Mercedes hält trotz seiner angekündigten Elektrostrategie dem Diesel die Treue zumindest in einer Übergangszeit. 2017 kommt ein neuer Sechszylinder.
Der König ist tot, es lebe der König. So in etwa lässt sich die Einstellung des Autoerfinders zum Diesel beschreiben. Der Selbstzünder ist und bleibt bei Mercedes der Antrieb fürs Geschäft für Vielfahrer. Und so einer wird nicht einfach für tot erklärt. Doch Treueschwüre reichen nicht. Kunden und Aktionäre wollen wissen, wie Mercedes sich in Zukunft aufstellt. Es geht um den Übergang ins Zeitalter der Elektromobilität. Geliefert hatte der Konzern schon mal im Frühjahr dieses Jahres. Just in dem Moment, als das Image des Diesels am Boden schien, enthüllte Mercedes einen neu entwickelten Vierzylinder Reihendiesel für die E-Klasse, der in Fachkreisen durchaus für Anerkennung in Sachen Effizienz sorgte. OM 654 heißt der Selbstzünder, Mercedes beziffert seine Motoren seit den 50er-Jahren nach einer solchen Nomenklatur.
2017 kommt mit dem OM 656 der nächste Imagepolierer seines Genres. Der Dreiliter-Sechszylinder ist zwar ein Diesel für die besseren Parkplätze der Kunden, aber nichts Unvernünftiges. Obwohl im Vergleich zum Vorgänger die Leistung signifikant steigen wird. 313 PS statt bisher 258 PS sind eine echte Ansage, ebenso die angekündigten 650 Newtonmeter Drehmoment. Er ist damit der stärkste Sechszylinder-Seriendiesel in der Geschichte von Mercedes Benz. Die Tatsache aber, dass der Motor trotzdem sieben Prozent weniger als sein Vorgänger verbrauchen wird, dürfte ihm über so manche Argumentationshürde helfen.
"Rightsizing" statt Downsizing
Von Downsizing also will man nichts wissen bei Mercedes. "Wir sprechen lieber von Rightsizing", sagt Entwicklungschef Dr. Thomas Weber: "Statt die Zylinderzahl von vornherein zu beschneiden und damit auf Laufkultur und Leistung zu verzichten, gibt es intelligentere Lösungen." So zum Beispiel einen Verwendungsmix von Werkstoffen, der durchaus innovativen Charakter hat. Der neue Dieselsechszylinder kombiniert Kolben aus Stahl mit einem Kurbelgehäuse aus Vollaluminium. Weil Stahl eine geringere Ausdehnung bei steigenden Betriebstemperaturen hat, sorgt das für ein wachsendes Spiel zwischen Kolben und Alugehäuse. "Die Reibung wird dadurch um 40 bis 50 Prozent reduziert", erklärt Christoph Koehlen, der Projektleiter für den OM 656. Die Laufbahnbeschichtung der Kolben erfolgt zudem nach einem patentierten Verfahren namens Nanoslide. Diese Beschichtung verringert die zu erbringende Reibleistung auf den Zylinderinnenflächen zusätzlich merklich. Wohl 25 Prozent weniger der früher benötigten Kraftstoffenergie müssen dadurch im Teillastbereich zur Überwindung der inneren Reibung genutzt werden, hat man bei Mercedes errechnet.
Gearbeitet wird an solchen Verfahren unter Hochdruck im wahrsten Sinne des Worts. "Die Einspritzdrücke der Common Rail werden 2.500 Bar erreichen", beschreibt Koehlen die Wucht, mit der Diesel feinstzerstäubt in die Brennkammern gelangt: "Durch die dann weitaus höhere Brenngeschwindigkeit steigt der Wirkungsgrad." Lohn der genannten Maßnahmen: Die insgesamt sieben Prozent Verbrauchseinsparung führen dazu, dass sich der neue Euro-6-Motor schon jetzt nach der zukünftigen Emissionsgesetzgebung RDE (Real Driving Emission, vorgeschrieben ab September 2017) zertifizieren lässt eine vor allem fürs Flottengeschäft wichtige Eigenschaft. Viele Fuhrparkeinkäufer werden auf sie bestehen. Bei diesem Messverfahren erfolgt die Abgasmessung im realen Betrieb auf der Straße mit mobiler Messtechnik. Nichts wird sich laut Koehler dagegen beim OM 656 am Wartungsintervall ändern. 25.000 Kilometer sieht der Garantievertrag auch weiterhin vor.
Trotz der Ankündigung, bis 2025 mehr als zehn rein elektrische Modelle anzubieten: "Der Verbrenner hat auch angesichts der Alternativen noch eine lange Zukunft", ist sich Rückert sicher: "Wir wollen deshalb nicht entweder oder. Wir wollen sowohl als auch."
Alex Mannschatz
Info:
Neue Otto-Motoren
Drei Milliarden Euro hat der Konzern in eine nun bekannt gewordene Motorenoffensive gesteckt. Zu ihr zählen auch drei neue Otto-Motoren. 2017 kommt der Reihenvierzylinder M 264 mit einem riemengetriebenen 48-Volt-Startergenerator. Für Sechszylinderbenziner-Kunden wird es zunächst in der S-Klasse mit dem M 256 einen weiteren Vertreter für die neue 48-Volt-Bordnetztechnologie geben. Wers noch dicker will: Ebenfalls nächstes Jahr kommt mit dem M 176 ein neuer V8-Biturbo, der aus knapp vier Litern 476 PS holen wird.