Der Sanierungsstau an der Hochschule für Technik (HTW) und der Universität des Saarlandes ist unübersehbar. Zuletzt drohte der ohnehin durch Raumnot geplagten HTW aus Brandschutzgründen die Schließung eines Gebäudekomplexes.
Das Mensa-Gebäude müsste eigentlich abgerissen und neu gebaut werden. Doch im Moment müssen wir es möglichst lange halten, wir brauchen den Platz", sagt Prof. Dr. Wolrad Rommel, Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Denn an der Hochschule herrscht akute Raumnot. "In den vergangenen zwölf Jahren haben sich die Studentenzahlen an unserer Hochschule verdoppelt", sagt Rommel. Knapp über 6.000 Studenten sind zurzeit an der HTW eingeschrieben. Diese Zahl sei auch politisch gewünscht, doch weiter wachsen möchte man an der Hochschule derzeit nicht: "Wir haben eine Vereinbarung mit der Landesregierung die Studentenzahl auf den derzeit 6.000 einzufrieren", so Rommel. Verschärft wurde die Raumnot auch durch das geänderte Profil. Der Wechsel zur anwendungsorientierten Hochschule und die verstärkte Forschung hätten den Raumbedarf im vergangenen Jahrzehnt drastisch erhöht. Nicht nur mehr Studierende, auch ein "wachsender Stamm" an wissenschaftlichen Mitarbeitern benötigt Büros. Rommel schätzt, dass ihm so etwa 20 bis 25 Prozent an Fläche fehlen. Selbst das ehemalige Gesundheitsamt, das nach dem Umbau, ebenfalls wegen der Brandschutzauflagen, immer noch nicht genutzt werden kann, decke den Bedarf nicht. Zuerst sollte es bis 2013 zur Verfügung stehen, dann hieß es von Seiten des Investors, der Falko GmbH, dass das Gebäude zum Wintersemester 2016/2017 fertiggestellt sein könnte. Mitte Juni wollte die Falko GmbH eine Fertigstellung nicht mehr verbindlich zusichern, Finanz-Staatssekretär Axel Spies (CDU) mochte im Haushaltsausschuss des Landtages keine Aussage über einen Bezugstermin treffen.
"Wie reagiert man?", fragt Rommel und gibt selbst die Antwort: "Man mietet überall in der Stadt an." Und so ist die HTW mittlerweile auf 14 Standorte verteilt. Jüngstes Beispiel ist der Umzug der Architekturstudenten auf das ehemalige Grubengelände in Göttelborn. Nach der anfänglichen Kritik der Studierenden am Standort außerhalb der Landeshauptstadt habe sich dort die Lage beruhigt: "Im Gegensatz zu Alt-Saarbrücken gibt es dort kein Problem mit den Parkplätzen, es ist ein wunderschönes Gebäude, und die Studenten haben hier genügend Arbeitsplätze", hebt der Rektor die Vorzüge hervor. Allerdings bringe eine solche Zerstückelung auch erhebliche Nachteile mit sich. Rommel führt hier etwa die längeren Fahrtwege samt der damit verbundenen Kosten an, was wiederum die Studienorganisation sowie die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche erschwert. "Es ist ein Puzzlespiel. Man braucht einen klaren Gesamtplan. Sind 2.000 Studenten sonst wo untergebracht, zerschlägt das die Organisation", sagt der Rektor und: "Ziel ist die Konzentration der Studiengänge zu einem Standort in Alt-Saarbrücken. Je dichter am Zentrum, desto besser." Daher auch der riesige Bauplan an der Wand seines Büros, doch: "Um das zu erreichen, sind viele Zwischenschritte nötig." Eine Option wäre der Park bei den Stadtwerken. Aktuell laufen die Verhandlungen. Hoffnung, das große Ganze noch in seiner Zeit als Rektor zu erleben, hat er allerdings nicht. Er rechnet mit einem Zeitrahmen von etwa zehn Jahren, so sei das Ganze auch für das Land finanzierbar.
Wenig praktikable Notlösungen
Mitte September kam dann zumindest beim HTW-Hochhaus wieder Bewegung ins Spiel. Finanzminister Stephan Toscani (CDU) erklärte: "Die Projektbeteiligten des HTW-Hochhauses haben vereinbart, dass die Ertüchtigungsarbeiten am Hochhaus bis spätestens Ende Oktober 2016 beginnen." Bei den jüngsten Verhandlungen habe sich die finanzierende Landesbank Baden-Württemberg bewegt und wolle auf 3,4 Millionen Euro ihrer Ansprüche verzichten. Hierfür richtet die Arge nun die Brandschutzmaßnahmen her. Bis spätestens Ende August 2017 soll das ehemalige Gesundheitsamt nun fertig sein. Fraglich bleibt allerdings, wer für die Kosten des Hochhauses aufkommt. 16 Millionen Euro sind mittlerweile aufgelaufen. Bestehend aus den Betriebskosten, den Kosten für die Ersatzquartiere und den nötigen Investitionen in den fehlenden Brandschutz immerhin elf Millionen Euro. Letztere sollen laut Spies vom Investor getragen werden.
CDU-Fraktionsvorsitzender Tobias Hans will zudem die Kosten für die Ausweichquartiere geltend machen. Letztlich werden wohl die Gerichte entscheiden.
Von den 3,4 Millionen bekommt die Arge 1,7, falls sie vor Gericht unterliegt, mindestens 1,7 verblieben beim Land, so Spies. Dafür bezahlt das Land nun ab Oktober monatlich 100.000 Euro an die LBBW, bis ins Jahr 2040. Die Grünen im Landtag befürchten bereits vor Monaten einen Vergleich, bei dem das Land "bluten" muss, so Klaus Kessler (Grüne). Vorwürfe wurden laut, dass das Land nicht aus den Problemen mit der öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) gelernt habe. Spies bekräftigt zwar, dass bei der geplanten Sanierung des HTW-Zentralgebäudes das Land selbst Bauherr sei, der private Investor übernehme nur Finanzierung, Teile der Planung und Bau, doch der Landesrechnungshof hatte da bereits im April seine Zweifel, da die Kriterien für ein ÖPP-Projekt überwiegen würden. Harsche Kritik kommt hier wiederum von der Opposition. Kessler sagt: "Mit der Behauptung, es handele sich beim neuen Zentralgebäude nicht um ein ÖPP-Projekt, streut Staatssekretär Spies der Öffentlichkeit Sand in die Augen." Kessler spricht von einer "Wortklauberei, um davon abzulenken, dass sie (die Landesregierung, Anm. der Redaktion) beim HTW-Hochhaus ein Missmanagement erster Güte betrieben hat". Er erinnert daran, dass die Berechnungsgrundlage für die Sanierung aus 2010 stammt, somit nicht mehr der aktuellen Zinslage entspreche. Auch nach den jüngsten Fortschritten bleibt Kessler skeptisch: "Und auch wenn die Landesregierung nicht müde wird zu betonen, dass für die Fertigstellung des Gebäudes kein Geld aus dem Landeshaushalt fließen wird, bleibt immer noch die Frage offen, wer für die Verzögerungskosten aufkommt. Diese sind durch Instandhaltung des Gebäudes und durch Ausweichquartiere für die Hochschule für Technik und Wirtschaft entstanden und liegen inzwischen bei wenigstens fünf Millionen Euro." Ähnlich sehen es die Linken: "Die Landesregierung tut sich offenbar schwer damit, einzusehen, dass öffentlich-private Partnerschaften bei sensiblen Bauprojekten keine Lösung sind und es keinen Sinn macht, einen Privaten zwischenzuschalten, der natürlich Profit machen will und Entscheidungen, die zu Mehrkosten führen könnten, scheut", so Barbara Spaniol, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Selbst nach der Fertigstellung des Hochhauses bleibt zudem weiterhin fraglich, wo die Architekturstudenten unterkommen sollen. Spaniol fordert, wie Rommel, eine Lösung in Saarbrücken zu finden.
Allerdings ist die HTW mit dem Problem der maroden Gebäude nicht allein. Seit Jahren verfällt auch so manches Gebäude an der Universität des Saarlandes (UdS). Das Wohnheim D ist nur ein Beispiel. Es wurde ebenfalls wegen fehlendem Brandschutz geschlossen und steht seit April 2012 leer. Mittlerweile zieren Bauzaun und eine Baustellen-Toilette die ehemalige Unterkunft für Studenten. Die 240 Plätze würden dringend gebraucht, die Warteliste für eine Bleibe an der Uni ist lang. Auch hier fehlt es an einem Investor, der das Haus renoviert und dann auch wieder als Wohnheim betreibt. Im Februar startete hierfür ein zweistufiges Ausschreibungsverfahren. Die Möglichkeiten reichen von der Sanierung bis zum Abriss und Neubau. Der Vertrag sieht dabei einen Betrieb für die nächsten 49 Jahre vor. Wenige Meter daneben, an den Gebäuden C5 2 und C5 3, schützen Bauzäune und Netze Passanten vor bröckelnden Putz und Beton sowie vor einer maroden Treppe. Im Aufgang von C5 2 wächst der Schimmel, an dem nicht einmal Biologen ihre Freude hätten, doch sind hier hauptsächlich Geisteswissenschaftler untergebracht. Die Mängel an den beiden Bauten sind augenscheinlich, und es sind keine Einzelfälle auf dem Campus. Fast die Hälfte der Gebäude schreit nach Investitionen.
Sanierung oder Abriss?
Der Landesrechnungshof (RH) kam bereits 2010 auf einen "Sanierungsstau in der Größenordnung von rund 320 Millionen" und: "Nach den Feststellungen des RH entsprechen viele Gebäude und Anlagen der UdS nicht mehr den heutigen Sicherheitsstandards und müssen saniert beziehungsweise erneuert werden." Und er kommt zu dem Schluss: "Die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel reichen jedoch bei Weitem nicht zur Bestandssicherung und Sanierung der baulichen Anlagen aus." Neben den Kasernengebäuden von 1948 stamme rund die Hälfte der Gebäude aus den 60ern und 70ern. Darunter einige unter Denkmalschutz, die zur Sanierung anstehen. Den 320 Millionen stünden allerdings nur Investitionsmittel in Höhe von rund 1,6 Millionen pro Jahr gegenüber. Die Mittel sind seitdem auf rund 3,5 Millionen Euro jährlich gewachsen, für Sanierungen, Straßen und Neubauten sollen rund 26 Millionen aus dem Landesbauhaushalt kommen, doch etwa 33 Millionen wären nötig, um die Gebäude in Schuss zu halten. Allerdings seien zwischen 2010 und 2013 nur knapp 15 Millionen jährlich angekommen, erklärte Uni-Vizepräsident Roland Rolles in der "Saarbrücker Zeitung": "Wenn nur ein Bauprojekt sich verzögert, kann das bedeuten, dass Millionen Euro in einem bestimmten Jahr nicht ausgegeben werden." Hinzu kommen beispielsweise die maroden Leitungen. Ein Stromausfall im August 2015 sorgte so für einen Verlust an Forschungsdaten und verstrichener Arbeitszeit im sechsstelligen Euro-Bereich. Und es blieb nicht der einzige Vorfall.
Das Problem des Sanierungsstaus betrifft allerdings nicht nur das Saarland. Eine Studie des Institutes für Hochschulentwicklung, die in diesem März veröffentlicht wurde, errechnete einen bundesweiten Fehlbetrag allein in den Jahren 2008 bis 2012 von etwa 4,4 Milliarden Euro. Und dass das Haushaltsnotstandsland Saarland die Sanierung der eigenen Hochschulen nicht allein tragen kann, ist auch Uni-Präsident Volker Linneweber klar. Er sieht den Bund in der Pflicht, schließlich hätte dieser jahrzehntelang den Ausbau der Hochschulen und Studentenzahlen gefördert.
Dennis Langenstein