Der Neunkircher Kneipier Gerd Erdmann versucht derzeit, als Best-Ager-Model durchzustarten. Seine Tochter Fiona, ein bereits international anerkanntes Model, hat ihm Starthilfe gegeben. Im Interview spricht der 71-Jährige über seine ersten Aufträge, seine Zeit als Bildhauer und wie es mit seiner Kneipe „Erdmanns" weitergeht.
Herr Erdmann, Sie werden Model mit 71 Jahren. Wie nennt sich das, was Sie tun?
Die korrekte Bezeichnung ist Best-Ager-Model. Es geht bei 50 los, ich bin jetzt über 70. Das ist die höchste Stufe, was das Alter angeht. Ich schaue einfach, dass ich da so langsam reinkomme. Mal sehen, was sich entwickelt.
Und wie sind Sie dazu gekommen, in diesem Alter noch zu modeln?
Meine Tochter Fiona hat gesagt: Papa, bewirb dich doch einfach mal als Best-Ager-Model. Ich habe also der Agentur von Rolf Scheider in Berlin Fotos geschickt. Der hat daraufhin gesagt: Komm mal vorbei. Und bei dieser Agentur bin ich jetzt gelistet. Die haben mich wahrscheinlich auch genommen, weil ich mit über 70 ein gänzlich anderer Typ bin als der Standard. Ich bin halt ein Späthippie.
Wer kann Best-Ager-Model werden? Gibt es Kriterien, die man auch unabhängig vom Typ erfüllen muss?
Man sollte idealgewichtig sein, eine gewisse Größe haben und sich bewegen können. Wie bei den anderen Models auch. Ich bin mittlerweile bei vier unterschiedlichen Agenturen gelistet. Ich bin auf eine Art zeitlos, gehe aber auch als Senior durch, obwohl ich das nach außen nicht so dokumentiere. Man muss sich schon wandeln können.
Wie läuft es bisher für Sie?
Ich bin jetzt ein Dreivierteljahr dabei. Ich war über meine Agentur gerade in Berlin, um gemeinsam mit Boris Becker einen Werbespot für Media Markt und Saturn zu drehen. Wir sitzen gemeinsam am Pokertisch, am Ende hat Boris Becker die besseren Karten und gewinnt. Ich habe außerdem in ein paar Musikvideos mitgespielt, beispielsweise bei Joey Heindle. Er hat ein Lied gemacht, das heißt „Geschichtenerzähler". Er hat in der Schweiz ein Video dazu drehen lassen, in dem ich Joey als alten Mann gespielt habe. Der Dreh war sehr unterhaltsam. Das Video und den Werbespot kann man auch online anschauen.
Sie betreiben gleichzeitig in Neunkirchen noch ein Kulturlokal, das „Erdmanns". Der Modelberuf erfordert auch eine gewisse zeitliche Flexibilität. Würden Sie sich darauf einlassen?
Ja, natürlich. Ich habe das „Erdmanns" über 25 Jahre gemacht. Dann war ich sehr krank und habe vor drei Jahren eine neue Leber bekommen, weil meine Leber bedingt durch einen genetischen Fehler geschädigt war. Ich hatte Glück. Wenn kein neues Organ gekommen wäre, wäre ich gestorben. In dieser Zeit war das Lokal vermietet, aber ich will es jetzt drei Tage in der Woche wieder selbst betreiben. Was die Gastronomie angeht, sind die Leute etwas verärgert, wenn man sagt: Heute Abend ist zu, weil ich dies oder das machen muss. Deshalb habe ich mir diese drei Tage in der Woche ausgesucht, für die ich auch notfalls jemanden hätte, der es in dieser Zeit übernimmt. Denn wenn Aufträge kommen, bei denen ich weg muss, muss ich auch bereit sein, das zu machen. Der Anruf für den Videodreh in Berlin kam zum Beispiel drei Tage vorher.
Sie haben Ihren ganz eigenen Kleidungsstil.
Ich gehe immer gern in Geschäfte. Aber nicht mit dem Wunsch, etwas finden zu müssen. Wenn ich etwas sehe, und es mir gefällt, dann kaufe ich es. Als ich zum Beispiel nach München gegangen bin, um in der Agentur vorzusprechen, habe ich eine geblümte Jacke gekauft. Und dem Agenturchef hat die Jacke gut gefallen, da hatte ich gleich schon mal einen Pluspunkt.
Sie rücken mit Ihrer Tätigkeit jetzt immer mehr in die Öffentlichkeit. Wie ist das?
Die Leute kommen natürlich und fragen. Ich denke, man kokettiert ja gerne damit. Und wenn man die Projekte in den sozialen Medien teilt, kann man sich damit selbst auch ein bisschen bewerben. Das gehört dazu.
Social Media, das ist ja mittlerweile für viele auch ein Teil der Arbeit.
Wenn man mal auf Instagram schaut, wie viele Leute irgendwo unterwegs sind … Meine Tochter Fiona, die ich in Dubai besucht habe, hängt da schon mal bis nachts um 3 Uhr dran. Ich bekomme für meine Sachen manchmal Likes aus Südamerika oder aus Japan.
Oft ist es umgekehrt, da haben Kinder berühmte Eltern. Wie ist das für Sie mit einer berühmten Tochter?
Stimmt, es ist gerade umgekehrt. Durch Fiona war da schon der Fuß in der Tür. Das ist positiv. Wir haben auch ganz viele Fotos in Dubai gemacht, richtig gute Fotos, die wir auch den Agenturen gegeben haben. Insoweit nützt mir das schon was. Sie kann mir auch Tipps geben.
Sie hatten schon immer Ihren eigenen Kopf …
Ich musste einer höheren Schule wegen schlechter Noten den Rücken kehren und habe angefangen, Dekorateur zu lernen. Danach habe ich per Anhalter einen Trip nach Südfrankreich in die Gegend von Saint-Tropez und Sainte-Maxime gemacht, weil ich Brigitte Bardot und Gunter Sachs sehen wollte. Dort bin ich drei Monate geblieben.
Wie ist es zu Hause weitergegangen?
Ich habe meine Bundeswehrzeit absolviert und danach Bildhauer gelernt. Ich war Steinbildhauer und habe figürlich gearbeitet. Ich war 25 Jahre in diesem Job und habe Sachen wie Lebensbäume, betende Hände, Engel und solche Dinge gemacht. Aber weil es sich irgendwann so entwickelt hat, dass die Firma viele Fertigprodukte benutzt hat und für mich das Künstlerische und Handwerkliche nicht mehr da war, habe ich mein erstes Lokal eröffnet. Ich war außerdem zweimal verheiratet und habe drei Töchter von drei verschiedenen Frauen. Ich bin auch schon seit 18 Jahren Großvater. Ich habe zudem auf Mallorca 20 Jahre eine Finca gehabt, habe dort als Bildhauer gearbeitet und dort Kurse gegeben.
Das klingt sehr vielseitig. Stichwort strukturierter Messie: Ihr Haus, in dem sich auch das „Erdmanns" befindet, ist bemerkenswert.
Mit dem ganzen Krempel, den ich hier habe, musst du schon eine Wohnung haben, die über 100 Quadratmeter hat. Dabei ist das nicht das Ende der Fahnenstange, da ist noch der Keller voll, da ist noch die Garage voll. Es gibt so viele Dinge, die ich gehortet und gesammelt habe. Wenn ich das Zeitliche segne, müssen meine Kinder sich damit rumschlagen. Meine Töchter werden das ein oder andere vielleicht als Erinnerung an den Papa behalten und das Haus vielleicht verkaufen. Aber ich mache mir heute keine Gedanken darüber, was dann passiert. Da müsste ich mich ja jetzt schon mit meinem Tod auseinandersetzen.
Dabei starten Sie ja gerade wieder neu durch.
Mit 71 gibt es viele aus meinem Bekanntenkreis, die in diesem Alter gestorben sind. Aber ich denke, nachdem das mit der Transplantation gut funktioniert hat, dass das andere auch funktioniert.
Gibt es auch Leute, die Ihr neues Standbein für Quatsch halten?
Es gibt ’ne ganze Menge. Ich war ja immer ein Paradiesvogel. Die Leute hier nehmen das Ganze auch nicht so ernst, aber man kann ja auch nicht jedem immer alles erklären. Es gibt einige, die sehen es positiv, andere sehen es als Spinnerei. Wobei ich diese Bezeichnung, als Spinner gesehen zu werden, nicht schlimm finde. Ich bin halt so, wie ich bin. Ich bin immer so ein bisschen außerhalb der Norm gelaufen. Ansonsten bin ich im Grunde genommen ein konservativer Mensch. Ich bin nicht so, wie ich optisch erscheine. Ich rücke den Bleistift auch mal gerade, wenn er schief liegt. Ich habe meine Ordnung in allem, und ich bin immer zuverlässig.