Vor zwei Jahren kam es bei der „Echo"-Preisverleihung zum großen Eklat. Zwei Preisträger waren durch Juden-, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit aufgefallen. Der Musikpreis wurde abgesetzt. Eine Ersatzveranstaltung floppte schon, nun gibt es den nächsten Versuch.
Die Verleihung von Film- oder Musikpreisen lebt bekanntermaßen vor allem von Prominenten. Die Zauberformel: Prominenz plus ein ordentlicher Schuss Glamour. Mit dieser Formel findet man fast immer ein großes Publikum. Das erzeugt automatisch Schlagzeilen – egal ob rühmlich oder nicht. Nur so erreicht man auch die notwendige, mediale Reichweite. Wenn man schon im Vorfeld klipp und klar sagt: „Neben einigen Weltstars werden auch weniger bekannte Künstler dabei sein, die aber nicht weniger interessant sind", – wird es schwierig. So umschreibt auch Sebastian Zabel das Konzept des neuen „International Music Award" (IMA), der am letzten Novemberwochenende in Berlin verliehen werden soll. Zabel ist seit sieben Jahren Chefredakteur des renommierten Musikmagazins „Rolling Stone". Das gehört zum Axel-Springer-Konzern. Und genau dort hat man sich jetzt der Sache mit der „Echo"-Nachfolge-Veranstaltung angenommen. Dabei will man völlig neue Wege gehen. Das fängt schon beim Ausloben der Künstler für einen der Preise an. Nicht der kommerzielle Erfolg – also verkaufte Tonträger und Klickrates – sollen zählen. Zabel: „Bei uns kommt es auf Innovationskraft, Leidenschaft und Haltung an. Das sind für die Jury die entscheidenden Kriterien, um ausgezeichnet zu werden."
Innovationskraft, Leidenschaft und Haltung als Kriterien
Eine deutliche Ansage – schließlich haben die Organsiatoren aus dem Eklat um die „Echo"-Verleihung 2018 gelernt. Die Deutschrapper Kollegah und Farid Bang waren für ihr Album ausgezeichnet worden – trotz menschenverachtender Texte, deutlich frauen- und minderheitendiskriminierend und antisemitisch. Was eine Welle der Empörung auslöste – zahlreiche Künstler gaben daraufhin ihre „Echo"-Preise zurück. Und der Musik-Award war so stark beschädigt, dass der Bundesverband Musik beschloss, ihn einzustampfen. Nun also muss sich der „International Music Award" erst einmal sein Publikum suchen – will sich, wie es heißt, auch international orientieren.
Die Preisverleihung wird nicht im linearen Fernsehen (also bei einem der großen Sender) zu sehen sein. Auch Netflix und Amazon Prime haben abgewunken. Aus diesem Grund wird die Gala lediglich bei Magenta TV (3,4 Millionen Zuschauer) oder Magenta Musik 360 live gestreamt.
Weltstars bei der Gala sollen für mediale Aufmerksamkeit und deutlich höhere Nutzerquoten auf den Magenta-Kanälen sorgen, Musikikone Sting hat zugesagt, einer der erfolgreichsten Musiker der zurückliegenden Jahrzehnte. Er wird für sein Lebenswerk mit dem sogenannten Hero-Award geehrt. Um ein weiteres Urgestein der Musikbranche bemühen sich die Organsiatoren noch – ob Udo Lindenberg tatsächlich kommt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Aber Topmodel Toni Garrn wird, so heißt es auf der Webseite des Musikpreises, die Veranstaltung moderieren, und Max Herre wird gemeinsam mit seiner Ehefrau Joy Denalane auftreten.
Zudem hat die kanadische Musikerin Peaches ihre Teilnahme zugesagt, ein weiterer Name, der für den erwünschten Glamour-Effekt sorgt. Die Rechnung könnte also aufgehen, dass sich so ein vorwiegend jüngeres online-affines Publikum zum Streamen des Awards auf den Magenta-Kanälen animieren lässt. Das vermutlich auch gespannt sein dürfte, ob beispielsweise Solange, Little Simz oder doch Anna Calvi den Award in der Kategorie Sound gewinnt. Oder wer den Preis für „Commitment" abräumt – etwa Chance the Rapper? Oder die schwedische Sängerin Lykke Li, die durch eine Coverversion des Titels „I follow rivers" bekannt wurde. Oder aber der britische Rapper Slowthai, der mit seinen Texten die britische Politik und vor allem den Brexit angreift?
Magenta TV überträgt per Livestream
In insgesamt acht Kategorien werden am 22. November in der Berliner Verti Music Hall die Awards verliehen, und auch das darüber entscheidende Panel liest sich wie ein Who is who der Musikbranche. Vom Mitgründer der Britpopband „Oasis" Liam Gallagher über den Produzenten und DJ Carl Craig aus Detroit, der als einer der Pioniere des Technos gilt. Von Ausnahme-Pianist Chilly Gonzales bis hin zu Autor Benjamin von Stuckrad-Barre und dem Sänger und Gitarristen Frank Spilker. Der Hamburger ist Frontmann der Band Die Sterne. Mit von der Partie sind aber auch Cro, der Rapper mit der Panda-Maske, und Schauspielerin Meret Becker. Dazu kommen Musikkritiker, DJs, Komponisten – ein facettenreiches Jurorenteam, das auf ein ebenso breit angelegtes Spektrum von Nominierten trifft.
Der IMA sei ein „Preis von Leuten, die Musik lieben – an Leute, die Musik lieben", heißt es ganz schlicht in der Eigendarstellung des Awards. Musikkompetenz trifft hier ganz offensichtlich auf gute Vernetzung in der Branche.
Ob der Award allerdings eine ähnlich große Öffentlichkeit wie der „Echo" in seinen besten Jahren erreichen wird, bleibt noch abzuwarten.
Der IMA findet am 22. November in der Berliner Verti Music Hall statt.