Im Kalten Krieg flog die DDR mit der Interflug von Schönefeld, die Lufthansa durfte weder in Tegel noch in Tempelhof landen. In dieser Zeit wurde Air Berlin gegründet. Allerdings nicht in Berlin.
Es war das Jahr 1979, als die Fluggesellschaft Air Berlin mit einer Boeing 707 das erste Mal von West-Berlin aus aufstieg. Das Flugziel damals: Palma de Mallora. Wer hätte von einer Charterfluggesellschaft, die in Deutschland abhebt, auch anderes erwartet? Doch so deutsch beziehungsweise berlinerisch der Unternehmensname auch klingt: Air Berlin ist keine originär deutsche Fluggesellschaft, sondern wurde 1978 im US-Bundesstaat Oregon gegründet und zwar von einem ehemaligen Pan-Am-Piloten namens Kim Lundgren, ebenfalls US-Amerikaner. Der Firmensitz der "Air Berlin Inc." befand sich offiziell in Miami, Florida. Durch die Gründung in den USA war es der Airline erlaubt, die West-Berliner Flughäfen anzufliegen. Aufgrund der alliierten Lufthoheit durften dies bis zur Wiedervereinigung 1990 nur Fluglinien der vier Siegermächte.
Der Weg bis zur zweitgrößten deutschen Airline
Als nach dem Mauerfall dann auch andere Luftfahrtgesellschaften insbesondere auch die Lufthansa Berlin wieder anfliegen konnten, bekam Air Berlin 1991 eine offizielle Zulassung des Luftfahrt-Bundesamtes. Zusammen mit Kim Lundgren gründete der ehemalige LTU-Manager Joachim Hunold die "Air Berlin GmbH & Co. Luftverkehrs KG". Anfangs starteten 15 Flüge pro Tag. Der Deutsche Hunold wird nicht nur Anteilseigner, sondern übernimmt auch die Position des Geschäftsführers für die nächsten 15 Jahre. 1998 steigt die Airline mit dem Mallorca-Shuttle ins Linienfluggeschäft ein. Der Start erfolgt von zwölf deutschen Flughäfen. Im Jahr 2003 wird Air Berlin gemessen an der Zahl der Passagiere zur zweitgrößten Airline der Republik nach der Lufthansa.
Niki, dba und LTU: Beteiligungen und Käufe
2004 übernimmt Air Berlin 24 Prozent von Niki, der österreichischen Fluggesellschaft, die einst Niki Lauda gegründet hatte. Die Komplettübernahme der Niki erfolgt dann 2010.
Mit dem Börsengang 2006 wird Joachim Hunold Vorstandschef (CEO) der Aktiengesellschaft "Air Berlin PLC", bevor er seinen Posten 2011 an den ehemaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn abgibt.
Ebenfalls 2006 übernimmt Air Berlin die Fluggesellschaft dba (Deutsche BA), 2007 dann auch die LTU.
Sparprogramme und Die "Oneworld Alliance"
Im Zuge der Finanzkrise gerät das Wachstum der Air Berlin Ende 2008 erstmalig ins Stocken. Das Unternehmen legt ein Sparprogramm auf und möchte seine Flotte reduzieren. Neben der Übergabe des CEO-Postens von Joachim Hunold an Hartmut Mehdorn folgt im September 2011 ein weiteres Sparprogramm. Das Effizienzkonzept trägt den Namen "Shape & Size" (Form und Größe) und enthält Streckeneinstellungen sowie die Flottenreduzierung um zehn Prozent. Kurz vor Weihnachten desselben Jahres erhöht die Etihad Airways ihren Anteil an Air Berlin von 2,99 auf 29,21 Prozent und avanciert damit zum größten Einzelaktionär. Beide Airlines zusammen bedienen nun 239 Ziele in insgesamt 77 Ländern.
2012 wird Air Berlin Vollmitglied der Luftfahrtallianz "Oneworld Alliance", zu der unter anderem auch die American Airlines, British Airways, Cathay Pacific, Quantas, Iberia und Finnair gehören. Dadurch ist das sogenannte Interlining möglich. Das heißt, Fluggesellschaften können nicht nur ihre eigenen Flüge, sondern auch die eines Partners mitvermarkten. Dadurch erweitert sich das Flugzielangebot, und die Auslastung der Flugzeuge wird verbessert. Der Kunde kann dementsprechend auf zusätzliche Umsteigeverbindungen zugreifen.
Mit dem neuen Konzernchef Wolfgang Prock-Schauer wird im Januar 2013 das Spar- und Sanierungsprogramm erneut verschärft. Bereits im Februar 2015 wird Stefan Pichler Nachfolger von Prock-Schauer. Das Konzernergebnis für das Jahr 2015 liegt bei einem Minus von satten 447 Millionen Euro ein Rekordverlust.
Entlassungen und Flugzeug-Vermietungen an Lufthansa
2016 wird bekannt, dass ein Teil der Air-Berlin-Flotte zusammen mit den Crews an Lufthansa vermietet werden soll. Bei Vermietungen dieser Art spricht man von einer "Wet-Lease" (wörtlich: "Feuchtmiete", im übertragenen Sinne: "Warmmiete"), zu der neben Flugzeug- und Cockpit-Crew auch das Kabinenpersonal, die technische Wartung, Versicherung und Betriebskosten zählen. Air Berlin wird im Zuge des im September 2016 unterzeichneten Wet-Lease-Abkommens 38 Flugzeuge der A320-Familie mit einer anfänglichen Laufzeit von sechs Jahren an Tochterunternehmen der Lufthansa Group, de facto an Eurowings, vermieten. Dazu Christian Liepack, Pressesprecher bei Air Berlin: "Durch die Flottenanpassung reduziert Air Berlin den bestehenden personellen Kapazitätsüberhang im Flugbetrieb bei gleichzeitigem Beschäftigungsschutz. Darüber hinaus werden die Restrukturierungskosten gesenkt."
Zur Umstrukturierung gehören auch Entlassungen, wie das Unternehmen im September 2016 ankündigt: "Die Verkleinerung des operativen Geschäfts von Air Berlin bedingt eine strukturelle Anpassung der Personalkapazität von bis zu 1.200 Stellen." Ob der Plan, Air Berlin gesund zu schrumpfen, in einem Markt der von Preiskämpfen und immer größerer Konzentration geprägt ist, letztlich erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten.
Wirtschaftszentren in europa und usa-geschäft
Ab dem Sommer wird Air Berlin mit 40 Flugzeugen der Airbus A320-Familie und 18 Flugzeugen des Typs Bombardier Q400 (zweimotorige Turboprop-Regionalflugzeuge) die wichtigsten europäischen Wirtschaftsstandorte anfliegen (Kurz- und Mittelstrecke). Mit ihren 17 großen Maschinen des Typs Airbus A330-200 deckt Air Berlin weiter Langstreckenziele ab. Dazu gehören vor allem die Direktverbindungen in die USA. Bereits jetzt fliegt täglich ein Airbus A 330 nach New York. Die Maschine startet um 13 Uhr deutscher Zeit in Tegel und landet um 16 Uhr Ortszeit auf dem John F. Kennedy Airport. Bei kurzen Rollzeiten und genügend Rückenwind schafft man es so von Reinickendorf zu einem Hotel in Manhattan-Midtown in unter neun Stunden.
Ab Mitte April fliegt Air Berlin dann zweimal täglich nach New York. Miami wird aktuell dreimal wöchentlich angeflogen, ab Mitte April fünfmal. Im Mai folgen die Destinationen San Francisco und Los Angeles mit drei beziehungsweise vier wöchentlichen Direktflügen. Der zweitgrößte amerikanische Flughafen, Chicago OHare, wird bereits jetzt fünfmal die Woche nonstop von Tegel aus angeflogen. Insgesamt bietet Air Berlin ab dem Sommerflugplan 84 Nonstop-Flüge pro Woche zu acht wichtigen Zielen in den USA. Dazu zählen auch Boston, Fort Myers und erstmals Orlando. Die Langstreckenflotte, die bei Air Berlin aus derzeit 14 Flugzeugen des Musters Airbus A 330-200 besteht, wird zum Sommer um drei weitere Maschinen dieses Typs ergänzt.
Ungestörtes Arbeiten in der Business Class
Ein spezielles Highlight, mit dem Air Berlin punkten will, ist die Business Class auf der Langstrecke. Anders als bei manchem Wettbewerber stehen die Einzelplätze an den beiden Seiten der Kabine jeweils schräg versetzt, so dass man keinen direkten Sitznachbarn neben sich hat. Wettbewerber der Airline haben hier lange auf eine V-Anordnung von jeweils zwei nebeneinander angebrachten Sitzen gesetzt, die bisweilen dazu führte, dass sich die Füße zweier Reisender unweigerlich berührten. Bei Air Berlin hingegen soll unerwünschte Nähe ausgeschlossen sein. Christian Liepach: "Wir möchten dem Gast seine maximale Privatsphäre bieten." In der Tat: Geschäftsreisende können während eines Fluges Texte schreiben oder Tabellenkalkulationen bearbeiten, ohne die Blicke anderer Mitreisender auf den eigenen Bildschirm befürchten zu müssen. Wer zu zweit reist und gerne zusammensitzt, findet in der Mitte der Kabine Doppelsitze. Air Berlin investiert aktuell weiter in diesen Bereich: "Im April fliegen die ersten Airbus A330-200 mit einer nochmals optimierten Business Class. Die komfortablen Full-Flat-Sitze mit 180 Zentimeter Liegefläche werden sukzessive vom Nachfolgermodell abgelöst. Die neuen Sitze bieten mehr Ablagefläche und unterstützen so den Reisekomfort der Passagiere", erklärt Liepack. Die von vielen Reisenden geschätzte mehrstufige Massagefunktion bleibt dabei weiter erhalten, genauso wie das obligatorische Inflight-Entertainment-System.
Mit der Konzentration auf das Kerngeschäft, der Flottenvermietung sowie dem Ausbau des USA-Geschäftes will Air Berlin in die Erfolgsspur zurückkehren. Die Business Class der Langstreckenflotte kann bei der kaufkräftigen Kundschaft mit ihrem auf besondere Diskretion ausgerichteten Konzept punkten. So könnte der Turnaround bei Deutschlands zweitgrößter Airline doch noch gelingen.
Von Frank M. Wagner
WIRTSCHAFT
Emmanuele Contini 2017 (C)
Die wechselhafte Geschichte Einer Airline
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