Anwendungen mit ultraviolettem Licht sollen zuverlässig die Ausbreitung von Bakterien und Viren wie Covid-19 bremsen – ohne Menschen zu gefährden.
Schüler sind zurück in der Schule und haben im Informatikunterricht ein schuleigenes Tablet in der Hand. Das Szenario: Ein Nutzer niest versehentlich auf das Tablet, es läutet zur Pause. Danach hält eine Schülerin einer anderen Klasse das digitale Gerät vor ihre Augen. Mit allem, was an Viren, Bakterien und Keimen ihres Vor-Niesnutzers auf dem Display-Computer noch lebt. Zwischendurch Desinfizieren wäre die Lösung. Rein mit dem Unterrichts-Tablet oder auch mit dem eigenen Smartphone in die Lebensmittel-Mikrowelle vom Pausenverkauf geht aber nicht. Das Elektronik-Gadget eignet sich nicht dafür, sich von deren elektromagnetischen Wellen, die Reibung erzeugen, von innen durchwärmen zu lassen.
Obwohl in Pandemie-Zeiten in den Schulen zusätzlich an den Vormittagen zwischendurch geputzt wird, gibt es bei den elektronischen Hand-Geräten ein Problem: Chemische Reinigungsmittel zerstören die fettabweisende Beschichtung des Displays. Warum also nicht einfach auf ultraviolettes Licht (UVC) zurückgreifen, wie es für die großtechnische Aufbereitung von Trinkwasser schon fast seit hundert Jahren in Städten und Brauereien via Quecksilberlampen eingesetzt wird?
Nicht geeignet für menschliche Haut
Die klassischen UV-Strahler sind aber nicht mobil und flexibel. Zudem brauchen sie lange zum Aufwärmen und gehen schnell kaputt. Häufiges Ein- und Ausschalten nehmen sie übel. Auch in Sachen Reinheit geht noch mehr: „Konventionelle Quecksilberleuchten senden Licht bei 254 Nanometern aus und liegen damit unterhalb der optimalen Wellenlänge von 265 Nanometern. Die Desinfektionsleistung ist nicht optimal“, sagt Thomas Westerhoff, Wissenschaftler am Institutsteil Angewandte Systemtechnik (AST) des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB).
Die gute Nachricht aus deutschen Forschungslaboren, von hiesigen Mittelständlern und Groß-Industrien wie Osram: Erst haben LEDs die klassische Glühlampe in Haushalten abgelöst. Jetzt sollen neue Produktionen aufgezogen werden, um UVC-LEDs anstelle großer Quecksilberlampen massenhaft für Hygieneanwendungen herzustellen. Mit ihnen soll eine „saubere“ Desinfektion erreicht und trotzdem auf Schwermetalle, komplexe, mechanische Schwingungsdämpfung und hohen Energieaufwand verzichtet werden. Mit den dezentral einsetzbaren Leuchtdioden mit ultraviolettem Licht könnten die Nutzer zudem sehr viele Objekte desinfizieren. Wenn natürlich auch nicht alles. Und schon gar nicht ihre Hände. Prädikat: Höchst gefährlich für menschliche Haut und Hornhaut!
„Deutschland hat das Potenzial, Vorreiter zu werden bei entsprechend hochwertigen Lösungen für Anwendungsfälle, die man jetzt braucht“, so IOSB-AST-Sprecher Martin Käßler gegenüber FORUM. „Wir können jeden Desinfektionsprozess zu 100 Prozent validieren, da ist nichts mehr dran.“ Nutzer sollen den „Nicht nur sauber sondern rein“-Effekt im Einsatz gegen Viren und Bakterien verlässlich nachvollziehen können. „Deshalb brauchen wir für alle Desinfektionsanwendungen einen integrierten Sensor, der abliest, wie viel Prozent der Erreger abgetötet werden“, sagt Käßler. „Das ist neu.“
Auch wenn LEDs robuster als Quecksilberleuchten sind und gehofft werden darf, dass sie – je nach Anwendung und Qualität – bis zu fünf Jahre halten, fangen auch sie irgendwann an zu schwächeln. Ein Nahfeldkommunikation (NFC)-Protokoll dokumentiert deshalb in der Fraunhofer-Lösung genau, wie hoch beispielsweise die tatsächlich wirksame Dosis war, ob tatsächlich die gewünschte Reinheit erreicht wurde. Der Nutzer kann sein desinfiziertes Smartphone identifizieren und die Desinfektionsdaten auf einem LCD-Display ablesen.
UVC-Leuchtdioden haben besonders im Wellenbereich von 265 Nanometern das Potenzial, Bakterien, Viren und Keime zuverlässig und sicher abzutöten. Vorausgesetzt, sie kommen kontrolliert und passend designt zum Einsatz. Geeignete Bestrahlung zerstört den Fraunhofer-Forschern des IOSB-AST zufolge das Erbgut der Erreger und verhindert so deren Vermehrung.
Vorteil der neuen Hightech-Leuchten: UVC-LEDs erreichen sofort die volle Leistung. Sie sind mechanisch hochstabil, nicht giftig und lassen sich im Niedrigspannungsbereich betreiben.
Käßler erwähnt, dass sich mit der UVC-LED-Technologie „punktgenau“ und „in ganz kurzer Zeit“ etwa auch Kronkorken desinfizieren ließen. Als Punktstrahler bieten LEDs viele Einsatzmöglichkeiten. Umdrehen, bestrahlen – fertig. Das Verfahren mit UVC-LEDs soll sich zur Desinfektion von Brauwasser und im Abfüllprozess von Deckeln für Bier, Erfrischungsgetränke und Mineralwasser eignen. Zusammen mit dem Projektpartner Purion GmbH, einem mittelständischen Unternehmen aus Zella-Mehlis, das UV-Desinfektionsanlagen für diese Bereiche herstellt, wollen die Fraunhofer-Forscher die konventionellen quecksilberhaltigen Strahler durch ultraviolette Leuchtdioden (UVC-LEDs) zur pragmatischen und sicheren Keimabtötung ersetzen.
Zurück zu den Schul-Tablets, oder zunächst einmal zu Smartphones, die unter Schülern gerne weitergereicht werden, um anderen etwas zu zeigen. So reifte bei den Fraunhofer-Forschern der Plan, mit solch multifunktionalen Handys die Vielseitigkeit ihrer flexiblen UVC-LEDs vorzuführen. „Seit vielen Jahren arbeiten wir im Rahmen des BMBF-Programms „Advanced UV for Life“ an sehr unterschiedlichen Anwendungen für UVC-Technologien im Bereich der Desinfektion. LEDs bieten dabei große Vorteile, was wir am Beispiel der Smartphone-Desinfektion hervorragend demonstrieren können“, sagt Ingenieur Thomas Westerhoff vom Fraunhofer IOSB-AST.
Herausgekommen ist für die Smartphone-Desinfektions-Demo eine abgeschottete Reinigungskammer, die einer klein ausfallenden, handelsüblichen Mikrowelle ähnelt. Äußerlich. Innen arbeitet sie mit Leuchtdioden und ultraviolettem Licht mit einer Wellenlänge von 265 Nanometern.
Design und Dosierung auf Handys abgestimmt
Design und Dosierung sind exakt auf Smartphones abgestimmt. Mobiltelefone sollen in der Reinigungskammer von oben und unten mit einer Gesamtstrahlleistung von zwei Watt und einer Bestrahlungsdosis von 800 Joule pro Quadratmeter innerhalb weniger Sekunden von Bakterien und Viren wie SARS-CoV-2 befreit werden. „Strahlungswerte und Dosis reichen grundsätzlich gegen Viren und Bakterien aus. Egal, um was es sich bei ihnen handelt“, sagt Käßler.
Anwendungsgebiete nach Art der Handydesinfektion, wie sie die Fraunhofer-Forscher entwickelt haben, sollen vom klinischen Bereich über die private und gewerbliche Nutzung bis hin zum Eventmarkt reichen. „Als grundsätzliche Idee, um Handys oder perspektivisch Atemschutzmasken zu desinfizieren, hat die Technologie auf jeden Fall großes Potenzial“, sagt Käßler. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt würden. „Beispielsweise bei Atemschutzmasken muss sichergestellt sein, dass es keine Verschattungsbereiche gibt.“ Das ließe sich aber entsprechend anordnen.
Sicher für Mensch und Umwelt sollen die UV-Licht-Leuchtdioden sein, für desinfizierende Strahlung taugen und Vibrationen im mobilen Einsatz aushalten, ohne kaputtzugehen. Noch seien die für Desinfektionszwecke geeigneten LEDs Käßler zufolge recht teuer, sodass in der „gewünschten Qualität und Robustheit“ der medizinische Bereich ein paar Jahre vor dem privaten Consumer-Bereich am Zug sein werde.
Der Prototyp für die Smartphone-Desinfektion soll voraussichtlich im September auf der IFAT, der Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft in München, präsentiert werden. So sie denn stattfindet. Wichtigste Voraussetzung: Die Hygiene muss passen. Nicht nur dort. Und nicht nur für Handys.