Wahlergebnisse weit unter den Erwartungen, ungeklärte Personal- und Richtungsfragen: Die Linke zeigt derzeit keine besonders attraktive Performance. Dabei bieten die Verhältnisse eigentlich Voraussetzungen, von denen eine linke Partei profitieren könnte.
Die Signale sind ambivalent. Einerseits fährt die Linke bei der Europawahl mit äußerst dürftigen 5,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis ein. Andererseits hat der 26. Mai den Grundstein mit einem zweistelligen Ergebnis (11,3 Prozent) für das erste rot-rot-grüne Bündnis in einem westlichen Bundesland (Bremen) gelegt. Seither ringt die Partei um die zutreffende Interpretation der Ergebnisse.
Für die einen hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, dass der angekündigte Rückzug der ebenso prominenten wie polarisierenden Sahra Wagenknecht aus der Linke-Fraktionsspitze für gemäßigtere Schichten wählbarer würde. Zum anderen hat der klar proeuropäische Kurs, mit dem die Partei ein zweistelliges Ergebnis angepeilt hatte, nicht den erhofften Erfolg gebracht. Im Übrigen ist die innerparteiliche Diskussion über die Linie in migrationspolitischen Fragen weiter offen.
Offen sind auch die Personalfragen. Dabei geht es nicht nur um die Nachfolge für Sahra Wagenknecht an der Fraktionsspitze neben Dietmar Bartsch. Es geht auch um die Partei-Doppelspitze. Katja Kipping und Bernd Riexinger sind zwar eigentlich noch bis zu einem Parteitag im nächsten Jahr gewählt. Aber nach dem frustrierenden Ergebnis der Europawahl gab es bereits Stimmen, die eine Vorverlegung des Parteitags noch in diesem Jahr gefordert haben. Dazu gehört beispielsweise der finanzpolitische Sprecher und Wagenknecht-Vertraute Fabio de Masi, der auch eine Strategiedebatte für dringend geboten hält. Für den einen oder anderen mag dabei auch im Hinterkopf die nicht völlig ausgeschlossene Möglichkeit vorgezogener Bundestagswahlen angesichts des Zustands der großen Koalition eine Rolle spielen.
Inhaltlich ist nicht erst seit den Wahlen in diesem Jahr die große Frage, warum Die Linke nicht von den Situationen profitiert, die als ungelöste Dauerprobleme im Raum stehen: eine sich immer mehr öffnende Schere zwischen Reich und Arm, Alters- und Kinderarmut, prekäre Arbeitsverhältnisse, bezahlbarer Wohnraum, öffentliche Daseinsvorsorge. Alles eigentlich klassische linke Themen, Fragen der gerechten Verteilung und des Wirtschaftens.
Stattdessen eröffnet Juso-Chef Kevin Kühnert, zur Überraschung seiner SPD, eine neue Kapitalismusdebatte, und selbst das Wort von der Enteignung ist wieder zumindest diskussionswürdig geworden.
Trotzdem ist der Versuch, mit „Aufstehen" eine übergreifende Plattform für linke Politik zu entwickeln, zumindest derzeit ziemlich unfruchtbar im Sand verlaufen, wenn auch noch nicht ganz aufgegeben.
Aktuell stehen mit drei Landtagswahlen im Osten (Sachsen, Brandenburg, Thüringen) Herausforderungen an, die aus Sicht der Linken fast schon existenziellen Charakter haben. Einerseits geht es um die Vorherrschaft im Osten angesichts der derzeitigen Umfragewerte der AfD, andererseits darum, die erste von einem linken Ministerpräsidenten besetzte Staatskanzlei in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt zu verteidigen. Bodo Ramelow ist der Erste, der die letzten Jahre zeigen konnte, wie ein linker Regierungschef Politik gestaltet. Ende Oktober fällen die Wähler in Thüringen darüber ein Urteil.