Die Fischgründe in Europa sind so gut wie leer. Der Fisch auf unseren Tellern stammt häufig aus Afrika. Doch die Bevölkerung dort hat davon gar nichts. Sie kämpft ums Überleben, weil europäische und chinesische Riesentrawler ihre Meere leer fischen.
Die Uhr tickt. In 35 Jahren wird es keinen kommerziellen Fischfang mehr geben, warnen Wissenschaftler. 2050 ist Schluss, die Fischbestände der Weltmeere sind komplett überfischt.
In europäischen Gewässern ist jetzt schon kaum noch etwas zu holen. Deshalb weichen die großen Fangtrawler aus. Kreuzen vor Afrika, fischen dort die Gewässer leer. Für die Fischer der Kapverden bedeutet das das Aus. Viele können schon jetzt ihre Familie nicht mehr ernähren.
Dabei schienen die Fischbestände unendlich. Schon die Bibel suggeriert den Menschen, dass es immer genug Fisch gibt. Weil dieser auf wundersame Weise nachwächst. Wie am See Genezareth, berichtet der Jünger Matthäus, dort wurden etwa 1.000 Anhänger von Jesus ausschließlich von Fisch und Brot satt. Lange Zeit glaubte die Menschheit, das Meer würde der stetig wachsenden Weltbevölkerung das Überleben sichern. Doch das stellte sich als Irrtum heraus.
Der Zweite Weltkrieg hatte vermutlich nur eine gute Seite: Es gab eine Zwangspause in der beginnenden industriellen Fischerei, die Fischbestände konnten sich erholen.
Doch dann begann das große Fischen. Der technische Fortschritt eroberte die Weltmeere. Der industrielle Fischfang breitete sich auf der nördlichen Halbkugel über alle Meere aus. Jahrzehntelang wichen die industriellen Fischer auf immer neuere Fischgründe aus. Die Fischvorkommen brachen vielerorts zusammen. Noch heute werden die Meere gnadenlos ausgeplündert. Die Folge: Fast alle Bestände der wichtigsten Speisefische sind zusammengebrochen.
Gefangen wird alles,
was schwimmt
Wenn noch was zu holen ist, dann in Afrika. Mit schlimmen Folgen. Weil immer mehr Riesenfischtrawler vor den Küsten kreuzen, sind die Bestände auch dort leer. "Die Überfischung ist ein Riesenproblem", sagt Albert Taxoneira-Amoros. Der Biologe kennt die Methoden der Hochseefischer: "Die fangen mit ihren Netzen alles, was herumschwimmt, also auch Schildkröten, Krabben, Seesterne, kleine Haie und sehr viele kleine Fische." Der sogenannte Beifang macht etwa ein Drittel der Fanges aus. Mit diesen "Resten", wie den kleinen Fischen und Schildkröten, können Großfischer aber gar nichts anfangen. Diese werden dann aber nicht aussortiert, denn das kostet Zeit, sondern sterben und werden entsorgt. "Kontrolliert wird das natürlich von niemandem", sagt der Biologe. So werden kleine Fischen nicht mehr groß. Aber auch wichtige Altfische, die durch ihre Größe viele Nachkommen zeugen können, überleben nirgends mehr.
Zusätzlich hat sich die Menge des gefangenen Fisches in den vergangenen 60 Jahren vervielfacht: Im Jahr 1950 wurden 12,8 Tonnen Fisch gefangen. Im Jahr 2016 waren es etwa 80 Millionen Tonnen. Die immer größeren Fangschiffe haben immer ausgefeiltere Methoden: 3D-Sonargeräte, digitale Karten, Satelliten-Navigationsgeräte. So entkommt kein Fischschwarm mehr. Auch nicht am Meeresboden. Die Netze werden bis zu 2.000 Meter tief hinabgelassen. Die Fische werden geortet und erbeutet.
Zwar hat die kapverdische Regierung europäischen und chinesischen "Riesenfischern" eine Fanglizenz erteilt, aber sie kontrolliert nicht wie viel und was gefangen wird weshalb auch die Begrenzungen der Fangmenge nicht eingehalten werden. Hier geht es um viel Geld. Zudem gibt es auch viele illegale Fangschiffe, die in Westafrika herumkreuzen, was auch niemand kontrolliert.
"Schon seit dem Jahr 2000 etwa fangen wir jedes Jahr weniger", sagt der Fischer José Lucrezia Rocha aus Santa Maria. "Die Europäer haben erst ihre eigenen Meere leer gefischt und nun fischen sie unsere Meere leer. Und wir haben nicht das Know-how, um uns dagegen zu wehren." Der Bestand von Thunfischen, Haien und Schwertfischen ist in den Weltmeeren bereits um 90 Prozent zurückgegangen. Es gibt keine wenig befischten Gebiete mehr. Wenn die Fischbestände nicht geschont werden, soll im Jahr 2050 schon keine kommerzielle Fischerei mehr möglich sein.
Fanglizenzen:
Vorbild Senegal
Dabei geht es auch anders: Im Februar 2012 lief das Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise im Hafen von Dakar ein. Es wurde von den örtlichen Fischern in ihren kleinen Fischerbooten begeistert empfangen. Dann machte sich das Schiff auf, um vor den senegalesischen Gewässern Fremdfischer zu suchen. Sie wurden schon nach wenigen Seemeilen fündig: Ein mehr als 100 Meter langes industrielles Fangschiff aus Russland wurde gesichtet und kontrolliert. Es blieb nicht bei dem einen.
Drei Monate später zog der senegalesische Fischereiminister erste Konsequenzen aus der Greenpeace-Aktion. Es wurden einige Lizenzen von großen Fangschiffen zurückgezogen. Schon wenige Monate später konnten die heimischen Fischer wieder mit viel volleren Netzen heimkehren. Dies würde man den Kapverdischen Inseln auch wünschen.
Christina Gottschall