für längere Strecken nicht allzu lange Beine haben, das könnte dann zu eng sein.
Nicht nur der Gesamteindruck des Jaguar XJ R ist wirklich beeindruckend, sondern auch sein Innenleben. Der erste Blick offenbart jede Menge Schalter. Doch schon nach kurzer Zeit bedient unser Fahrer den Touchscreen virtuos und die Schalter wie Chopin seine Klaviatur. Es scheint den Machern des Autos ein intuitives Bedienkonzept gelungen zu sein.
Als wir den Wagen zum ersten Mal starten, posaunt der Motor unverkennbar seine Kraft in die Welt das Brüllen des Jaguars im Dschungel der Stadt. Die Beschleunigung ist faszinierend, zumal es sich hier um eine Limousine handelt, von der wir zwar sportliche Eigenschaften erwarten, aber nicht so sportliche. Auf der Autobahn ist es ein Genuss zu überholen, denn schon ein leichtes Antippen des Gaspedals lässt uns rasant und sicher an anderen Autos vorbeiziehen. Wir müssen nicht schnell fahren, wollen es nicht, tun es aber doch immer wieder unbewusst. Oft genug sind wir überrascht, wie weit wir schon gekommen sind, obwohl wir kaum unterwegs zu sein glaubten. Das mag eine Mischung daraus sein, dass wir die Geschwindigkeit als geringer wahrnehmen als sie es wirklich ist. Es kann aber auch an dem wohligen Gefühl liegen, mit dem wir in dieser Limousine reisen.
360-Grad-Kameras sorgen für perfekten Rundumblick
Schön ist auch, dass der Jaguar XJ R nicht protzig wirkt. Neben diversem Luxus für die Insassen verfügt unser Testfahrzeug auch über praktische 360-Grad-Kameras, die uns einen perfekten Rundumblick ermöglichen, ohne dass jemand aussteigen und winken muss. Das wissen wir ganz besonders zu schätzen, als wir in Hamburg von der Elbchaussee an die Elbe gelangen wollen. Von dort führen etliche kleine Sträßchen zur Elbe hin. Eines dieser kleinen Sträßchen führt uns leider in eine private Tiefgarage. Peinlich genug. Noch schlimmer kommt es, als wir rückwärts wieder hinausfahren wollen und der Besitzer direkt hinter uns mit seinem Wagen auftaucht. Wir müssen in die Tiefgarage hineinfahren und dort wenden, was uns ohne die Kameras deutlich schwerer gefallen wäre. Zum Glück trägt der Herr den Vorfall mit Humor und gibt uns noch Tipps, wie wir aus dieser Lage am besten wieder herauskommen.
Nachdem wir den "normalen" Fahrmodus ausgiebig getestet haben, probieren wir den Sportmodus aus. Ein leichter Druck auf den Knopf mit dem karierten Fähnchen, und umgehend drehen die Hinterräder durch und wir schießen wie eine Rakete nach vorn. Dennoch hält der Jaguar einwandfrei seine Spur. Aus Versehen haben wir statt des Sportmodus den Racing-Modus aktiviert, der eigentlich nur für Rennstrecken gedacht ist. Dabei schaltet das System sämtliche Fahrassistenten aus, so auch die Anti-Schlupf-Regelung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Jaguar seiner Tradition als englische Limousine immer noch gerecht wird. Der Jaguar XJ R kann als Chauffeurlimousine zum Einsatz kommen, dann aber lieber in der Langversion. Gleichzeitig ist er ein reinrassiger Sportwagen, dessen Leistungsdaten sich sehen lassen können. Seine Insassen müssen auf keine Annehmlichkeit verzichten und können sich rundum wohlfühlen.
Michael G. Schmidt
INFO:
Jaguar XJ R
Hubraum: 5.000 ccm
Zylinder:
Leistung: 405kW/550 PS
Getriebe: Achtstufen-Automatik
Beschleunigung 0 100 km/h: 4,6 s
Höchstgeschwindigkeit: 280 km/h
Verbrauch: 11,1 l
Co?-Emission: 264g/km
Preis Testversion: 147.891 Euro