Auch wenn das tropische Afrika weltweit mit gehörigem Abstand der von Blitzen am meisten betroffene Kontinent ist, so ist der globale Lightning-Hotspot doch ganz woanders zu finden nämlich über dem Maracaibo-See in Venezuela.
Wenn hierzulande, meist in den Sommermonaten, Blitze am Himmel zucken, überkommt so manchen Bundesbürger ein mulmiges Gefühl. Dabei tritt dieses Wetterphänomen in unseren Breitengraden vergleichsweise selten auf, zumindest verglichen mit den Tropen oder Subtropen. In Deutschlands Blitz-Hauptstadt des Jahres 2015, dem unterfränkischen Schweinfurt, das diesbezüglich das brandenburgische Cottbus abgelöst hatte, schlugen laut Messungen des Siemens-Konzerns, der bundesweit 2015 knapp 550.000 Lightnings registriert hatte, pro Quadratkilometer gerade mal 4,5 Blitze ein. Der Wert liegt in manchen Tropenregionen bei mehr als 230 Blitzen pro Quadratkilometer und Jahr.
Wo genau die Blitz-Hotspots der Erde angesiedelt sind, das wollten Wissenschaftler unter Leitung von Rachel Albrecht von der Universität von São Paulo herausfinden. Und zwar mit Hilfe von Daten, die von einem Blitzsensor des Nasa-Satelliten "Tropical Rainfall Measuring Mission" über einen Zeitraum von 16 Jahren, von 1998 bis 2013, in einer niedrigen Erdumlaufbahn über sämtlichen tropischen und subtropischen Gebieten des Globus gesammelt worden waren. Die Ergebnisse ihrer Studie, inklusive einer Liste der lokalen 500 Blitz-Hochburgen der Welt und einer Top-Ten-Aufstellung der jeweiligen kontinentalen Lightning-Hotspots, veröffentlichten die Forscher im November 2016 im "Bulletin of the American Meteorological Society".
Generell konnten sie bei ihren Untersuchungen feststellen, dass Blitze weitaus öfter über Land als über dem Meer entstehen, in den Sommermonaten weitaus häufiger anzutreffen sind als im Winter, und am Nachmittag meist am stärksten ausgeprägt sind. Am meisten blitzt es in Bergregionen wie den Anden, dem Himalaya, der Sierra Madre oder dem Mitumba-Gebirge im Kongo. Falls große Feuchtgebiete oder Binnenseen an hohe Bergzüge angrenzen, kann das die Blitzentstehung zusätzlich fördern. "Tatsächlich liegen nur sechs der Top 30 Blitz-Hotspots", sagt Rachel Albrecht, "nicht in der Nähe einer Bergregion." Auch Gebiete in Küstennähe, wie die Everglades in Florida, wo feuchte Luft vom Meer auf das Land weht, gelten als besonders blitzträchtig.
Blitzsensor eines Nasa-Satelliten
Keine Überraschung für das Team um Albrecht war es, dass Afrika beim Blitz-Ranking der Kontinente klar die Nase vorn hatte. In der Liste der 500 Orte mit höchster Blitzhäufigkeit ist es gleich 283 Mal vertreten. Es folgen Asien mit 87 Lokalitäten, Südamerika mit 67, Nordamerika mit 53 sowie Ozeanien mit zehn Orten. Eigentlich hatten die Forscher erwartet, dass die Blitz-Hochburg auch in Afrika anzutreffen sein würde.
Doch dem war nicht so. "Eine überraschende Entdeckung ist es, dass der Ort mit den häufigsten Blitzen der Erde nicht in Afrika liegt, wie bisher vermutet, sondern direkt über dem Lake Maracaibo in Venezuela." Hier blitzt es nahezu täglich, nämlich im Schnitt an 297 Tagen im Jahr. Pro Quadratkilometer wurden pro Jahr mehr als 233 Blitze registriert. Das Naturspektakel, das bis zu 150 Kilometer vor der Küste Venezuelas noch zu sehen ist und von daher früher von den Seefahrern als Navigationshilfe genutzt wurde, ist besonders in den Nachtstunden des Spätsommers, zwischen August und November, ausgeprägt, wenn in manchen Nächten mehr als 65 Blitze den Himmel erhellen. Der Grund für die extrem hohe Blitzhäufigkeit über dem 13.000 Quadratmeter großen See eigentlich einem über eine schmale Meerenge mit dem Golf von Venezuela verbundenen Binnenmeer zwischen den beiden nördlichsten Ausläufern der Anden lässt sich leicht erklären. Wegen der hohen Wassertemperatur verdunstet tagsüber eine große Menge an Flüssigkeit aus dem See. Nachts kühlen die umgebenden Berghänge schneller ab als die warme Luft über dem See. Dieser Temperaturgegensatz fördert die Wolkenbildung und hat eine extrem hohe Quellbewölkung zur Folge, was ständig starke Gewitter mit entsprechend intensiven Entladungen verursachen kann. Der Zweitplatzierte unter den globalen Blitz-Hotspots ist dann aber in Afrika angesiedelt. Und zwar bei Kabare im Kahuzi-Biéga-Nationalpark der Demokratischen Republik Kongo. Hier blitzt es immerhin noch 205 Mal pro Jahr und Quadratkilometer. Genau wie am Maracaibo-See steigt auch hier an der Westseite der Mitumba-Berge feuchtwarme Luft aus dem Kongobecken und dem dortigen Regenwald die Berghänge hinauf.
Auch die Plätze drei bis fünf werden von Lokalitäten aus Afrika und Südamerika belegt: Kampene im Kongo (177), Cáceres in Kolumbien (173) und Sake im Kongo (143,21). Erst auf Platz sechs kommt Asien, wo die meisten Blitzeinschläge im Grenzgebiet zwischen dem Indus-Tal und dem Südrand des Himalaya anzutreffen sind. In der pakistanischen Stadt Daggar Kalay wurden pro Jahr 143,11 Blitze pro Quadratkilometer gemessen. Danach gehören die restlichen Plätze der weltweiten Top-Ten-Liste wieder Afrika und Südamerika: El Tarra in Kolumbien (139), Nguti in Kamerun (130), Butembo im Kongo (129,50) sowie Boende im Kongo (128).
Wetterphänomen besser verstehen
Die kontinentale Blitz-Liste von Mittelamerika führt Patulul in Guatemala mit 117 Blitzen pro Jahr und Quadratkilometer an (was in der Weltliste nur zu Platz 17 reicht), gefolgt von Catarina ebenfalls in Guatemala mit dem Wert 103. Mit den Everglades in Nordamerika tauchen die USA auf der Kontinentliste erstmals und außerhalb der Top-Ten-Liste lediglich auf Platz 14 auf (Weltliste Platz 122). In Ozeanien sind fast alle Blitz-Hotspots an Australiens Nordküste zu finden, mit der einzigen Ausnahme von Ambunti auf Papua Neuguinea, das sich mit dem Wert 59 auf Platz fünf der Top-Ten-Liste platzieren konnte. Spitzenreiter ist Derby mit 95 Blitzen pro Jahr und Quadratkilometer vor Kununurra mit 87.
Zweck der Erstellung eines Blitzhäufigkeits-Rankings und daraus hervorgehender Blitz-Landkarten war keineswegs nur die Suche nach Rekorden, sondern die Tatsache, dass die Lokalisierung von Blitz-Hotspots dabei helfen kann, die Mechanismen des Wetterphänomens besser zu verstehen. "Unsere Studie liefert Einblicke und Kontext für Vorhersagen und für Forscher", sagt Rachel Albrecht, "die anhand dieser Blitzaktivität die Erde und das Wetter besser verstehen."
Peter Lempert