Das sogenannte Ibiza-Video hat die politische Landschaft in Österreich Mitte Mai nachhaltig erschüttert. Zuerst trat Auslöser Heinz-Christian Strache von allen Ämtern zurück, dann zerbrach die Regierung durch ein Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz. Nach Neuwahlen sucht Österreich nun eine neue Regierung.
Heinz-Christian Strache mag Ibiza immer noch. Auch diesen Sommer machte der österreichische Ex-Vizekanzler von der rechtspopulistischen FPÖ auf der Mittelmeerinsel Urlaub – alles wie immer, seit 17 Jahren entspannt er sich dort. Traumatische Erinnerungen an den Ort, an dem seine politische Karriere ausgebremst wurde? Keine Spur. Warum auch, wenn man sich als Opfer einer Schmutzkübel-Kampagne wahrnimmt und die Schuld in erster Linie bei anderen sieht. Die Affäre begann am Abend des 17. Mai. Der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichten einen wenige Minuten langen Zusammenschnitt aus vielen Stunden Videomaterial einer verhängnisvollen Nacht auf Ibiza. Hauptdarsteller: HC Strache, damals FPÖ-Chef, mitten im Wahlkampf und auf bestem Weg zu einem für die Partei sehr guten Wahlergebnis. Mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte spricht er über möglicherweise illegale Spenden an parteinahe Vereine, über Staatsaufträge, die er ihr zuschanzen würde. Und auch darüber, dass die vermeintliche Russin gerne bei der in Österreich sehr einflussreichen „Kronen-Zeitung“ einsteigen sollte, um die FPÖ zu unterstützen.
Das Blatt hat laut Media-Analyse in Österreich eine Reichweite von 27,2 Prozent. Wer das Blatt auf seiner Seite hat, darf sich für gewöhnlich über ein gutes Wahlergebnis freuen. Das ist der Köder – und Strache beißt an. Sein „zack, zack, zack“ ist in Österreich zum geflügelten Wort geworden.
Gedreht wurde das Video, eine lange geplante Falle für Strache und seinen ebenfalls anwesenden Parteifreund Johann Gudenus, im Sommer 2017. Wieso es dann so lange bis zur Veröffentlichung dauerte, sorgte ebenfalls für Diskussionsstoff. Der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ beteuern, dass sie das Material kostenlos erhalten haben.
Kurz erhält neuen Regierungsauftrag
Fakt ist: Die Veröffentlichung löste ein politisches Beben aus. Nach Straches Rücktritt zerbrach die gesamte Regierung, letztlich konnte sich auch der junge Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht im Amt halten. SPÖ und FPÖ hatten die gesamte Regierung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz per Misstrauensvotum im Parlament abberufen. Wenige Tage nach dem Sturz der Regierung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz hatte Österreichs Bundespräsident die Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein als künftige Kanzlerin einer Übergangsregierung auserkoren. Die 69-Jährige ist damit die erste Frau in Österreich in diesem wichtigen Staatsamt. Bierlein – eine Spitzenjuristin mit tadellosem Lebenslauf – war bisher Präsidentin des österreichischen Verfassungsgerichtshofs.
Am 29. September standen dann Neuwahlen an, aus denen Ex-Kanzler Kurz als strahlender Sieger hervorging. Die ÖVP von Kurz erhielt 37,5 Prozent der Stimmen – ein Plus von sechs Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2017. Die Grünen konnten 13,9 Prozent (plus 10,1 Prozentpunkte) der Wähler von sich überzeugen und zogen damit nach der herben Niederlage vor zwei Jahren wieder in den Nationalrat ein. Während auch die SPÖ (21,2 Prozent) für Regierungsverhandlungen bereit gewesen wäre, sieht sich der vorherige Koalitionspartner der ÖVP, die rechte FPÖ (16,2 Prozent), in den kommenden Jahren eher in der Opposition. Eine neue Regierung stand bei Redaktionsschluss aber noch nicht fest.
Für Heinz-Christian Strache, Auslöser der Krise in Österreich, ist die politische Karriere vorüber. Der Absturz der FPÖ wird nicht zuletzt ihm angelastet. Eine Woche vor der Wahl geriet die Partei zudem in eine Spesenaffäre. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Strache, weil er Spesen möglicherweise falsch abgerechnet und sich so Parteigelder in die eigene Tasche gesteckt hat. Strache bestreitet die Vorwürfe gegen ihn zwar vehement, dennoch nahm er zwei Tage nach dem Wahldebakel seinen Hut und ließ seine Mitgliedschaft ruhen.