Erst kürzlich hat der Bundestag des DFB die Aufstiegsregelung aus der Regionalliga neu verabschiedet. Doch der Streit schwelt weiter. Mittendrin: Oliver Bierhoff.
Rund drei Jahre lang wurde diskutiert, wie die Anzahl der Regionalliga-Staffeln von fünf auf vier reduziert werden kann. Zahlreiche Modelle standen zur Debatte, eine mehrheitliche Lösung für eine viergleisige Regionalliga fand sich nicht – weil die Interessen der einzelnen Vereine und Landesverbände zu unterschiedlich sind. Somit bleibt alles beim Alten: Fünf Staffeln, vier Aufsteiger und somit auch vier Absteiger aus der Dritten Liga. Noch Anfang März hatten sich die 20 Drittliga-Vereine mit nur einer Ausnahme, Energie Cottbus, auf einen Kompromiss geeinigt, der vorsah, dass es vier direkte Absteiger aus der Dritten Liga geben soll, wenn die Zahl der Regionalligen auf vier reduziert wird. Damit hatten sie den Weg dahin geebnet, dass der jeweilige Meister aufsteigen würde. Daraus wurde nichts. Denn die mögliche Zerschlagung der Regionalliga Nordost ist vom Tisch. Die war angedacht, da bei einer Reduzierung auf vier Ligen die drei Staffeln aus dem Norden, Nordosten und Bayern zu zwei Ligen zusammengelegt hätten werden müssen. 47 von 51 Vertretern der Fußball-Drittligisten sowie der Regionalliga-Vereine aus dem Norden, Nordosten und Bayern stimmten allerdings dagegen.
Der für den Amateurfußball zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch sprach auf dem DFB-Bundestag dennoch von der „vielleicht besten aller schlechten Möglichkeiten". Widerstand gegen den Kompromiss gab es von Anfang an vom Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV), der Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vertritt. Forderung des NOFV war von Anfang an, dass die Regionalliga Nordost in ihrem jetzigen Zustand erhalten bleibt und einen festen Aufstiegsplatz in die Dritte Liga bekommt. Falls die Zahl der Regionalligen auf vier reduziert wird, damit alle Meister aufsteigen, würde wohl kein Weg daran vorbeiführen, die Nordost-Staffel aufzuteilen. Dagegen hatte der Verband stets gekämpft. „Unsere oberste Priorität ist die Erhaltung der Regionalliga Nordost. Das ist unsere Premium-Liga", sagte NOFV-Präsident Erwin Bugar dem Internetportal „Sportbuzzer".
Nordosten gegen Reduzierung
Die einzige Möglichkeit, den gordischen Knoten zu durchschlagen wäre, die Dritte Liga aufzustocken – zum Beispiel auf 22 oder 24 Teams – und fünf Teams absteigen zu lassen. Dann könnten alle fünf Regionalliga-Meister aufsteigen. Dagegen wiederum hatten sich die meisten Drittligisten ausgesprochen. Sie fürchten Mehrkosten für größere Kader und zusätzliche Fahrten. Die Debatte wird also auf jeden Fall weitergehen. „Füße stillhalten ist nicht. Das ist immer wieder ein neuer Prozess", sagt Bugar gegenüber „Sportbuzzer".
Und in diesen hat sich nun auch noch Oliver Bierhoff, DFB-Direktor Nationalmannschaften und Akademie, eingeschaltet. „Wir machen uns Gedanken darüber, welche Strukturen wir für einen besseren Werdegang der Spieler ändern müssen. Ein Beispiel: die Dritte Liga. Würde es helfen, sie in Zukunft wieder zweigleisig laufen zu lassen, oder sogar dreigleisig?", sagte Bierhoff dem „Kicker". Ziel der zur Saison 2008/09 neu geschaffenen dritten Profi-Liga war eine höhere Leistungsdichte im Unterbau der beiden Oberhäuser. Das Aufbrechen dieser Struktur könnte laut Bierhoff „eine Möglichkeit sein, jüngeren Spielern mehr Spielmöglichkeiten zu geben. Aktuell fehlt die Auswahl an jungen deutschen Spielern, wie es zum Beispiel vor zehn Jahren der Fall war". Die Begeisterung bei den betroffenen Vereinen hält sich in Grenzen. „Eine Zwei- oder gar Dreiteilung würde aus unserer Sicht die Attraktivität und die sportliche Qualität dieser Liga reduzieren, was mit Sicherheit auch Einnahmeverluste nach sich ziehen würde", gibt Nikolas Weinhart, Geschäftsführer des KFC Uerdingen auf Anfrage der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" zu bedenken. Das Niveau würde in einer mehrgleisigen Liga seiner Ansicht nach „zwangsläufig sinken". Talente würden besser werden, wenn sie sich möglichst früh mit starken Spielern messen müssen.
Viele Argumente gegen Teilung
Verwundert zeigte sich gegenüber der „WAZ" auch der Sportdirektor des MSV Duisburg, Ivica Grlic, darüber, von Bierhoffs Idee aus den Medien erfahren zu haben, noch bevor sich Vereine und Verband bezüglich eines Konzepts zusammengesetzt hatten. Auch der 44-Jährige sieht nur wenige Gründe, an der gegenwärtigen Situation etwas zu ändern. „Bisher ist die Dritte Liga als Teil des Profifußballs unserer Ansicht nach in seiner Eingleisigkeit sehr gut vermarktet. Außerdem hat sich die Liga unter den aktuellen Rahmenbedingungen als adäquate Ausbildungsstation für Spieler der höheren Ligen erwiesen. Die Liga ist sportlich aktuell sehr homogen, was sowohl der Attraktivität für Zuschauer als auch für Spieler zugutekommt. Des Weiteren ist der Sprung zwischen Zweiter und Dritter Liga nicht allzu groß", sagte er der „Westdeutschen Regionalzeitung". „Man muss erst einmal wissen, woher dieser Vorschlag kommt. Aktuell sehe ich keine Chance darin, dass sich dadurch etwas verbessern würde. Wir müssen über die Struktur unter der Dritten Liga nachdenken. Wir wollten die Regionalliga-Reform einführen und haben drei Jahre nur über die Dritte Liga geredet. Für mich ist es ein ganz interessanter Ansatz, die Regionalligen so zu belassen, aber zwei vierte Ligen einzuführen mit Nord- und Südstaffel unter der Dritten Liga", gab der Geschäftsführer des Drittligisten FC Magdeburg, Mario Kallnik, zu bedenken. Gegen eine Aufteilung der Dritten Liga sprach sich auch der Vorstandschef von Hansa Rostock, Robert Marien, aus: „Den Vorschlag von Bierhoff finde ich nicht griffig. Wir haben miteinander telefoniert, ich habe ihm gesagt, was ich davon halte. Wir haben die Dritte Liga nicht umsonst vor zehn Jahren eingleisig gemacht. Damit die Qualität steigt. Das sieht man, das ist die engste Liga von allen. Wir sind auch nicht dazu da, die Weltmeister der Zukunft auszubilden." Die Aufstiegsaspiranten aus den Regionalligen sind ebenfalls skeptisch.
„Neben vielen weiteren offenen Fragen wäre zu klären, ob eine zwei- oder dreigleisige Dritte Liga auch zu einer weiteren Aufteilung der TV-Einnahmen für die dann doppelte, beziehungsweise dreifache Anzahl von Drittligisten führt", teilt der finanzstarke West-Regionalligist Rot-Weiß Essen mit.
Bei Energie Cottbus, zuletzt Pendler zwischen Dritter und Regionalliga, will man sich mit dem bisherigen Ergebnis nicht abfinden. „Das erste, was hätte entschieden werden müssen: Fünf Aufsteiger, fünf Absteiger, auf 22 Vereine erhöhen. Die dritte deutsche Liga kann das vertragen. Das Problem im deutschen Nachwuchs ist: Alles ist gleichförmig, es ist nicht mehr innovativ, jeder hat das gleiche System, es gibt keine Überraschung. Ich mache dagegen einmal die Woche Straßenfußball, so etwas würde mal guttun", sagte Trainer Claus-Dieter „Pele" Wollitz dem Mitteldeutschen Rundfunk.
Finanzprobleme in der Dritten Liga
Marcus Mann, Sportchef beim Tabellenführer der Regionalliga Südwest, 1. FC Saarbrücken, plädiert dagegen für eine Reduzierung der Regionalligen: „Wenn man will, dass alle Meister aufsteigen, ist das der einzige Weg. Da sich aber jeder Verein und jede Liga selbst am nächsten sind und Kompromisse fast unmöglich zu finden sind, ist die jetzige Lösung die vernünftigste. Eine Aufstockung oder Teilung der Dritten Liga ist Schwachsinn. Diese hat sich seit Bestehen in ihrer jetzigen Form positiv entwickelt und bewährt. Die Vereine bräuchten etwas mehr finanzielle Unterstützung vom DFB, um langfristig dort überleben zu können."
Denn die Finanzierung der Dritten Liga ist immer noch extrem schwierig.
Das belegen auch die neuen Zahlen. Zwar vermeldet der DFB Rekordwerte, was das öffentliche Interesse betrifft. Erstmals kamen mehr als drei Millionen Zuschauer zu den 380 Spielen in die Stadien. Der Umfang der TV-Berichterstattung summierte sich auf den Höchstwert von 1.390 Stunden. Mit insgesamt 185 Millionen Euro erzielten die 20 Clubs so hohe Erträge wie noch nie. Allerdings wurde auch mehr Geld als je zuvor ausgegeben. 13 Clubs schlossen die Saison mit einem negativen finanziellen Ergebnis ab. Zum neunten Mal in elf Jahren wurde in der Dritten Liga im Gesamtdurchschnitt ein Fehlbetrag ausgewiesen. In der Saison 2018/2019 betrug er 1,5 Millionen Euro pro Club, es ist der höchste Fehlbetrag seit Einführung der Dritten Liga.