Vier Wochen vor dem BER-Eröffnungstermin 2012 war auf einmal Schluss am neuen Hauptstadtflughafen: Die fertig gestalteten Läden von Bistros über Modelabels bis zu Blumenhändlern und Tourismusbranche haben nie Gäste gesehen. Einige von ihnen machen einen Zwischenstopp im Flughafen Tegel. Doch alle stehen sie in den Starlöchern in Richtung BER für ein Datum, das noch niemand kennt.
Das Blumenhaus Schamp aus Berlin-Wilmersdorf besteht seit 90 Jahren. Am Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt, dem BER, gehören sie zu den Neumietern: Die Ladeneinrichtung steht seit dem geplanten Eröffnungstermin vor fünf Jahren funktionsbereit vor Ort. Einzig die frischen Blumen hätten noch gefehlt, zum 3. Juni 2012 hätten sie planmäßig in Wasserkübeln und Regalen gestanden. Das alles ist längst Geschichte und längst sind auch die Garantien für das technische Inventar des Blumenhauses auf dem BER abgelaufen.
Für die Gewerbetreibenden ein erzwungener Dornröschenschlaf. Auch Anfang 2017 ist noch nichts wirklich klar: Der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa äußerte sich skeptisch hinsichtlich einer BER-Eröffnung noch im Jahr 2018.
Ein Grund neben anderen ist die Forderung des Bundes, den Starttermin für den BER mindestens 13 Monate vorher bekanntzugeben, damit sich Airlines, Flugsicherung und weitere Beteiligte entsprechend vorbereiten können. Dazu gehören ebenfalls die jetzt in Berlin-Tegel und Schönefeld ansässigen Einzelhandels- und Serviceanbieter. "Altmieter" aus dem Flughafen Tegel wie die Modeshops Boss, Marc OPolo, Wolford wird es im BER genauso geben wie neue Shops von Askania, Capi, Die kleine Gesellschaft, Metropolitan Pharmacy oder die Hairport Lounge.
Seit 2012 verstauben die Shops am BER
Mit dabei sind natürlich auch Autovermieter sowie Reiseveranstalter mit eigenen Schaltern und ein Anlaufpunkt der Berlin Tourist Information. Viele der Geschäftsleute sind seit Anfang der Planungen dabei: Bereits 2010 damals lief der BER noch als Flughafen Berlin Brandenburg International BBI ? wollte beispielsweise die Wöllhaf Retail GmbH zwei neue Gastronomie-Konzepte umsetzen. Ein Ableger der ständigen Vertretung in der Stadtmitte und eine Filiale der Berliner Kaffeerösterei sollten Gäste "... auf dem 2012 in Betrieb gehenden Hauptstadt-Airport Berlin Brandenburg International ..." anziehen. Wöllhaf blieb trotz der geplatzten Eröffnung mit von der Partie, noch immer steht das Unternehmen in einer 2014 veröffentlichten Planung für das "Non Aviation Management".
Wie gehen die Mieter auf dem Flughafen Tegel damit um, immer wieder auf der langen Bank zu landen? "Wir haben uns seit 2012 sehr intensiv um unsere Mieter im Retail- und Gastronomie-Bereich am BER gekümmert und mit den meisten individuell abgestimmte Lösungen entwickelt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen so weit wie möglich zu minimieren", sagt Daniel Tolksdorf, Pressesprecher der Flughafengesellschaft. So sei es gelungen, einer Vielzahl von Mietern, die eigentlich erst am Flughafen Berlin Brandenburg zum Zuge gekommen wären, Flächen in Tegel und Schönefeld anzubieten. Trotzdem heißt es für die Umzugswilligen natürlich, bei laufendem Betrieb quasi in den Startlöchern in Richtung BER zu sitzen. Für manche ist das okay: "Wir sind sehr zufrieden mit unserem derzeitigen Standort am Flughafen Tegel. Ein Umzug auf den neuen Standort ist für uns nach Bekanntgabe des Termins rasch und effizient durchführbar", stellt Maresa Hoffmann von Wolford die Lage dar. Viele Tegeler Altmieter schweigen, geben keine Kommentare.
Lediglich einige von denen, die die Schleife vom BER nach Tegel nicht mitgemacht haben, erzählen: So bekam das Blumenhaus Schamp einen Standortvorschlag als Kompensation auf dem Westberliner Flughafen angeboten aber ohne direkten Wasseranschluss. Evelin Brandt erhielt für ihren geplanten Mode-Shop am BER erst gar kein Ersatzangebot. Sie klagt bereits auf Schadenersatz wegen getätigter und nicht realisierbarer Investitionen.
Andere sind hingegen sehr angetan vom Zwischenstopp in Tegel: So schwärmt die Store Managerin vom Bistro Traiteur Armance Godeau: "Alle Shop- und Servicemitarbeiter sind hier wie eine große Familie."
Das Bistro gegenüber von Gate A7 gehört mit zu denen, die ihr Angebot auf den neuen BER umziehen werden. Viele von ihnen sind der Meinung, dass sie ohne das Problem BER zufrieden wären. Tegel sollte offen bleiben.
Tegel soll bleiben der BER ist das Problem
Dem schließen sich auch Fluggäste an. Zum Beispiel Michela Wittmann aus Hamburg mit Tochter Natascha aus Berlin: Sie sind nach fünf Jahren wieder mal gemeinsam auf dem Weg in den Urlaub, nach Thailand. "Eigentlich ist Tegel ein perfekter Flughafen: klein, übersichtlich und funktional. Nur die S- oder U-Bahn-Anbindung an die City fehlt", meint Studentin Natascha und betont, dass Berlin auch mehrere Flughäfen verträgt.
Und was, wenn Tegel tatsächlich offen bliebe? Bekäme der Flughafen dann einen neuen U-Bahn-Anschluss und einen neuen Terminal? Immerhin wird ja immer wieder mal von einem Beratergutachten über den Bau eines weiteren Terminal-Sechsecks in Tegel gemunkelt. Als Ergänzung, falls es mit dem BER dann doch nicht mehr klappt?
Alle warten also, Fluggäste, Airlines, Ladenbetreiber, auch die Touristik-Branche mit ihrem neuen Welcome-Center am BER: Alle Aufbauten, das Innenleben und die Technik sind in Wartestellung, staubdicht und sicher eingelagert. "Wir benötigen ungefähr einen Vorlauf von einem Dreivierteljahr zur Einrichtung", so Birgit Kunkel, Pressesprecherin der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH. Der gemeinsame Auftritt der TMB mit Visit Berlin im Ankunftsbereich des neuen Flughafens präsentiert dann die Highlights touristischer Ziele in Berlin und Brandenburg mit all ihren Facetten für die nationalen und internationalen Reisenden irgendwann. "Sobald der verbindliche Eröffnungstermin seitens der Flughafengesellschaft genannt wird, laufen bei uns die Projektplanung für die Einrichtung und die Vorbereitung des Betriebs an", erläutert Birgit Kunkel.
"Ich glaube an den BER, wenn er offen ist"
Man hört gerade wieder von einem möglichen BER-Eröffnungstermin, dem 30. Juni 2018; ein Stichtag wegen dann endender Finanzierungen. Ein Gerücht? Noch könnte dieser Termin ja hinkommen, es gäbe den geforderten zeitlichen Puffer von 13 Monaten Vorlauf von der Bekanntgabe bis zum Datum.
Doch die Zweifel sitzen inzwischen tief: "Wir Berliner sind ja mit Baustellen sozialisiert und haben damit eigentlich Geduld", sagt Kay Herrik vom Blumenhaus Schamp. "Aber heute glaube ich erst an den neuen Flughafen, wenn er eröffnet ist."
Gaby Schlegel