Nach ein paar Augenblicken hatte die Tour de France Schengen an der luxemburgisch-saarländischen Grenze hinter sich gelassen. Was bleibt? Bürgermeister Ben Homan ist mit dem Image-Gewinn seiner kleinen Gemeinde zufrieden.
Strampeln quer durch Europa: Die Tour de France begeistert die Massen. Jedes Jahr, wenn der Tourverlauf des renommiertesten Radrennens der Welt bekanntgegeben wird, blicken nicht nur die französischen Städte und Gemeinden gespannt auf die Entscheidung. Auch die Nachbarländer wünschen sich, Start- oder Zielort oder zumindest Durchfahrtstation des riesigen Radsportspektakels zu werden. So wie in diesem Jahr Düsseldorf, Lüttich, Luxemburg und Schengen. Von dem großen Hype, der um die Tour gemacht wird, wollen die Kommunen trotz der vielen Nackenschläge der vergangenen Jahre durch Dopingfälle einen Teil vom Kuchen abhaben. Schließlich elektrisiert die "Große Schleife", wie die Tour auch genannt wird, nach wie vor, zieht Touristen an und lässt sich prima ausschlachten, um das Image einer Kommune ein wenig aufzupolieren.
Schon Wochen zuvor überlegen sich die eigens gegründeten Stäbe und Arbeitsgruppen in den Rathäusern, wie sie die Tour gewinnbringend für ihren Ort nutzen können. Während das rund 220 Mann große Fahrerfeld sowie die Begleitfahrzeuge in wenigen Minuten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 40 Stundenkilometern durchrauschen, dauern die Vorbereitungsarbeiten oft Wochen. Man muss schon einen Platz ganz vorne ergattern und genau hinschauen, wenn man einen Fahrer aus dem Pulk erkennen will. Doch die Vorfreude ist bekanntlich am größten, und so verwandeln Stunden zuvor Organisatoren, Radsportfans und die vielen Besucher die Orte in regelrechte Partymeilen mit Essensständen, Getränkewagen, Andenkenläden, Livemusik und Showprogramm, Unterhaltung wie auf einem Karnevalsumzug. Bonbons, Getränke, Fähnchen, Kappen, Give-aways werden lautstark mit Musik von den "Umzugswagen" an die ausharrenden Zuschauer verteilt.
Eine Werbekarawane mit zweistündigem Programm, die mit rund 170 Fahrzeugen, die über 3.500 Kilometer durch ganz Frankreich und die übrigen Tour-Staaten rollt. 23.000 Polizisten sorgen für Sicherheit, mehr als 2.000 akkreditierte Journalisten aus aller Welt berichten in 190 Ländern, über 34 Millionen Besucher an der Strecke, wie die Tourleitung angibt.
Ein Megaspektakel, das in diesem Jahr auch knapp am Saarland vorbeifuhr. Am 4. Juli führte die vierte Etappe vom luxemburgischen Mondorf-les-Bains nach Vittel. Wenige Kilometer nach dem Start rollte die Tour durch Schengen im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Luxemburg. Selbst der Gipfel der Großregion fand am Morgen im Schengenmuseum statt, sodass politische Prominenz vor Ort gesichert war. Nach kurzer Zeit war das Spektakel vorüber, das Rad dreht sich in Schengen auch ohne die Tour weiter.
Eine Frage jedoch bleibt: Hat das Event einen erkennbaren Effekt auf kleine Örtchen entlang der Tour wie beispielsweise Schengen? Im FORUM-Interview zeigt sich Bürgermeister Ben Homan fest davon überzeugt auch wenn der Ort überhaupt kein Hotel hat:
Herr Bürgermeister, braucht Schengen eigentlich noch Imagewerbung?
Ganz klar ja. Wir haben jedes Jahr zwischen 40.000 und 50.000 Besucher aus aller Welt in Schengen. In diesem Jahr dürften es sicherlich noch mehr sein. Mit der Tour de France in Schengen wollen wir auch ein Zeichen für Europa setzen. Unsere Gemeinde steht für ein Abkommen, das in Europa einzigartig ist und um das uns die Welt beneidet. Freizügigkeit, wie es das Schengener Abkommen von 1985 vorsieht, ist ein besonderes Gut. Das muss immer wieder ins Gedächnis gerufen werden.
Was hat die Tour de France konkret für Schengen gebracht?
Sie sehen ja, wie viele Menschen heute hierhergekommen sind, um beim größten Radsportevent dabei zu sein. Es ist aber auch etwas für die jungen Menschen. Was kann es Schöneres geben für die Schüler des deutsch-luxemburgischen Schengen-Lyzeums Perl, den Beginn der Ferien bei der Tour de France zu feiern. Europa ist Zukunft und wichtig für die jungen Menschen.
Was haben die Werbemaßnahmen für Schengen gekostet?
Wir haben T-Shirts mit dem Aufdruck "Schengen is alive". Diesen Slogan haben wir sowohl auf dem Dach des Museums als auch auf dem Fußballfeld angebracht. Für rund 10.000 Euro haben wir eine Top-Gegenleistung bekommen. Es wird ja auch in den Printmedien, im Fernsehen, im Hörfunk und im Internet über Schengen berichtet. Die französische Radsportlegende Bernard Thevenet, der in den 70er-Jahren zwei Mal die Tour gewann, hat kurz vor der Durchfahrt symbolisch ein gelbes Schloss am Denkmal in Schengen angebracht als sichtbares Zeichen für Europa und als Erinnerung an die Tour.
Wie sehen die rund 4.800 Einwohner der Gemeinde Schengen diesen Hype nicht nur um die Tour, sondern auch um Schengen selbst?
Als der Vertrag von Schengen unterzeichnet wurde, hieß die Gemeinde noch Remerschen, wo sich auch das Rathaus befindet. Seit 2006 sind neun Ortsteile zur Gemeinde Schengen fusioniert. Der bekannte Name Schengen ist Programm. Für unsere neun Ortsteile ist Europa gelebter Alltag und Freizügigkeit oder grenzenloses Reisen, wie es das Schengener Abkommen vorsieht, eine Selbstverständlichkeit. Es ist so selbstverständlich, dass viele Mitbürger die Inhalte des Abkommens schon gar nicht mehr so genau kennen.
Hat Schengen eigentlich Hotels?
Hotels nicht, aber eine Jugendherberge. Trotzdem kommen Menschen aus aller Welt hierher zu uns. Schengen ist nach Bethlehem das bekannteste Dorf der Welt.
Und wie radsportaffin sind die Schengener?
Luxemburg hat immer wieder gute Fahrer hervorgebracht. Jüngst die Gebrüder Schleck. Sie sind jahrelang bei der Tour vorne mitgefahren. Deshalb ist Mondorf-les-Bains, wo ein Bruder der ehemaligen Radprofis Schleck stellvertretender Bürgermeister ist, schließlich auch Startort der 4. Etappe geworden.
Sie sind schon lange in der Kommunalpolitik tätig. Wie lange noch?
Seit 24 Jahren bin ich in der Kommunalpolitik tätig. Bei den nächsten Kommunalwahlen im Herbst werde ich aber nicht mehr antreten.
Armin Neidhardt