Neuzugang Eduard Löwen muss sich bei Hertha BSC mit dem Reservistendasein abfinden – kämpft aber unbeirrt weiter für seine Chance in der Bundesliga.
Dass der junge Mann keiner ist, der sich vor Trainingseinheiten scheut, sieht man schon seinem muskulösen Körper an: Die auf die 1,88 Meter verteilten 91 Kilogramm Gewicht hat sich Eduard Löwen im Lauf der Jahre auch in regelmäßigen Extraschichten hart erarbeitet. Diese Statur war sicher auch ein Grund für die Verantwortlichen von Hertha BSC, den 22-Jährigen im Sommer vom 1. FC Nürnberg an die Spree zu lotsen. Wegen der Teilnahme Löwens an der U21-EM konnte der Neuzugang aber erst verspätet zum Team stoßen, was Trainer Ante Covic bei seinem ersten Auftritt auf dem Gelände am Schenckendorffplatz noch zu der Formulierung veranlasste: „Er ist bei null, die anderen haben zwei Wochen Vorsprung." Doch keine zehn Tage später schon zeigte sich Covic nach den ersten 45 Minuten seines neuen Schützlings im Testspiel gegen FenerbahÇe Istanbul euphorischer: „Man hat gesehen", so der Hertha-Coach, „was für ein Koffer er ist – in einer Situation haben sich zwei Gegner drangehängt, die hat er abgeschüttelt." Diese Präsenz auf dem Platz gefällt den Verantwortlichen – sie ermöglicht Löwen, dass „er auch als gedeckter Spieler Bälle fordert". Neben der Körperlichkeit zeichnen den 22-Jährigen aber auch eine in diesem Zusammenhang vielleicht überraschende Ballfertigkeit, ein strammer, präziser Schuss und auch seine vielfältige Einsetzbarkeit aus. Am liebsten spielt er zwar im zentralen Mittelfeld, in Nürnberg kam er aber auch schon mal auf den Außenbahnen oder gar in der Innenverteidigung zum Einsatz. Dazu ist er jung an Jahren und damit noch entwicklungsfähig – dieses Gesamtpaket passt(e) ins blau-weiße Beuteschema. Rund sieben Millionen Euro waren die Dienste des Deutsch-Russen der sportlichen Leitung von Hertha BSC wert – zuletzt ließ man sich einen Mittelfeldspieler derart viel Geld kosten, als im Jahr 2001 ein gewisser Marcelinho unter Vertrag genommen wurde.
Hertha-Coach lobt Physis
Vier Jahre früher ist Eduard Löwen in Idar-Oberstein zur Welt gekommen. Seine Eltern stammen aus Russland und hatten sich dort niedergelassen. Als Junge kickte er beim nahe gelegenen SV Hottenbach, bis die Jugendabteilung des 1. FC Kaiserslautern auf ihn aufmerksam wurde. Im Alter von elf Jahren wechselte Löwen zum pfälzischen Traditionsverein, durchlief dort bis zu seinem 18. Lebensjahr sämtliche Nachwuchsteams. Als die A-Junioren des FCK dann aber aus der Bundesliga Süd/Südwest abstiegen, wechselte der zielstrebige Youngster in die U19 des bisherigen Ligarivalen, dem 1. FC Saarbrücken. Nach einem Jahr dort stand für Löwen dann der Wechsel in den Herrenbereich an: der 1. FC Nürnberg nahm ihn damals für die Reserve des Profi-Teams unter Vertrag. In der Regionalliga Bayern wusste er dann allerdings so zu überzeugen, dass der gerade inthronisierte Trainer Michael Köllner ihm im März 2017 zu seinem Zweitligadebüt verhalf – fast auf Anhieb spielte er sich in der Stammformation fest. In der folgenden Saison war er einer der Leistungsträger der Mannschaft, die am Ende den Aufstieg in die Bundesliga bewerkstelligte. Im Oberhaus lief es dann allerdings nicht mehr ganz so reibungslos: Vor allem wegen einer hartnäckigen Muskelverletzung während der Hinrunde brachte es Löwen insgesamt nur auf 22 Bundesligaeinsätze, war aber im zweiten Halbjahr wieder eine feste Größe beim Klub. Den Abstieg konnte allerdings auch der große Kämpfer nicht verhindern – er bedeutete eine erneute Zäsur in Löwens Karriere. Die Chance, sich in der Bundesliga festzuspielen, galt es schließlich zu nutzen – und Hertha BSC wollte ihm diese Möglichkeit geben. Ante Covic vermittelte Löwen dabei erfolgreich, dass ein Wechsel in die Hauptstadt der richtige, nächste Schritt für seine Entwicklung sei: „Er hat sich sehr mit meiner Person auseinandergesetzt und mir das Gefühl gegeben: das passt", erklärte der Neu-Berliner seine Vertragsunterschrift bei den Blau-Weißen. Von der U21-Nationalelf kannte er dazu bereits mit Arne Maier, Jordan Torunarigha und vor allem Maximilian Mittelstädt – Letzteren löcherte Löwen laut eigener Aussage besonders mit Fragen zu Stadt und Verein – gleich drei Hertha-Eigengewächse mit Bundesligaerfahrung.
Starke Konkurrenz
Die Konkurrenz im Mittelfeld – neben dem bislang verletzt fehlenden Maier waren mit Darida, Duda, Grujic und Skjelbred vor der Saison weitere illustre Namen in der Trommel für die maximal drei zentralen Plätze – schreckte den Neuzugang dabei nicht. Allerdings hatte Löwen neben dem Abstieg mit Nürnberg im Sommer auch eine frustrierende U21-EM erlebt, bei der er ohne Einsatz blieb. In der Bundesliga reichte es bisher auch nur zum Reservistendasein – bis zum sechsten Spieltag brachte er es so nur auf drei Kurzeinsätze, der längste davon betrug 21 Minuten. Zuletzt setzten ihn sogar Knieprobleme komplett außer Gefecht – die vor der Saison geäußerte Hoffnung, so viel Spielpraxis wie möglich zu bekommen, hat sich somit zunächst erst mal zerschlagen. Die Formation, die Ante Covic nach Herthas anfänglichen Problemen nun gefunden zu haben scheint, wird es ihm nicht leichter machen: Mit Skjelbred, Grujic und Darida als auserwähltem Trio in der Schaltzentrale ging es zuletzt ja deutlich bergauf. Eine nicht einfache Situation für den Jungprofi, dessen Ambition es auch bei Hertha BSC ist, in der Startelf zu stehen. Das Gute im Fall von Eduard Löwen: Man kann sicher sein, dass er sich trotz der Widrigkeiten nicht hängen lässt. „Ich werde geduldig warten und alles geben – Training für Training, Spiel für Spiel", verspricht das Talent. Das Zeug zum Fan-Liebling bringt er dabei mit: Denn nicht nur seine Spielweise ist schnörkellos, sondern auch sein Auftreten. Tattoos oder Piercings, wie sie inzwischen eine Vielzahl der Bundesligakicker präsentiert, sucht man bei Löwen vergebens. Das passe nicht zu ihm, erklärt der gläubige Fußballprofi – die „Berliner Zeitung" bezeichnete ihn deshalb schon als „Ausnahme im durchgestylten Geschäft". Da verwundert es beinahe ein wenig, dass er den glamourösen Cristiano Ronaldo als Lieblingsfußballer benennt – aber wohl vor allem wegen dessen bekannt professionellen Arbeitens. Als idealen Spieler auf seiner Position sieht Löwen dagegen eher Isco von Real Madrid an. Der 27-jährige spanische Nationalspieler steht derzeit bei den „Königlichen" aufgrund der großen Konkurrenz allerdings vor dem Absprung – zumindest in dieser Hinsicht wird sich der bis 2024 an Hertha BSC gebundene Löwen aber nicht an seinem Vorbild orientieren.