Eine Umfrage der Arbeitskammer des Saarlandes zeigt, dass immer mehr junge Saarländerinnen und Saarländer im Augenblick gute Gründe finden, ihrem Bundesland den Rücken zu kehren. Zumindest wenn es darum geht, einen guten Job zu finden.
Kaum irgendwo sonst in Deutschland sind die Menschen so heimatverbunden wie im Saarland fast verliebt, könnte man meinen. "Saarlännisch gudd gess" und das Gefühl von "dehemm" reicht für viele mittlerweile jedoch nicht mehr aus. Vor allem junge Menschen sehen immer mehr gute Gründe, ihr Zuhause zu verlassen.
"Gudd gess" hat, wenn man so will, einen bitteren Beigeschmack bekommen. Allerdings schwindet nicht die Liebe zur Heimat, sondern viel mehr die Hoffnung, im Saarland beruflich Karriere zu machen. Das belegt eine Umfrage der Arbeitskammer des Saarlandes. Fast jeder zweite Arbeitnehmer unter 26 Jahren kann sich vorstellen, das Land zu verlassen und sein Glück im Job in einem anderen Bundesland zu suchen, zeigt die Beschäftigtenumfrage.
"In Summe über alle Altersklassen hinweg wollen 28 Prozent der Befragten ihre Perspektiven auch außerhalb des Saarlandes suchen, und da sind noch nicht die Studierenden eingerechnet, und die, die erst auf den Arbeitsmarkt drängen", erklärt der Hauptgeschäftführer der Arbeitskammer des Saarlandes, Thomas Otto. Das baut großen Druck auf das Bundesland auf, denn "das sind die Menschen, die zukünftig hier in der Wirtschaft den Karren ziehen müssen, und wenn die bereit sind abzuwandern, dann ist das in höchstem Maß alarmierend", sagt Thomas Otto weiter.
Doch woran hängt es? Auch das war Teil der Beschäftigungsbefragung "Index gute Arbeit Saar", bei der 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt wurden. Die Antworten überraschen nicht. Viele junge Leute hoffen in der Ferne auf bessere Verdienstmöglichkeiten weil die Einkommen im Saarland niedriger sind als in anderen Teilen der Republik. Damit verbunden sind die Karrierechancen, die vor allem die unter 26-Jährigen und die Hochqualifizierten nicht im Saarland, sondern außerhalb sehen.
Doch das Saarland stirbt nicht aus jedenfalls nicht sofort. Die Umfrageteilnehmer wurden nicht nach konkreten Abwanderungsplänen gefragt, sondern danach, ob es für sie generell Gründe gäbe, das Land zu verlassen und welche es wären. "Vielen ist ihr Abwanderungswunsch gar nicht so bewusst, sonst wären wir hier schnell allein", sagt Arbeitskammer-Experte Werner Müller, Leiter der Abteilung Gesellschaftspolitik.
Die Befragten waren zwar nicht akut auf der Suche nach einem neuen Job, trotzdem bleibt das "Was wäre wenn?" Denn die Hauptgründe für die arbeitende Bevölkerung, den schlechter bezahlten Job im Saarland in Kauf zu nehmen und nicht umzuziehen, sind vorwiegend privat. Da ist es also wieder, das Heimatgefühl. Der Saarländer schlägt eben gern Wurzeln, wo er "dehemm" ist. Viele fühlen sich auch in ihren Betrieben wohl. Nur wie lange reichen diese Gründe noch aus? Bevor sich die Abwanderungswünsche der Hoffnungsträger auf dem saarländischen Arbeitsmarkt also konkretisieren, fordert die Arbeitskammer des Saarlandes nachzusteuern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gemeinsam mit Politik und Wirtschaft müssen hier Wege her, um auch die vielen vermeintlich verlorenen Söhne und Töchter wieder zurück ins saarländische Boot zu holen.
Verlorene Söhne
und Töchter zurück ins Boot holen
Nachsteuerungsbedarf sehe die Arbeitskammer vor allem bei den Einkommen, erklärt Experte Müller, hier sei vor allem der Anteil der Menschen, die vollkommen unzufrieden mit ihrem Einkommen sind, deutlich höher als im bundesweiten Durchschnitt, hinzu kommen Belastungen.
Viele Saarländer finden, dass ihnen auf der Arbeit zu viel zugemutet wird. "Das betrifft nicht nur die Arbeitsintensität, sondern auch die körperlichen Belastungen, die für uns in einem überraschend hohen Maße bemängelt werden", sagt Müller. Er hält aber auch dagegen, dass viele saarländische Arbeitskräfte einen hohen Sinn in ihrer Arbeit sehen würden, außerdem könnten sich viele mit ihrem Arbeitgeber identifizieren. Das bezeichnet Müller als gute Voraussetzung, auf dem das Konzept "gute Arbeit" und auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufbauen könnten. Hier sieht die Arbeitskammer die Politik in einer vermittelnden Rolle. Sie kann Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einen Tisch bringen und die Plattform für Verbesserungen schaffen. Für die Umsetzung müssen die Unternehmen und Betriebe selbst sorgen.
Auch ohne die Politik sieht Müller für Betriebe Verbesserungsmöglichkeiten. "Das eine ist der Bereich Qualifizierung", sagt Müller. "Dort bekommt rund die Hälfte der Beschäftigten keine Angebote". Laut Müller ist Deutschland ohnehin bei der Qualifizierung ein Entwicklungsland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Die Broschüre "Arbeitsmarkt auf einen Blick
Deutschland und Europa 2016" des Statistischen Bundesamtes bestätigt die Aussagen von Müller nicht nur, sondern stellt sie noch drastischer dar. Bei der Teilnahme an Bildung und Weiterbildung lag Deutschland im Jahr 2014 gerade einmal auf Platz 16 unter den EU-Staaten, mit einem Anteil von acht Prozent der Erwerbspersonen im Alter von 25 bis 64 Jahren, die solche Angebote nutzen konnten. Damit liegen die Deutschen auch unterhalb des EU-Durchschnitts, der bei elf Prozent liegt. In dieser Statistik glänzen die skandinavischen Länder Finnland, Schweden und vornweg Dänemark, wo fast jeder dritte Bildungs- und Weiterbildungsprogramme genießen kann.
Werner Müller fordert weiter, dass die Gefährdungsanalysen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz umgesetzt werden. Dort müsse man die psychischen Belastungen angehen, ebenso die körperlichen Belastungen, denn dort sei es so, dass die Unternehmen gesetzliche Vorgaben oft nicht enthalten würden, bemängelt er.
Stellschrauben also, bei denen es aus Sicht des Arbeitgebers nicht viel braucht, um ein besseres Umfeld für die saarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen. Damit der Grund, sich beruflich in neue Gefilde aufzumachen, nicht irgendwann doch größer wird als der Wunsch, im Saarland Wurzeln zu schlagen.
Jens John