Klassisches Erdbegräbnis oder modernes Urnengrab? Trauerredner oder Pfarrer? Wer im Dschungel moderner Bestattungsrituale durchsteigen will, kann Unterstützung gut gebrauchen. Zum Beispiel von Aeternitas, der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur. FORUM hat Pressesprecher Alexander Helbach zu neuen Trends im Friedhofswesen befragt.
Herr Helbach, wie hat man sich die Arbeit von Aeternitas vorzustellen suchen Ihre Mitglieder Angehörige von Verstorbenen auf und beraten sie?
Nein, wir kontaktieren die Menschen nicht, sie melden sich bei uns. Wer eine Frage zum Bestattungsvorgang hat, ruft uns an oder schreibt uns. Im Jahr bekommen wir rund 500 Anfragen.
Zum Beispiel?
Häufig geht es um eine Sozialbestattung. Die Leute haben wenig Geld und wollen wissen, was das Sozialamt übernimmt. Wer muss welche Kosten tragen? Was ist angemessen, was nicht? Oft rufen die Angehörigen auch bei uns an, weil sie mit der Rechnung des Bestatters unzufrieden sind, alles ist plötzlich viel teurer geworden als geplant. Dann ist es meistens zu spät. Man sollte sich rechtzeitig Gedanken machen, seine Wünsche bedenken und seine Bedürfnisse formulieren. Dann lassen sich auch passende Angebote finden.
Was kostet denn eine normale Bestattung? Was ist da so üblich?
Die Preise schwanken zwischen 2.000 und mehr als 12.000 Euro. Im Schnitt kostet eine Beerdigung um die 6.000 bis 7.000 Euro. Aber es kommt immer darauf an, was Sie alles haben wollen: Was für einen Sarg? Trauerkarten? Traueranzeige? Blumenschmuck? Musik? Abschiedskaffee? Trauerredner? Da gibt es jede Menge Extras. Und die Gefahr ist, dass sich die trauernden und ahnungslosen Angehörigen alles Mögliche aufbinden lassen. Sie sind ja meist nicht in der Verfassung, alles kritisch zu prüfen. Das nutzen manche Bestattungsunternehmer aus.
Kann Ihr Verein gegen schwarze Schafe aktiv werden?
Wir raten Betroffenen immer wieder mal, Rechnungen zu kürzen oder gar nicht zu bezahlen. Auch gehen wir in solchen Fällen zum Teil direkt auf die Bestatter zu und setzen die Interessen der Kunden durch. Den sogenannten schwarzen Schafen das Handwerk legen, das können wir leider nicht aber den Menschen schon im Vorfeld helfen, einen guten Bestatter zu finden. Wer Bescheid weiß, lässt sich nicht über den Tisch ziehen.
Welche Trends gibt es im Bestattungswesen?
Grundsätzlich geht der Trend ganz deutlich in Richtung Feuerbestattung verbunden mit den zahlreichen Möglichkeiten, die die Bestattung einer Urne im Gegensatz zu einer Sargbestattung bietet. Grabformen, die keiner Grabpflege bedürfen, nehmen dabei besonders stark zu. Ganz deutlich zeigt sich auch eine Bewegung weg von der kirchlichen, traditionellen Bestattung hin zu individuellen, kreativen Formen. Auch die Sozial- und Ordnungsamtsbestattungen nehmen zu.
Was sind denn Sozial- und Ordnungsamtsbestattungen?
Wenn bei einem Verstorbenen keine Hinterbliebenen aufzufinden sind oder diese sich weigern, aktiv zu werden, übernimmt das Ordnungsamt die Bestattung. Das ist gehalten, sie auf die allerbilligste Art abzuwickeln. Eine Sozialbestattung muss sich zwar auch auf einfachem Preisniveau bewegen, aber sie soll auf ortsübliche Weise vonstattengehen. Das heißt: In einem bayerischen Dorf, wo fast alle kirchlich mit Pastor und Messdiener auf dem Friedhof unter die Erde gebracht werden, sollte es bei einer Sozialbestattung und entsprechenden Wünschen der Angehörigen genauso zugehen.
Immer mehr sieht man ja auch Werbung von Discount-Bestattern.
Da gibt es seriöse Anbieter mit Komplett-Angebot: Zum Beispiel Abholung, Überführung und Einäscherung in Tschechien, anonyme Beisetzung ebendort. Das ist akzeptabel, weil nichts dazu kommt und die Angebote auch tatsächlich komplett sind. Die organisieren sogar Bustouren zum Krematorium für Rentner, damit sie sich das vorher alles ansehen können. Dagegen bieten viele unseriöse Discounter eine Bestattung für Preise ab 500 oder 600 Euro, verschweigen aber, dass dazu noch weitere Kosten kommen wie zum Beispiel die Überführungen, eine Urne, die Einäscherung oder Gebühren für die Grabstelle. Dann sind Sie am Ende bei einem Preis, den Sie auch bei einem normalen Unternehmen bezahlen müssten.
Welche neuen Formen der Bestattung entwickeln sich heute?
Vor 20 Jahren lag der Anteil der Feuerbestattung noch bei einem Drittel, heute sind es über 60 Prozent. Über 40 Prozent aller Beerdigungen laufen ohne Pfarrer ab. Der Verlust traditioneller Formen wird verdrängt durch neue Rituale. Dann ersetzt das Lieblingslied des Verstorbenen die kirchliche Musik, der Trauerredner den Pfarrer und der Sektempfang am Schluss den traditionellen "Leichenimbiss" mit Streuselkuchen und Mettbrötchen.
Aber es geht nicht ohne Sarg?
Das ist vorgeschrieben Verstorbene dürfen nur im Sarg transportiert werden. Das gilt selbst für Muslime, die allerdings in den meisten Bundesländern in Leichentücher gehüllt bestattet werden dürfen.
Darf man die Urne mit nach Hause nehmen?
Nein, das ist in Deutschland nicht erlaubt. In den Niederlanden zum Beispiel geht das. Die Urne kann man mitnehmen, die ist mobil, so wie unsere Gesellschaft auch. Sie braucht wenig Platz, und die Urne kann auch sehr vielfältig in eine Abschiedsfeier eingebaut werden. Wir setzen uns dafür ein, dass auch in Deutschland die Urne mitgenommen und die Asche verstreut werden darf. So wie es in den meisten europäischen Ländern jetzt schon möglich ist: Wenn Sie wollen, bekommen Sie dort die Urne mit.
Ihr Verband ist gegen den Friedhofszwang?
Bestattungsgesetze sollten stets die Wünsche der Bürger abbilden und diese nicht durch unnötige Vorschriften bevormunden oder einschränken. Für uns ist der Wille des Verstorbenen maßgebend: Wenn jemand zu Lebzeiten festgelegt hat, was mit seiner Totenasche passieren soll, dann müsste das im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch berücksichtigt werden können.
Welche Überlebenschancen geben Sie den Friedhöfen?
Friedhöfe werden auch in Zukunft der zentrale Ort des Totengedenkens sein, aber wohl weiter unter Druck geraten, weil günstige, platzsparende und pflegearme Beisetzungsmöglichkeiten weiter an Zuspruch gewinnen, auch außerhalb klassischer Friedhöfe. Das Grab ist für viele Menschen kein Prestigeobjekt mehr. Es gibt aber auch viele spannende Angebote wie eigene Anlagen für bedeutende Frauen in Hamburg, in Gelsenkirchen für Schalke-Fans, und in Berlin eine Grabstätte eigens für lesbische Frauen.
Bei den vielen Möglichkeiten bricht da nicht das Bestattungsgeschäft allmählich zusammen?
Da malen nur die Traditionalisten schwarz. Ich sehe das ganze Bestattungswesen in einem grundlegenden Wandel begriffen: Der Bestatter entwickelt sich weg vom Sargverkäufer hin zu einem umfassenden Dienstleister und einer Art Eventmanager. Er hilft, neue, fantasievolle Formen des Trauerns umzusetzen. Er wird Trauerredner und bietet den Angehörigen zum Beispiel auch Trauerbegleitung an.
Neue Bestatter braucht das Land?
Der Beruf ist heute beliebt, die Verbände melden keinen Nachwuchsmangel. Offenbar gibt es genug Menschen, denen es ein Bedürfnis ist, diese spannende Aufgabe zu übernehmen, und die keine Scheu vor trauernden Menschen haben.
Interview: Volker Thomas
INFO:
Auch für die letzten Dinge gibt es eine Verbraucherberatung: Aeternitas informiert und berät seit 1984 in allen organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten rund um den Trauerfall. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Königswinter hat 50.000 Mitglieder. Er sorgt für Transparenz unter den Angeboten der über 6.000 konkurrierenden Bestattungsunternehmen, kämpft für eine Liberalisierung im Bestattungswesen und fördert die Weiterentwicklung der Bestattungskultur.