Ob Single-Luxusappartement oder Studenten-Schuhschachtel: Der Trend nicht nur in Berlin geht zu kleinen Wohnungen für großes Geld, gerade auch beim Mieten. Die Immobilienbranche zieht mit. Eigentum zum Selber-Wohnen ist out Vermieten ist das neue Verkaufen.
Jung, Single, gut verdienend, in Anstellung sucht ..." so könnte in diesen Tagen eine Anzeige in einer Tageszeitung beginnen. Eine Kontaktanzeige? Nein, überraschend geht es weiter: "... modernes Luxusappartement zur Miete."
Modern, Luxus, okay. Aber das dann nicht gleich als Eigentum, sondern zur Miete? Gibt es denn sowas? Doch, ja, gibt es seit Kurzem und zwar überall in Berlin. Denn wer nicht weiß, wie lange er in der Stadt bleibt, zeigt auch kein Kaufinteresse. Also lautet das neue Zauberwort der Immobilienbranche "Mietappartement" Vermieten ist das neue Verkaufen. In welcher Gesellschaft landet man, wenn man sich für eine der neuen schicken Apartmentanlagen bewirbt? "Zalando und irgendwatt mit IT" berlinert die Maklerin fröhlich vor sich hin, als wir auf die potenziellen Nachbarn zu sprechen kommen. Denn die meisten der quadratisch-praktischen Wohneinheiten aus frischem Sichtbeton sind bereits vermietet. Da sich die Nachbarn auf den langen, engen Fluren garantiert einmal begegnen werden, ist es gut zu wissen, mit wem man es zu tun bekommt. Bei Tageslicht wird das allerdings nicht passieren. Die Flure sind komplett fensterlos. Dafür haben die Appartements eine vollverglaste Stirnseite samt Balkon über die gesamte Breite. Oder sind 75 Zentimeter Austritt noch gar kein Balkon? Egal, das Design ist schick, die Küche offen, auch die Schiebetür zum Schlafraum surrt sauber in der Führung alles schön clean und kubisch, erinnert ein bisschen an Schuhkarton.
Die Flure sind komplett fensterlos
Und Ironie des Schicksals oder nicht: Zalando, der größte Schuhverschicker Deutschlands, vermittelt seine frisch in Berlin gelandeten Arbeitskräfte gerne in die Paragon-Appartements so der offizielle Name der Gebäudeskulptur aus gestapelten Großkuben.
Wenig schicksalhaft sind hier die Preise. Die 20 Euro Warmmiete für den Quadratmeter sind ganz real und menschengemacht. Der Durchschnitt im Bezirk Mitte liegt bei 15 Euro, doch das war dem Immobilienentwickler Trockland zu wenig für sein neuestes Prestige-Projekt. Und die Rechnung scheint aufzugehen.
Firmen wie Zalando boomen zurzeit und ziehen viele neue Arbeitskräfte in die Stadt. Arbeiten sie beispielsweise im Bereich IT, können sie auch ordentlich verdienen. Das haben die Immobilienfirmen mitbekommen und einen neuen Trend geschaffen so wie die Trockland Management GmbH, die mit ihren Paragon-Appartements eine maßgeschneiderte Lösung für genau die junge solvente Zielgruppe anbietet. 200 Wohneinheiten finden sich an der Danziger Straße Ecke Prenzlauer Allee. Drei viertel der Appartements sind für Singles oder Pärchen, die sich sehr lieb haben und Enge ertragen. Die restlichen Wohnungen sind familienuntaugliche Groß-Appartements. Absurde Größenverhältnisse von Dachterrasse zu Wohnfläche oder seltsam verdrehte Grundrisse prädestinieren die Wohneinheiten noch am ehesten als Drittwohnsitz für reiche Berlinfans aus dem Ausland.
20 Quadratmeter
für 500 Euro
Trockland hat gute Gründe, die Appartements nicht nach und nach zu verkaufen. Denn die neuen Eigentümer würden bei einer Vermietung richtig absahnen, Renditen von bis zu fünf Prozent im Jahr sind drin. Warum den Gewinn also nicht selbst einstreichen und erst in zehn oder 20 Jahren verkaufen?
Trockland hat sich bewusst als Planer, Bauherr und Vermieter für Luxusimmobilien aufgestellt all diese Bereiche bleiben in einer Hand. Das Konzept funktioniert gut, weitere Projekte sind in Planung. Der Clou an den Paragon-Appartements ist ihre geringe Größe, entsprechend viele lassen sich praktisch übereinander stapeln und mit Mietern füllen. Aber es gibt auch das klassische Modell: Neu gebaute Wohnungen mit drei, vier und mehr Zimmern, zu erwerben zu Quadratmeterpreisen von 6.000 Euro zum Beispiel am Teutoburger Platz auf dem Prenzlauer Berg. Da macht auch das Verkaufen wieder Spaß. Auch andere haben das Geschäftsmodell mit den kleinen Schachtelwohnungen für sich entdeckt. In Verbindung mit einer studentischen Kundenklientel klappt das besonders schön. Auch hier wird selbstverständlich vermietet, mit dem Unterschied, dass der Bauherr die Mini-Appartements vorher einzeln oder en bloc verkauft hat. Die Neu-Besitzer nutzen die Wohnungen in den seltensten Fällen selbst sie sind auf Mieteinnahmen aus. Und die fließen reichlich: "Im Betongoldrausch kleine Bude, hohe Rendite" titelte das Stadtmagazin "Zitty" bereits Ende Oktober. Denn Wohnraum ist in Berlin knapp, besonders im Bereich Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen. Studenten sind froh, wenn sie überhaupt noch etwas in der Innenstadt finden, und zahlen in ihren Mikro-Appartements bis zu 22,50 Euro und mehr pro Quadratmeter. "Studio:B" nennt sich einer dieser neu hochgezogenen Komplexe direkt am Alexanderplatz. 470 Wohneinheiten auf elf Stockwerke verteilt knapp 20 Quadratmeter für 500 Euro. "Ein Investment, das sich rechnet" wirbt die Lambert Unternehmensgruppe für den Verkauf ihrer "Studio:B"-Appartements wie recht sie haben. Doch das Wohnen in Schuhkartons verändert das Leben in der Stadt. WGs sind ein Auslaufmodell, die Wohngemeinschaft wird zur abstrakten Größe. Das soziale Leben ist in Gefahr und mit ihm die Mischung, die Berlin bislang ausgemacht hat. Die Mieten in den Appartementblöcken sind so hochgeschraubt, wie es der angespannte Markt gerade noch erlaubt. Das Ergebnis: Innerhalb des S-Bahn-Rings wird Berlin immer reicher, außen immer ärmer. Berlin verliert seinen Status als die Stadt in Deutschland, in der Studenten und Geringverdiener noch gut leben können. Besserverdiener, wie die IT-Angestellten von Zalando, beginnen die Stadtviertel zu entmischen und ziehen die Mieten in der Umgebung mit in die Höhe. Wer jetzt eine Wohnung sucht, aber günstig wohnen muss, der landet in Marzahn oder Spandau, und das beschleunigt die Teilung der Stadt.
Doch diese Teilung beginnt bereits in solchen Firmen wie Zalando selbst. Richtig gut verdient wird dort nur im IT-Bereich. Die Kollegen aus den anderen Abteilungen erhalten eher berlintypische Gehälter. So trennen sich die Wege der Kollegen nach der Arbeit: Die einen kehren zurück in ihre Luxus-Wohnmaschine auf den Prenzlauer Berg, die anderen haben womöglich einen weiteren Heimweg. Doch Tegel, Spandau und Hellersdorf sind natürlich auch schöne Stadtteile.
Eike Ahlhausen